CDU nach Merkel:Diese Christdemokraten sind die Zukunft der Partei

CDU-Politiker

Ihnen gehört die Zukunft der CDU: Peter Altmaier, Armin Laschet, Ralph Brinkhaus, Julia Klöckner, Hermann Gröhe, Annegret Kramp-Karrenbauer, Daniel Günther, Ursula von der Leyen, Jens Spahn und Carsten Linnemann (von links oben im Uhrzeigersinn)

(Foto: AP/dpa/Getty)

Nach dem überraschenden Wechsel an der Fraktionsspitze wird wieder mal die Frage laut: Was passiert, wenn Merkel geht? Eine Top Ten in Steckbriefen.

Von Jana Anzlinger

Was die Kanzlerin am Dienstag noch als "Stunde der Demokratie" bezeichnet hat, könnte eine ihrer letzten im Amt gewesen sein. Nach der überraschenden Niederlage ihres erklärten Wunschkandidaten an der Fraktionsspitze, Volker Kauder, wackelt Angela Merkels Macht. Die Opposition fordert sogar, sie solle die Vertrauensfrage stellen. Sie lehnt das ab.

Aber selbst wenn die CDU-Chefin und Kanzlerin die Krise überstehen sollte, werden die Fragen immer lauter: Was passiert, wenn Merkel geht? Wer wird Kanzlerkandidat, wer Parteichefin, wer prägt die CDU? Ein Überblick über zehn Protagonisten von morgen.

Ralph Brinkhaus

Wer ist das? Diese Frage stellt seit Dienstagabend halb Deutschland. So richtig aufgefallen war Brinkhaus Außenstehenden noch nicht. Dabei gilt der 50-Jährige als begnadeter Redner und selbstbewusster Kritiker auch der Bundesregierung.

Was macht der? Der Steuerberater aus Ostwestfalen sitzt seit 2009 im Bundestag. Die vergangenen vier Jahre war er als Unionsfraktionsvize zuständig für die Themen Haushalt, Finanzen und Kommunalpolitik. Seine Kandidatur für den Fraktionsvorsitz kam überraschend. Am Dienstag setzte er sich in einer Kampfabstimmung mit 125 zu 112 Stimmen gegen Amtsinhaber Kauder durch.

Wofür steht er? Brinkhaus ist in keinem Bereich radikal. In der jüngeren Vergangenheit ist er aber bei der Bundesregierung durchaus angeeckt: als es um die Absetzbarkeit von Managergehältern ging und als er mit anderen Kritikern Merkels Kurs in der Europapolitik lenken wollte. Sie verfassten ein Papier mit einer kritischen Reaktion auf die Vorschläge des französischen Präsidenten zur Zukunft Europas. Sie befürchteten, Merkel könnte in Verhandlungen mit Emmanuel Macron nicht hart genug auftreten und für Deutschland unnötig teure Kompromisse billigen. Das Papier wurde als Kritik an der Kanzlerin und als Versuch, ihre Beinfreiheit einzuschränken, wahrgenommen.

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Brinkhaus war für Abgeordnete aller Seiten wählbar, weil er weder zu den Merkel-Jüngern noch zu den Gegnern der Chefin zählt. Er bietet eine Alternative ohne Revolution. Dieses Image könnte ihm auch in Zukunft zugutekommen.

Daniel Günther

Wer ist das? Als Daniel Günther 2017 als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins vereidigt wurde, war er Deutschlands jüngster Regierungschef. Unterschätzt wird er ein Jahr später nicht mehr. Der 45-Jährige ist einer der auffälligsten Helfer der Kanzlerin.

Was macht der? Er macht in Kiel, was Merkel in Berlin nicht gelungen ist: Seit Juni 2017 führt Günther ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen, aus dem bisher keine größeren Streitereien zu hören sind.

Wofür steht er? Lange vor der denkwürdigen Abstimmung im Bundestag hat sich Günther in Kiel für die Ehe für alle eingesetzt. Merkels Flüchtlingspolitik ab 2015 unterstützt Günther noch immer. Im Asylstreit der großen Koalition hat er sich als ihr Unterstützer positioniert: "Ich stehe da deutlich auf Merkels Seite."

