Friedrich Merz hat sich lange Zeit gelassen mit seiner Reaktion auf die Wahlen in Sachsen und Thüringen. Am Sonntagabend hat er keine Interviews gegeben. Am Montagvormittag hat er erst mal mit seinen Kolleginnen und Kollegen in der Parteispitze gesprochen. Jetzt erscheint der CDU-Chef endlich im Foyer der Berliner Parteizentrale. Es ist 13.05 Uhr geworden. Aber es ist ja auch keine einfache Situation für Merz.
Die CDU hat zwar die Ampelparteien deklassiert. In Thüringen und Sachsen ist die Union alleine mehr als doppelt so stark geworden wie SPD, Grüne und FDP zusammen. Angesichts der Umstände ist das ein großer Erfolg. Aber die CDU muss jetzt mit Sahra Wagenknechts Bündnis koalieren. In Thüringen wäre eine CDU-geführte Regierung sogar auf Hilfe der Linken angewiesen. Und in beiden Bundesländern hat die AfD mehr als 30 Prozent geholt. Als ob das alles nicht genug wäre, sitzt in Bayern auch noch ein CSU-Chef, der gerne selbst Kanzlerkandidat werden möchte. Wie kommentiert man da ein solches Wahlergebnis?
Merz entscheidet sich dafür, nichts schönzureden – das macht seiner Ansicht nach der Bundeskanzler schon ohne Unterlass. „Wir hätten uns mehr vorstellen können – gerade in Thüringen“, sagt Merz also. Und spricht von einem „ordentlichen Wahlergebnis“ unter „außergewöhnlich schwierigen Umständen“. Schuld am großen Erfolg von AfD und BSW sei vor allem die Ampelkoalition im Bund. Die habe am Sonntag ein „totales Fiasko“ erlebt. Gerhard Schröder habe nach einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, bei der die SPD auf 37,1 Prozent gekommen sei, im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt. Jetzt hätten die Sozialdemokraten von Olaf Scholz nur noch einstellige Ergebnisse erzielt – aber der Bundeskanzler glaube das seinen Äußerungen zufolge „als positives Ergebnis bewerten zu können“. Dabei sei doch klar, was jetzt passieren sollte, findet Merz: „Die Ampel muss ihre Politik, insbesondere in der Zuwanderung, grundsätzlich korrigieren.“
„Wir haben die Dinge immer allein entschieden“, sagt Kretschmer
Auf die Frage, wie es die CDU nun mit dem BSW und vor allem der Linken halten soll, geht Merz in der Pressekonferenz dagegen nur sichtlich lustlos ein. Was das BSW angeht, haben sich Merz und die CDU-Spitze an diesem Tag auf die Formel verständigt, man habe vollstes Vertrauen in Michael Kretschmer und Mario Voigt. Die beiden Spitzenkandidaten und ihre Landesverbände hätten freie Hand für Verhandlungen mit dem BSW. Diese freie Hand hatte sich Kretschmer allerdings zuvor schon selbst gewährt. „Wir haben, seitdem es die sächsische Union gibt, die Dinge immer allein entschieden“, hatte der sächsische Ministerpräsident bereits am Morgen erklärt. Daran werde „sich auch nichts ändern“.
Und wie hält es die CDU jetzt mit der Linken? Bundesvorstandsmitglieder weisen am Montag darauf hin, dass im Thüringer Landtag ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD zwar nur über 44 der 88 Sitze verfügen würde. Dass das aber für eine Wahl von Mario Voigt zum Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang auch ohne Hilfe der Linken reichen würde. Wie eine Regierung Voigt anschließend zu ihren Mehrheiten kommen würde, das würde man dann schon sehen. Man müsse Voigt jetzt Zeit geben und in Ruhe sondieren lassen.
Sicher sei aber, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegen die Linke gilt, beteuert Merz in der Pressekonferenz. Er sagt aber auch, in Thüringen seien die „Dinge im Fluss“. Er könne und wolle dem nicht vorgreifen. „Was da in den nächsten Wochen geschieht, das werden wir dann jeweils im Lichte der Lage beurteilen.“
Es gibt in der CDU die Hoffnung, dass in den kommenden Wochen noch Linken-Abgeordnete zum BSW wechseln könnten. Und es gibt in der CDU die Sorge, dass mit einer Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen die Linke auch die Brandmauer zur AfD ins Wanken geraten könnte. Die frisch gewählte Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Martina Schweinsburg forderte am Montag schon, dass ihre Partei auch mit der AfD reden sollte.
Die Wahl-Nachlese der CSU findet am Montag nicht in der Parteizentrale, sondern auf der Bierzeltbühne statt – beim Gillamoos-Volksfest in Abensberg. Parteichef Markus Söder lobt Michael Kretschmer, der „wirklich gekämpft“ habe. Und sonst? Hält er sich zurück mit Komplimenten für die Schwesterpartei. Man dürfe nicht zur Tagesordnung übergehen, „dieses Wahlergebnis muss uns allen ein echter Weckruf sein“, sagt Söder. „Uns allen“ – er schließt die Union da mit ein.
„Södern statt Zögern“, reimt Hessens Boris Rhein im Bierzelt
Wer sich an diesem Tag in der CSU umhört, dem wird vor allem Besorgnis gespiegelt. Darüber, dass es der CDU trotz stabiler Wahlergebnisse nicht gelungen sei, den Triumph der AfD zu verhindern. Und die K-Frage? Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schmiert Söder reichlich Honig um den, nun ja, Bart. Söders Führungsstärke sei „das, was unser Land braucht“. In seiner Bierzeltrede bei der CSU wünscht sich Rhein „Södern statt Zögern“. Das ist kein Plädoyer in der K-Frage, Rhein ist lediglich ein höflicher Gast, am Morgen hat er noch Merz gelobt. Aber Söder braucht auch niemanden, der ihn ins Spiel bringt, das macht er auch an diesem Tag selbst.
„Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagt Söder. Er verspricht, dass die Kandidatenkür anders laufen werde als 2021, mit Armin Laschet, der „schlicht und einfach der falsche Kandidat“ gewesen sei. Deutlicher könnte er seine Botschaft an die CDU kaum verbreiten. Im Grunde sagt Söder: Mit mir könnt ihr nichts falsch machen, mit Merz womöglich schon. In der K-Frage sei alles beim Alten, heißt es ansonsten in der CSU. Dort wollen sie jetzt die Wahl in Brandenburg abwarten. Und mancher wird interessiert beobachten, ob Merz doch noch ins Schlingern gerät beim Versuch, die Debatten um Koalitionen und Brandmauern in Sachsen und Thüringen zu moderieren.