Nach einem Vorstoß von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Lockerungen der Sanktionen gegen Russland ins Gespräch brachte, melden sich innerparteilich nun deutliche Kritiker zu Wort. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte im Gespräch mit Süddeutsche Zeitung Dossier eine klare Abgrenzung von früheren Fehlern im Umgang mit Moskau. „Es ist wünschenswert, wenn es in der Union zu einer Aufarbeitung der verfehlten Russlandpolitik der Vergangenheit käme, denn wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“, sagte er. „Wer russische Narrative verbreitet oder wieder auf russisches Gas setzt, der schwächt damit europäische Sicherheit, die insbesondere Geschlossenheit und Stärke gegenüber Russland braucht.“
Kiesewetter forderte zudem, mögliche russlandfreundliche Tendenzen bereits im Koalitionsvertrag auszuschließen: „Eine Reaktivierung von Nord Stream sollte am besten im Koalitionsvertrag ausgeschlossen werden, damit sämtlichen Spekulationen und russlandfreundlichen Ambitionen der Wind aus den Segeln genommen wird“, sagte er. Mit Appeasement wie Sanktionslockerungen werde die deutsche Sicherheit geschwächt sowie der Aggressor und Terrorstaat Russland gestärkt.
Der stellvertretende CDU-Chef Michael Kretschmer hatte das kategorische Nein Deutschlands und anderer europäischer Länder zu einer Lockerung der Sanktionen gegen Russland in einem dpa-Interview kritisiert. „Das ist völlig aus der Zeit gefallen und passt ja auch gar nicht zu dem, was die Amerikaner gerade machen“, sagte er. „Wenn man merkt, dass man sich selber mehr schwächt als das Gegenüber, dann muss man darüber nachdenken, ob das alles so richtig ist.“
Haßelmann fordert Merz auf „Moskau-Connection in seiner Partei schnellstens abzuwickeln“
Auch die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann kritisierte die Äußerungen Kretschmers scharf. „Während Putin weiter Bomben auf die Ukraine wirft, biedert sich Ministerpräsident Kretschmer dem Kriegstreiber wieder an“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz forderte Haßelmann auf, „die Moskau-Connection in seiner Partei schnellstens abzuwickeln“.
Haßelmann sagte, eine Lockerung der als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine verhängten Strafmaßnahmen wäre ein schwerer Fehler. „Damit würden wir auch aus dem gemeinsamen Vorgehen Europas ausscheren.“ Von der CDU-Führung verlangte die Grünen-Fraktionschefin eine Distanzierung von Äußerungen wie der von Kretschmer.
„Friedrich Merz und die Spitze der CDU können sich nicht länger wegducken und müssen zum Aufleben der Moskau-Connection endlich klar Stellung beziehen. Die Zeit, das Thema totzuschweigen, ist vorbei“, sagte die Grünen-Politikerin.
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil lehnte es ebenfalls ab, über erneute Gaslieferungen aus Russland zu diskutieren. Man habe sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine von russischen Lieferungen unabhängig gemacht, sagte Klingbeil in der ARD: „Dieser Weg muss konsequent weitergegangen werden.“ Er sehe einen Weg zurück „überhaupt nicht“. Man sei ohnehin weit weg von einer Normalisierung mit Russland. Aber auch nach dem Krieg könne es keinen Weg zurück geben. „Wir dürfen nicht mehr naiv werden“, fügte er hinzu.
Weitere CD-Politiker stellen Lockerung der Sanktionen in Aussicht
Neben dem sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer äußerten sich auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß oder der stellvertretende CDU-Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Jan Heinisch, offen für eine Debatte über russische Gasimporte nach einem möglichen Friedensschluss. Bareiß saß in den Koalitionsverhandlungen in der Facharbeitsgruppe für Infrastruktur, Heinisch in der für Energie. Beide waren während der Verhandlungen mit Äußerungen zu Russland aufgefallen.
Heinisch hatte Politico gesagt: „Wenn eines Tages ein gerechter und sicherer Frieden gefunden ist, dann muss man auch wieder über den Kauf russischen Gases sprechen dürfen.“ Bareiß hatte zu Gerüchten über eine Reaktivierung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Linkedin geschrieben: Wenn wieder Frieden herrsche, die Beziehungen sich normalisierten, die Embargos früher oder später zurückgingen, „natürlich kann dann auch wieder Gas fließen, vielleicht diesmal dann in einer Pipeline unter US-amerikanischer (sic) Kontrolle“. Dies sei eine Entscheidung des Marktes.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass Thomas Bareiß und Jan Heinisch Teil der Hauptverhandlungsrunde aufseiten der CDU wären. Das ist falsch. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.