Süddeutsche Zeitung

Erster Bewerber für Chefposten:Röttgen: CDU-Vorsitz bis zum Sommer klären

  • Norbert Röttgen will neuer CDU-Vorsitzender werden. Am Dienstag bestätigte er, dass er sich um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer bewerben werde.
  • Die Entscheidung über den Parteivorsitz müsse schon deutlich vor der Sommerpause fallen, sagte Röttgen. Kanzlerin Merkel solle bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben.
  • Röttgen stammt aus Nordrhein-Westfalen. Er war früher Bundesumweltminister und wurde 2012 nach einer verlorenen Landtagswahl entlassen. Seither hat er sich als Außenpolitiker profiliert.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen dringt auf eine Entscheidung über den Parteivorsitz "deutlich" vor der Sommerpause. Es sei "unvorstellbar" mit dieser Entscheidung bis Dezember zu warten, sagte Röttgen am Dienstag in Berlin bei der Bekanntgabe seiner eigenen Kandidatur. Er übte deutliche Kritik an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die am Dienstag Gespräche mit möglichen Bewerbern begann. "Das Verfahren hat mich nicht überzeugt", sagte er. Kramp-Karrenbauer rede nun mit CDU-Politikern, bei denen gar nicht klar sei, ob sie überhaupt Kandidaten seien. "Ich bin der Erste und Einzige, der seine Kandidatur erklärt hat", sagte Röttgen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags betonte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben solle. "Die Kanzlerin ist gewählt", sagte er zu Spekulationen, dass sich Merkel nach der Wahl eines neuen CDU-Parteivorsitzenden zurückziehen solle. Röttgen sprach sich dafür aus, dass die Union die Frage eines Kanzlerkandidaten erst zum Jahresende klären sollte. Der 54-Jährige stammt aus Nordrhein-Westfalen, wie seine potenziellen Mitbewerber Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn.

Die CDU müsse aus den Fehlern der SPD lernen, sagte Röttgen. Diese habe seit dem Rücktritt Franz Münteferings eine Vielzahl von Vorsitzenden erlebt, ohne dass die inhaltliche Position der Partei geklärt worden sei. Deshalb müsse die CDU jetzt eine "christdemokratische Idee von der Zukunft unseres Landes" entwickeln: "Davon habe ich seit der Rückzugsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer wenig gehört. Darum kandidiere ich."

Abgrenzung nach rechts und links

Die CDU müsse sich als "Partei der Mitte" positionieren, forderte Röttgen, und sich klar von AfD und Linkspartei abgrenzen. Beide Parteien seien nicht gleichzusetzen. Die AfD bediene sich zum Teil "nationalsozialistischer Sprache", ihr nationalistisches Denken stifte Unfrieden in der Gesellschaft, und sie biete keinerlei Lösungen an. Im Falle der Linkspartei sei die Begründung eine ganz andere, die Partei müsse endlich damit beginnen, das Unrechtsregime der DDR aufzuarbeiten. Außerdem sei sie ein treuer Unterstützer der nach Ansicht Röttgens verfehlten Außenpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Was den Rechtspopulismus angeht, müsse die CDU auch die Gründe bekämpfen, die die AfD stark gemacht hätten und sich um Menschen kümmern, die sich alleingelassen fühlten. Sie erführen "in einer Zeit dramatischer Veränderungen keine Politik, die sie schützt, die agiert, die schon mit ihnen spricht, bevor die Lawine losgerollt ist". Die CDU müsse bereit sein, mit ihnen zu reden.

Besonders wichtig sei eine umweltpolitische Position. Vor allem bei diesem Thema müsse die CDU Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, "sonst droht uns eine ganze Generation verloren zu gehen". Wahlentscheidend sei, ob eine Partei "Zukunftskompetenz" besitze, "und die gibt es nicht ohne ökologische Kompetenz".

"Abschotten" oder "offen und vernünftig bleiben"?

Letztlich gebe es, so Röttgen, für eine Partei der Mitte wie die CDU und für alle westlichen Demokratien nur zwei Wege in der aktuellen Lage: Man könne sich abschotten und Ängste schüren, wie das die AfD tue, oder "uns den Veränderungen stellen, die Bürger schützen, offen und vernünftig bleiben und uns europäisch verbünden". Die CDU müsse die zweite Option wählen. Allerdings bräuchten die Menschen, um dafür gewonnen werden zu können, auch mehr finanziellen Spielraum, der sich etwa über die Steuerpolitik herstellen lasse. "Da müssen wir korrigieren."

Röttgen war von Oktober 2009 bis Mai 2012 Bundesumweltminister. 2010 setzte er sich in NRW im Ringen um den CDU-Landesvorsitz in einer Mitgliederbefragung gegen Laschet durch. Dann trat er als CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2012 an und verlor gegen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der SPD. Die CDU kam damals nur auf 26,3 Prozent, was manche in der Partei als Versagen Röttgens interpretierten. Kanzlerin Merkel warf ihn anschließend aus dem Bundeskabinett, weil er sich weigerte, als Oppositionschef ins Land zu wechseln.

Die Bewerbung Röttgens könnte die jüngsten Überlegungen in der Union durchkreuzen, eine Kampfkandidatur zu vermeiden. Laschet, Spahn und auch CSU-Chef Markus Söder hatten sich zuletzt für eine Teamlösung ausgesprochen. Das deutete darauf hin, dass nach ihrem Willen schon vorher unter den Favoriten geklärt werden sollte, wer Parteivorsitzender werden könnte, wer womöglich Kanzlerkandidat der beiden Schwesterparteien CDU und CSU und wer weitere Rollen in dem Team übernehmen könnte.

Kramp-Karrenbauer hatte nach dem Debakel um die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit Hilfe von CDU und AfD ihren Rückzug vom Parteivorsitz und auch ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur angekündigt.

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