"Aus Gründen der Generationengerechtigkeit":CDU will Rente an Lebenserwartung koppeln

"Aus Gründen der Generationengerechtigkeit": Der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm klebt das erste Plakat einer Informationskampagne. Aufschrift: "denn eins ist sicher: Die Rente".

Der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm klebt das erste Plakat einer Informationskampagne. Aufschrift: "denn eins ist sicher: Die Rente".

(Foto: Peter Popp/dpa)

Die Regelaltersgrenze soll um vier Monate für jedes gewonnene Lebensjahr steigen, empfiehlt eine Fachkommission der Partei. SPD und Linke kritisieren Vorschlag scharf.

Von Robert Roßmann, Berlin

"Denn eins ist sicher: Die Rente". Es gibt keinen Satz von Norbert Blüm, der bekannter ist als dieser - auch weil ihn der CDU-Politiker bundesweit plakatieren ließ. 16 Jahre war Blüm Bundesarbeitsminister - niemand hielt sich bisher länger in dem Amt. Und in der ganzen Zeit versicherte Blüm, die Rente sei sicher. Die CDU ist sich da jetzt aber nicht mehr so sicher. Ihre Fachkommission "Soziale Sicherung" hat gerade ein elf Seiten langes Papier vorgelegt, das erhebliche Probleme der Altersversorgung beschreibt.

"Mit Blick auf nachfolgende Generationen können wir Defizite in den Sozialversicherungen nicht auf Dauer mit milliardenschweren Steuerzuschüssen schließen", heißt es in dem Papier. Schon heute zahle "der Bund über 100 Milliarden Euro pro Jahr in die gesetzliche Rentenversicherung ein". Dies entspreche "in normalen Haushaltsjahren fast einem Drittel des Bundeshaushalts und wird perspektivisch weiter ansteigen". Die Herausforderung bestehe jetzt "darin, das hohe Leistungsniveau in den sozialen Sicherungssystemen ohne ständige Beitragssteigerungen und weiter steigende Steuerzuschüsse zu sichern". Dazu seien strukturelle Veränderungen nötig.

Die Fachkommission verweist darauf, dass durch niedrige Geburtenraten und "die erfreulich steigende Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten" inzwischen auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren bereits 37 Personen im Alter ab 65 Jahren kämen. Im Jahr 2030 könnten es laut Statistischem Bundesamt sogar schon 47 Personen im Rentenalter sein. Den Beschäftigten werden also immer mehr Rentner gegenüberstehen.

Die Regelaltersgrenze steigt bis zum Jahr 2031 stufenweise auf 67 Jahre, das ist schon lange beschlossen. Um die Debatte, was danach geschehen soll, hat sich auch die CDU lange herumgedrückt. Jetzt macht die Fachkommission aber einen konkreten Vorschlag. Sollte die Lebenserwartung wie prognostiziert steigen, könnte eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze "aus Gründen der Generationengerechtigkeit erforderlich werden", heißt es in dem Papier. Deshalb wolle man "ab 2031 die Regelaltersgrenze im Verhältnis eins zu zwei an die Lebenserwartung koppeln". Ein gewonnenes Lebensjahr solle dann "zu einem Drittel in Arbeit und zu zwei Drittel im Rentenbezug verbracht werden - konkret erhöht sich dann dadurch die Regelaltersgrenze um 4 Monate für jedes gewonnene Lebensjahr".

Chef der CDU-Fachkommission ist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, er ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Stellvertretender Kommissionschef ist Karl-Josef Laumann - der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen und Bundesvorsitzende des Arbeitnehmerflügels der CDU. Unter den Mitgliedern der Kommission sind auch fünf Bundestagsabgeordnete - unter ihnen Annette Widmann-Mauz, die Chefin der Frauen-Union. Die Fachkommission ist also ziemlich prominent besetzt.

