Süddeutsche Zeitung

Politischer Aschermittwoch:Boxtrainer Merz gegen Gipfelstürmer Laschet

Lesezeit: 4 min

Im Festzelt-Fernduell um die CDU-Spitze offenbaren die Kandidaten ihre unterschiedlichen Strategien: Armin Laschet setzt auf Zusammenhalt, Friedrich Merz auf sich selbst.

Von Claudia Henzler, Fellbach, Ulrike Nimz, Apolda, und Christian Wernicke, Kirchveischede, Fellbach/Kirchveischede/Apolda

Auf das "Kandidatenrennen" in der CDU kommt Annegret Kramp-Karrenbauer an diesem Aschermittwoch sofort zu sprechen. Es sei wichtig, sagt die Noch-Vorsitzende im Festzelt von Fellbach, "dass wir diese Diskussion führen". Doch die Leute auf der Straße würden von anderen Sorgen umgetrieben: Coronavirus, Arbeitsplätze, die Frage, ob man ohne Angst zu einem Faschingsumzug gehen kann. "Wir dürfen nicht den Fehler machen zu glauben, wir als Partei seien der Nabel der Welt", sagt Kramp-Karrenbauer. Auf sie persönlich trifft das derzeit besonders zu.

Die CDU in Baden-Württemberg musste sich kurz vor Aschermittwoch ein bisschen Mitleid gefallen lassen. Da hatte sie sich rechtzeitig einen Promi in Person der Parteivorsitzenden gesichert - und am Ende doch nur die CDU-Rednerin zu bieten, für die sich die Leute am wenigsten interessieren. Denn am Tag, nach dem Friedrich Merz und das Duo Armin Laschet und Jens Spahn ihre Ambitionen auf den Parteivorsitz erklärt haben, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die potenziellen Nachfolger. Und die treten fern von Fellbach auf: Laschet im Sauerland, Merz in Thüringen.

So hoch hinauf steigt Armin Laschet selten. 40 Minuten hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident geredet in der Schützen-halle von Kirchveischede, dem 1000-Seelen-Ort im tiefen Sauerland. Er hat gewarnt, vor Wirtschaftskrisen, vor der Rechten, vor Thüringer Verhältnissen. Und er hat - selbstverständlich - von der tollen Arbeit der eigenen Regierung berichtet. Dafür bekommt er braven Beifall. Dass er am Ende jedoch solche Ovationen ernten würde, dass er auf einen Stuhl klettern und die 650 Parteifreunde besänftigen durfte - das lag an seinem Finale.

Kurz vor dem Ende hat Laschet den Segen aller Einigkeit beschworen. Das ist für ihn jene Tugend, die in Berlin fehlt, aber die in Düsseldorf regiert. Seine CDU, so warnt er zunächst leise, werde "das ja in nächster Zeit so'n bisschen beschäftigen im Wettbewerb". Genervt blickt er ins Publikum, er warnt vor "den vielen schönen Theorien", die da im Kampf um die Macht in Berlin erörtert würden. Laschet holt Luft: "Ich will einfach nur...", sagt er und stockt, " ... es machen!" Bessere Bildung, innere Sicherheit, mehr Investoren - "einfach nur machen!" Und dabei alle zusammenhalten: "Das werden wir als CDU nur schaffen, wenn alle mit an Bord sind." So wie am Rhein, nicht so wie an der Spree.

Den Namen seines Konkurrenten im Fernduell erwähnt Laschet nicht. Nicht ein Mal. Dabei steht er hier im Sauerland auf Merz-Terrain. Für den benachbarten Hochsauerlandkreis saß der Konkurrent um die Parteiführung jahrelang im Bundestag.

Zum Mordanschlag in Hanau findet Merz in Apolda eindeutigere Worte als zuletzt

Merz selbst tritt ebenfalls irgendwie auf Merz-Terrain auf, in Apolda, Thüringen, beim, wie es heißt, größten politischen Aschermittwoch Ostdeutschlands: 1500 Gäste, Hering und literweise süffiges Pils, das man auch in der Kantine des Erfurter Landtages kaufen kann, mit der Thüringer Politik hat es eines gemein: Man kriegt davon leicht Kopfschmerzen.

Hinter der Thüringer CDU liegen bewegte, man könnte sagen, erschütternde Tage. Die Partei hat die Landtagswahl verloren, wählte gemeinsam mit der AfD den Chef einer Fünf-Prozent-Partei zum Ministerpräsidenten. Ein politischer Sündenfall, der die CDU-Bundesvorsitzende ihren Posten kostete, einen Richtungsstreit in der Partei entfachte.

Und auch Mike Mohring, Fraktions- und Landeschef, wird bald seine Ämter los sein. Apolda ist seine Heimatstadt. Punkt 20 Uhr steigt Merz auf die Bühne und hält eine lupenreine Aufbaurede. Wie ein Boxtrainer, der dem schwer angeschlagenen Schützling Luft zufächelt und ins Ohr brüllt, dass es noch nicht vorbei ist. Erst eine scharfsinnige Beobachtung ("Das ist hier nicht Berlin-Kreuzberg, das ist mitten in Deutschland!"), dann knöpft er sich Bodo Ramelow vor. Der sei der eigentliche Verlierer der Landtagswahl; dass er ohne Mehrheit zur Ministerpräsidentenwahl angetreten sei, ein Ausweis der Arroganz. "Das wird ja nicht so gern geschrieben. Aber wo kommen wir denn da hin?" Die Linke wolle ein anderes Land oder es wenigstens brennen sehen: "so wie in Leipzig-Connewitz!" Der Saal steht.

Doch der Dämpfer kommt: Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU müsse eindeutiger werden, so Merz. Ja, es gebe Gemeinsamkeiten zwischen links und rechts, aber die Gefahr gehe eindeutig vom Rechtsextremismus aus. "Wir müssen dafür sorgen, dass jene, die relativieren, die den Nationalsozialismus zum Vogelschiss erklären, von uns keine Hand gereicht bekommen."

Das darf man ruhig als Kritik an der Thüringer CDU verstehen, und auch zum rechtsterroristischen Mordanschlag in Hanau findet Merz eindeutigere Worte als zuletzt: "Die Opfer sind keine Fremden, das sind Landsleute. Ihnen gehört unsere Solidarität und volle Unterstützung, die nehmen wir in den Arm und trauern mit ihnen. Das muss für uns Christdemokraten eine Selbstverständlichkeit sein."

Erst am Schluss kommt Merz auf seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz zu sprechen. "Wenn die Wahl so ausgeht, wie ich mir das vorstelle, sind wir ein Team", sagt er in Richtung von Armin Laschet und Jens Spahn. Und wie er sich das vorstellt, ist da längst klar: Es kann nur einen geben. Wie weit Laschet und Merz mit ihren Strategien kommen werden? Der Aschermittwoch liefert in dieser Hinsicht zumindest Hinweise - und zwar aus Baden-Württemberg. Die krisengeplagte Landes-CDU verkündet am Morgen überraschend, dass sie Merz unterstützen und aktiv für ihn werben werde. Merz habe unter anderem bei der Basis die Nase vorn. Und auch der Gast der Südwest-CDU, Noch-Parteichefin Kramp-Karrenbauer, gibt später im Festzelt eine versteckte Wahlempfehlung ab - für Laschet und Spahn: "In einer Gesellschaft, von der wir alle den Eindruck haben, es geht eher auseinander", komme es "auf die an, die zusammenführen können".

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SZ vom 27.02.2020
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