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Günther gehört zum engsten Zirkel um Merkel. Dass er im Asylstreit zur Kanzlerin stand, zeigte seine Loyalität und seine Haltung. Deswegen wird er sogar als Kanzlerkandidat gehandelt: Wer ein frisches Gesicht sehen, aber vom Kurs her ein Kabinett Merkel V haben will, kann guten Gewissens Günther wählen.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Wer ist das? Diese Frau hat den Schulz-Zug gestoppt - oder zumindest den Bremsvorgang eingeleitet. Im Frühjahr 2017 gewann Kramp-Karrenbauer auf dem Höhepunkt der SPD-Euphorie um Kanzlerkandidat Martin Schulz die Landtagswahl im Saarland. Ein paar Monate später trat sie das erkämpfte Amt wieder ab und wechselte nach Berlin. Hier gehört "AKK" zur engsten Führungsriege um Merkel.

Was macht die? Seit Februar 2018 ist Kramp-Karrenbauer CDU-Generalsekretärin. Sie hatte die Berliner Luft 1998 schon einmal geschnuppert, als sie für wenige Monate im Bundestag saß. Von 1999 bis 2018 saß sie im saarländischen Landtag - von 2000 bis 2011 als Ministerin in verschiedenen Ressorts (Inneres, Bildung, Soziales) und dann fast sieben Jahre lang als Regierungschefin.

Wofür steht sie? Die erst zweite weibliche CDU-Generalsekretärin überhaupt setzt sich schon lange für die Frauenquote ein. Allgemein steht sie in der Sozialpolitik eher am linken Rand ihrer Partei. Mehrfach hat die 56-Jährige schon CSU-Chef Horst Seehofer brüskiert, etwa als sie sagte, dass "die Muslime in Deutschland mit ihrem Glauben, dem Islam, zu unserem Land gehören". Im Asylstreit hat sie an CDU-Mitglieder einen Brief geschrieben, der Seehofer übel aufstieß. Darin warnte sie, der Plan der CSU zur Zurückweisung von Flüchtlingen direkt an der Grenze berge die Gefahr, "Europa weiter zu spalten und zu schwächen".

Warum kann sie sich Chancen ausrechnen? Dass Merkel die langjährige Ministerpräsidentin nach Berlin holte, haben viele als Nachfolgeplanung verstanden. Kramp-Karrenbauer selbst hat sich schon beschwert, dass sie so oft gefragt wird, ob sie Merkels Kronprinzessin sei. Sie habe sich schon im Karneval "nie für Prinzessinnenrollen geeignet". Eine weitere Standard-Antwort von ihr: "Netter Versuch." Ein Dementi ist das nicht.

Tierchen und die Anti-Merkel-Troika

Peter Altmaier

Wer ist das? Wie ein Tierchen, sagte Peter Altmaier vor der Bundestagswahl, betrachte er jedes neue Amt: "Das schaue ich mir an und frage: Was bist du für eins?" Tatsächlich hatte der 60-Jährige schon gefühlt fast jedes partei- oder bundespolitische Amt inne.

Was macht der? Merkel hat Altmaier das Wirtschaftsministerium anvertraut, was sich wie ein Trostpreis angefühlt haben muss. Er war zuletzt kommissarisch für das Finanzministerium zuständig und hätte die Macht über das Geld gern behalten. Vorher war Altmaier Beamter in der EU-Kommission, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, Innenstaatssekretär, Umweltminister, Chef des Kanzleramts und Minister für besondere Aufgaben.

Wofür steht er? Altmaier ist einer der liberaleren, moderneren Christdemokraten. Doch ein zentrales Thema, für oder gegen das er kämpft, hat Altmaier gar nicht. Wohl gerade deshalb, weil er eher Generalist ist als Fachpolitiker, beauftragte ihn die Kanzlerin 2017 mit dem Schreiben des Wahlprogramms.

