Süddeutsche Zeitung

Ringen um Erneuerung:Der Kampf um den CDU-Vorsitz beginnt

Nach ihrem katastrophalen Ergebnis bei der Bundestagswahl will sich die CDU neu sortieren. Kandidat Braun will Integrationspolitikerin Güler zur Generalsekretärin machen.

Es ist viel von Erneuerung die Rede in der CDU - personell wie inhaltlich. Doch am Anfang steht ein Machtkampf um die Führung der Partei - der dritte innerhalb von nur drei Jahren. Zwei Monate nach ihrem Desaster bei der Bundestagswahl beginnt für die CDU nun an diesem Montag die Vorstellungsphase ihrer Kandidaten für den Parteivorsitz.

Neben Ex-Unionsfraktionschef Merz bewerben sich der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun und der Außenpolitiker Norbert Röttgen um die Nachfolge von Armin Laschet, der bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat gescheitert war.

Braun hat sich am Montagmittag in der Bundespressekonferenz zu seinen Vorstellungen für eine Neuaufstellung der Partei geäußert. Merz und Röttgen hatten das zuvor bereits getan.

Braun will mit Serap Güler und Nadine Schön antreten

Helge Braun hat die Bundestagsabgeordnete und frühere NRW-Integrations-Staatssekretärin Serap Güler als Kandidatin für das Amt der Generalsekretärin vorgeschlagen. Falls er gewählt werde, solle Güler Teil der Parteispitze sein, weil sie "diskutieren, manchmal polarisieren und integrieren" könne, sagte der geschäftsführende Kanzleramtschef bei der Präsentation seines Teams.

Güler, 41, als Kind einer türkischen Gastarbeiterfamilie in Marl geboren, gilt als Vertraute des scheidenden CDU-Vorsitzenden und früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und sitzt seit 2012 im CDU-Bundesvorstand. Ihren Kölner Wahlkreis hatte sie gegen den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach verloren, sie zog über die Landesliste in den Bundestag ein.

Die Digitalpolitikerin und bisherige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön, soll neben Braun die Leiterin der Programm- und Strukturabteilung werden.

Merz sieht die CDU in einer schweren Krise

Friedrich Merz, der in den vergangenen drei Jahren schon zweimal vergeblich für den Parteivorsitz kandidiert hat, sieht die CDU in einer ihren Charakter als Volkspartei bedrohenden schweren Krise. "Wir haben bei keinem Thema mehr die Meinungsführerschaft, nicht einmal mehr in der Wirtschaftspolitik. Wir haben in keiner Altersgruppe mehr den höchsten Wähleranteil, nicht einmal mehr bei den über 60-Jährigen", sagte er der Bild am Sonntag.

Bei seiner Wahl werde er die CDU zuerst zu einem sehr familienfreundlichen Arbeitgeber machen. Merz will den bisherigen Chef der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, zum Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission der CDU machen. Der 44-Jährige kündigte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an, er wolle die Arbeit an den neuen Leitsätzen bis 2024 abschließen. Am Ende müssten zehn Punkte stehen, die die CDU von anderen unterscheiden.

Röttgen sagte in der Bundespressekonferenz in Berlin, er kandidiere aus der tiefen Überzeugung, dass es kein "Weiter so", erst recht kein "Zurück" geben dürfe. Es gehe vielmehr um "eine inhaltlich definierte Erneuerung" der CDU. "Die christlich-demokratische Idee für unsere Zeit muss erarbeitet werden, mit den Mitgliedern, und sie muss in den Wettbewerb mit den anderen Parteien gehen."

Alle drei Bewerber stehen vor den gleichen riesigen Herausforderungen

Röttgen präsentierte für den Fall seiner Wahl die aus Hamburg kommende Franziska Hoppermann als künftige CDU-Generalsekretärin. Die 39-Jährige war im September erstmals in den Bundestag gewählt worden. Die CDU stehe "vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte", sagte sie. "In dieser Situation aber auch Farbe zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen, empfinde ich persönlich nicht nur als Pflicht, sondern als großen Reiz."

Merz, Röttgen und Braun stehen für unterschiedliche Politikstile und Ausrichtungen der Partei. Doch alle drei stehen vor den gleichen riesigen Herausforderungen. Nach dem historischen Desaster mit nur noch 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl - dem historisch schlechtesten Ergebnis - suchen die regierungsverwöhnten Christdemokraten ihre Aufstellung für harte Oppositionsjahre.

Der Nachfolger des nach nicht einmal einem Jahr bei der Bundestagswahl auch als CDU-Chef gescheiterten früheren NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet muss schwierige Aufgaben gleichzeitig meistern: Einer völlig verunsicherten CDU neues Selbstvertrauen geben und eine weitere Spaltung verhindern. Das schwer beschädigte Verhältnis zur kleinen bayerischen Schwester CSU kitten. Eine neue inhaltliche Profilierung vorantreiben - und auch noch kraftvoller Oppositionsführer sein.

Keiner der drei prominenten Kandidaten wird das im Solo schaffen, allen dürfte das bewusst sein. Jünger soll das CDU-Führungsteam in Präsidium und Vorstand künftig sein, und weiblicher. Doch auch wenn alle drei Kandidaten im parteiinternen Wahlkampf um den Vorsitz nun versuchen dürften, ein eigenständiges Team um sich zu versammeln: Der Personalpool an jüngeren Frauen oder Fachexperten in der Fraktion, die das künftige Gesicht der CDU sein könnten, ist für alle ähnlich.

Ein erster gemeinsamer Auftritt aller drei Kandidaten in einem sogenannten Townhall-Format ist für den 1. Dezember geplant. Bei der CDU soll auch erstmals eine Befragung der rund 400 000 Mitglieder die Vorentscheidung über den Parteichef bringen. Das Ergebnis soll spätestens am 17. Dezember vorgestellt werden. Falls eine zweite Abstimmungsrunde nötig ist, würde diese bis zum 12. Januar 2022 dauern. Die endgültige Entscheidung über den neuen Vorsitzenden sollen schließlich die 1001 Delegierten bei einem Parteitag am 21. Januar in Hannover treffen.

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