Arbeitsminister Heil kritisiert die Vorschläge scharf

SPD und Linke haben die Vorschläge der CDU-Kommission umgehend und heftig kritisiert. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, twitterte, es handele sich um "Gruselvorschläge". Jan Korte, ihr Kollege von den Linken, schrieb, gegen "die Rentendiebe der Union" wirke Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seinen Plänen "wie ein Waisenknabe". Und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der Bild-Zeitung, die Pläne der CDU seien ein "Schlag ins Gesicht vieler hart arbeitender Menschen in Deutschland". Die Christdemokraten seien offenbar "sehr weit weg vom Lebensalltag der Arbeitnehmer". Als CDU-Funktionär könne "man sicherlich bis 70 arbeiten - Paketboten, Erzieherinnen, Stahlarbeiter oder Pflegekräfte können das aber nicht".

In dem Papier der CDU-Kommission steht allerdings an keiner Stelle die Zahl 70. Und es ist auch den Christdemokraten klar, dass es einen Unterschied macht, ob man zum Beispiel auf dem Bau oder in einem Büro arbeitet. "Bei einem steigenden Renteneintrittsalter werden immer mehr Menschen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können", heißt es in dem Papier. Ziel sei es deshalb einerseits, "durch Prävention, Rehamaßnahmen und Qualifizierung die Erwerbsfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten". Außerdem müsse gelten: "Wer krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss, muss sich auf eine auskömmliche Alterssicherung durch die beiden verpflichtenden Säulen - gesetzliche Rente und betriebliche Altersvorsorge - verlassen können." Deshalb wolle man "die Absicherung gegen das Risiko der Erwerbsminderung" verbessern.

CDU will die Betriebsrente stärken

Außerdem will die Kommission die kapitalgedeckte Altersvorsorge ausbauen. "Die gesetzliche Rente allein kann eine auskömmliche Alterssicherung nicht sicherstellen", heißt es in dem Papier. Eine zusätzliche kapitalgedeckte Vorsorge sei "ein unerlässlicher Baustein und erfolgt derzeit über Betriebsrenten und über die - teilweise staatlich geförderte - private Altersvorsorge". Die CDU wolle "diese beiden kapitalgedeckten Vorsorgearten besser miteinander verzahnen und sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer eine kapitalgedeckte Vorsorge haben". Deshalb wolle man "eine paritätisch finanzierte Betriebsrente verpflichtend für Geringverdiener einführen". Dadurch solle "sichergestellt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine kapitalgedeckte Vorsorge ergänzend zur gesetzlichen Rente haben". Die staatliche Förderung solle dabei auf Menschen konzentriert werden, "die diese wirklich brauchen". Für Menschen mit geringem Stundenlohn wolle man "den Arbeitnehmeranteil der Betriebsrente durch staatliche Zuschüsse unterstützen".

Für erhebliche Diskussionen auch innerhalb der CDU dürfte ein Thema sorgen, dass in dem elfseitigen Papier lediglich mit zwei Sätzen abgehandelt wird: "Das Pensionsniveau von Beamten hat sich zu weit vom Versorgungsniveau von Menschen in vergleichbaren Positionen in der gesetzlichen Rente entfernt. Dies muss bei der Gesamtkonzeption einer gerechten Altersversorgung berücksichtigt werden." Das dürfte den vielen Beamtinnen und Beamten unter den CDU-Mitgliedern und Wählern nicht gefallen. Außerdem ist der Beamtenbund im Arbeitnehmerflügel der CDU gut vernetzt.

Die Fachkommission "Soziale Sicherung" ist eine von zehn Fachkommissionen, die die CDU eingesetzt hat. Die Kommissionen sollen die Vorarbeit für das neue CDU-Grundsatzprogramm leisten, das die Partei im kommenden Jahr beschließen will. Das derzeit gültige Grundsatzprogramm stammt aus dem Jahr 2007 - ist also schon 16 Jahre alt.

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