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? In seiner Karriere ist Altmaier immer an eine Art gläserne Decke gestoßen und als ewiger Zweiter verharrt. Im Dezember 2017 sagte er im SZ-Interview zur Frage nach der Kanzlerkandidatur, er bewerbe sich nur auf offene Stellen. "Nach meiner Vorstellung wird die nächste Ausschreibung erst erfolgen, wenn ich schon im Vorruhestand bin." Er schließt eine Kanzlerkandidatur also bislang aus Timing-Gründen aus.

Carsten Linnemann

Wer ist das? Im Streit um die Zukunft von Verfassungsschutzchef Maaßen hat Carsten Linnemann sich lautstark zu Wort gemeldet. Die Bürger fragten "zu Recht, ob wir in Berlin alle verrückt geworden sind", sagte er dem Spiegel. "So kann es jedenfalls nicht weitergehen", sagte er dem Deutschlandfunk.

Was macht der? Der nordrhein-westfälische Ökonom sitzt seit 2009 im Bundestag. Er ist als Fraktionsvize zuständig für Wirtschaft und Energie und leitet die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union.

Wofür steht er? Linnemann ist ein Wirtschaftsliberaler. Er ist einer der vehementesten Kritiker der Euro-Rettung. Sein anderes großes Thema ist der "politische Islam", den es seiner Meinung nach zu bekämpfen gilt.

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Für eine Kanzlerkandidatur ist Linnemann zwar noch nicht politisch reif. Doch der 41-Jährige ist ein unverbrauchter Abgeordneter, ein neues Gesicht, das sich während der peinlichen Maaßen-Debatte volksnah positioniert hat. Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble hat ihn in einem Interview erwähnt, als es um die CDU-"Personalreserve" ging: Linnemann sei "ein starker Kerl".

Julia Klöckner

Wer ist das? Julia Klöckner hat in Rheinland-Pfalz als Spitzenkandidatin zwei Landtagswahlen verloren. Trotzdem gilt sie nach wie vor als eine der Hoffnungen der Union.

Was macht die? Merkel hat der Weinkönigin das Landwirtschaftsministerium anvertraut. Dort war sie bereits Staatssekretärin, bevor sie 2011 zurück nach Mainz ging. Klöckner ist eine der fünf Vizeparteichefs.

Wofür steht sie? Die 45-Jährige ist gegen Abtreibung und steht der islamischen Religion misstrauisch gegenüber. Im Wahlkampf 2016 grenzte sie sich von Merkels Flüchtlingspolitik ab. Das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat will sie durch Alternativen ersetzen, statt Landwirte durch ein Verbot zu verprellen.

Warum kann sie sich Chancen ausrechnen? Klöckner ist ein Liebling der Basis, als Parteivize gewinnt sie immer wieder mit großen Mehrheiten.

Jens Spahn

Wer ist das? "Der größte Merkel-Kritiker", "umstrittener Star der Union", "innerparteilicher Oppositionsführer", so oder ähnlich wird Jens Spahn gerne beschrieben. Tatsächlich bildet Spahn mit Klöckner und Linnemann eine Art Anti-Merkel-Troika.

Was macht der? Spahn ist mit 22 Jahren als jüngster direkt gewählter Abgeordneter der Geschichte in den Bundestag eingezogen. 16 Jahre später ist er immer noch da und inzwischen Gesundheitsminister. Außerdem sitzt er im Parteivorstand.

Wofür steht er? Spahn gehört zum konservativen Flügel. Mit Klöckner und Linnemann macht er Krach, wenn es um Flüchtlingspolitik und Muslime geht. Er befürwortet Fallpauschalen, mit denen Krankenhäuser Operationen und Untersuchungen wie Produkte abrechnen. Außerdem verteidigt er das Informationsverbot zu Abtreibungen. Für Empörung sorgte seine Aussage, Hartz IV bedeute keine Armut, sondern sei "die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut".

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Unverhohlener Ehrgeiz treibt den 38-Jährigen, der sich sicher noch höhere Ämter erhofft. Er steht für einen konservativen Wandel: Wer Merkel satt hat, unterstützt Spahn.

Ein guter Verlierer, eine Zähe und ein Jurist aus dem Rheinland

Hermann Gröhe

Wer ist das? Hermann Gröhe ist der gute Verlierer in Berlin. Er hat schon zweimal gegen Spahn verloren: Einmal unterlag er bei der Wahl ins CDU-Präsidium und dann hat ihn Spahn aus dem Gesundheitsministerium und damit aus dem Kabinett verdrängt.

Was macht der? Gröhe ist bereits als Schüler in die CDU eingetreten, war Vorsitzender der Jungen Union, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Generalsekretär und zuletzt Gesundheitsminister. Im März wählte die Unionsfraktion Gröhe mit 91,4 Prozent zu einem ihrer stellvertretenden Vorsitzenden, zuständig ist er für "Arbeit und Soziales".

Was will er? Gröhe hat die Pflegereform angeleiert, die unter anderem die drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt hat. Inhaltlich kritisiert wird er seltener als sein Nachfolger Spahn. Eine kontroverse Position Gröhes ist, dass er eine rezeptfreie Abgabe der Pille danach grundsätzlich ablehnt.

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Der 57-Jährige steht loyal zu Merkel, obwohl sie ihn abgesägt hat. Er hat sein Schicksal ohne öffentliche Klagen hingenommen. Beides dürfte ihm Sympathien einbringen.

Ursula von der Leyen

Wer ist das? Erst "Zensursula", dann "eiskalter Engel" und nun "Flinten-Uschi": Als Frau, die deutliche Positionen nicht nur in seichten Politikfeldern vertritt, wird Ursula von der Leyen mit bösen Spitznamen verspottet. Doch die 59-Jährige gilt als äußerst hart im Nehmen.

Was macht die? Von der Leyen ist seit 2005 im Kabinett, zunächst als Familien- und dann als Arbeitsministerin. Seit 2013 leitet sie das Verteidigungsministerium. Außerdem ist sie Parteivize.

Wofür steht sie? Ursula von der Leyen hat die Bundeswehr durch alle Sexismus- und Nazi-Skandale manövriert und versucht weiterhin, ihr ein Image als tolerante Truppe zu verpassen. Schon vorher hat sie an Merkels Modernisierungskurs maßgeblich mitgewirkt, etwa beim Elterngeld und beim Krippenausbau.

Warum kann sie sich Chancen ausrechnen? Von der Leyen möchte schon lange Außenministerin werden. Dass sie es ins Auswärtige Amt schafft, ist nicht unrealistisch. Ihre Zähigkeit und Durchsetzungsstärke werden immer wieder honoriert.

Armin Laschet

Wer ist das? Der Rheinländer hat die Kanzlerin immer wieder gegen Kritik verteidigt. Er selbst stand in der Kritik, weil sich der Streit um die unrechtmäßige Abschiebung des Islamisten Sami A. und die Rodung des Hambacher Forsts in seinem Bundesland abspielen.

Was macht der? Als 18-jähriger Gymnasiast trat Armin Laschet 1979 in die CDU ein. Er machte Kommunal- und Landespolitik und saß im Bonner Bundestag. Seit Juni 2017 führt er als Ministerpräsident die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen.

Wofür steht er? Der studierte Jurist hat eine knallharte Null-Toleranz-Politik der inneren Sicherheit versprochen und wollte die Infrastruktur verbessern. Seine Zwischenbilanz ist bisher eher mau.

Warum kann er sich Chancen ausrechnen? Gerhard Schröder sieht ihn als Kanzlerkandidaten: "Sein Politikkonzept ist gar nicht so schlecht", verkündete der Altkanzler dem Stern. "Er hat enge Kontakte in die Wirtschaft. Daneben aber betont er auch die soziale Frage." Eine Rolle in der Bundestagsfraktion dürfte Laschet weniger liegen. Mit der Schwesterpartei CSU ist er nicht immer einverstanden. Er hat schon mehrfach betont, wie "schnell" die CDU einen bayerischen Landesverband gründen könne.

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