Friedrich Merz ist vom Parteitag mit großer Mehrheit zum neuen Parteivorsitzenden der CDU gewählt worden. Er erzielt ein Ergebnis von 94,62 Prozent aller abgegebenen Stimmen, 915 von 983 Delegierten geben dem 66-Jährigen ihre Stimme. Die Entscheidung muss noch formal per Briefwahl bestätigt werden. Sichtlich ergriffen von dem guten Ergebnis erklärt Merz, dass er die Wahl annimmt und sich für das großen Vertrauen bedankt.
Wegen der Pandemie ist nur die engste Führungsriege in der Parteizentrale in Berlin anwesend. Die 1001 Delegierten stimmen online ab. Neben Merz wird auch der neue Generalsekretär gewählt - Mario Czaja erhält ein beinahe ebenso gutes Ergebnis: 92,89 Prozent, 875 Delegierte stimmen für ihn. Der 46-jährige Betriebswirt stammt aus Berlin, wo er von 2011 bis 2016 bereits fünf Jahre Sozialsenator war.
Zu stellvertretenden Vorsitzenden werden die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (etwa 71 Prozent), der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (knapp 93 Prozent) sowie die Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann (82 Prozent), Silvia Breher (82 Prozent) und Andreas Jung (81 Prozent) gewählt.
In seiner Vorstellungsrede sagt Merz, die CDU stehe als Partei in den kommenden Jahren vor drei Aufgaben: "Wir müssen kraftvolle Opposition im Bund sein. Wir wollen Wahlen in den Ländern gewinnen und wir müssen ein neues Grundsatzprogramm verfassen." Von dem Parteitag gehe ein "kraftvolles Signal für die Erneuerung der Partei aus. Wir haben unser Selbstbewusstsein nicht verloren", sagt Merz. Wenn die CDU "offen sei für Diskussionen, wenn wir Freude an der Gestaltung unseres Landes haben, dann kann in der Niederlage auch zugleich ein neuer Anfang, eine neue Chance liegen". Die CDU stehe für die kommenden Jahre auf einem soliden Fundament: "Wir wollen den gesellschaftlichen Wandel nicht über uns ergehen lassen, wir wollen ihn aktiv gestalten."
Außerdem greift Merz die Regierung von Olaf Scholz an. Von ihm sei zwar der Satz "Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch" überliefert, aber Scholz, das zeige sich bereits in den ersten Wochen der Ampel, lasse diese Führung vermissen. Die Öffentlichkeit erfahre etwa nicht einmal, ob und in welcher Form der neue Kanzler mit den amerikanischen Partnern angesichts der Ukraine-Krise im Gespräch sei.
Der neue Generalsekretär Mario Czaja hebt in seiner Bewerbungsrede vor allem soziale Themen wie Renten, Kinderarmut, Wohnungsnot und die Gesundheitsversorgung auf dem Land hervor. "Wir müssen uns neu ausrichten", sagt er mit Blick auf die Niederlage bei der Bundestagswahl. Es gelte, "Leerstellen zu füllen, die vorhanden sind". Man müsse die Vergangenheit aufarbeiten, dann aber auch einen Punkt dahinter setzen. Czaja kündigt neue digitale Instrumente an, um Mitglieder an der Basis einzubeziehen.
Zuvor, zu Anfang des Parteitages am Morgen, verabschiedet sich der scheidende Vorsitzende Armin Laschet. Er ruft seine Partei nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl zu Selbstbewusstsein auf. An die neue Ampel-Regierung gerichtet, sagt Laschet: "Zieht euch warm an! Die CDU kommt wieder". Man habe bereits im Wahlkampf Inhalte vermittelt, "von denen wir sehen, dass sich manches von dem im Koalitionsvertrag der Ampel wiederfindet", sagt der gescheiterte CDU-Kanzlerkandidat. Man werde als Opposition darauf achten, "dass das nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben".
Außerdem lobt er seinen Nachfolger. "Friedrich Merz hat eine riesen Rückendeckung, weit über die unterschiedlichen Ideen und Flügel der CDU hinweg. Ich denke, dass Friedrich Merz genau der Richtige ist", so der scheidende Vorsitzende. Er und Merz seien Konkurrenten gewesen, aber Merz habe ihn in all der Zeit stets unterstützt. "Wir hatten viele Gespräche, die nicht vertwittert wurden, die nicht in einer Zeitung standen", sagt Laschet. Diese Solidarität brauche man in der Partei. Außerdem müsse man das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU wieder auf eine neue Grundlage stellen. Es gelte, dafür zu sorgen, dass sich CDU und CSU nie wieder so streiten wie zuletzt über die Kanzlerkandidatur. Laschet, der sich gegen CSU-Chef Markus Söder durchgesetzt hatte, betonte erneut seine Verantwortung für die Wahlniederlage. "Es ist eine offene Wunde, noch immer, und die Narbe wird bleiben."
Friedrich Merz ergreift direkt nach Laschet zum ersten Mal das Wort, obwohl er später ohnehin nochmal dran ist. "Wenn wir jetzt in einem Saal versammelt wären, würde es minutenlangen Applaus für Armin Laschet geben". Um diesem, wegen des Online-Formats, nun nicht sichtbaren Dank Ausdruck zu verleihen, melde er sich jetzt, sagte Merz. Es ehre Laschet, dass er Verantwortung für das Wahlergebnis übernehme und er freue sich auf eine weitere Zusammenarbeit mit ihm im Bundestag.
Auch Generalsekretär Paul Ziemiak redet zum letzten Mal in dieser Funktion. Auch er bedankt sich zunächst bei Laschet für die gute Zusammenarbeit und ruft die Delegierten und Mitglieder der CDU zu "voller Unterstützung" für die neue Parteiführung auf. "Heute beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der CDU. Ich wünsche uns allen Mut zu gesellschaftlicher Debatte beim Ringen um die besten Lösungen", so Ziemiak.
Die Wahl von Merz galt als sicher, nachdem er im Dezember in der ersten Mitgliederbefragung der Geschichte der CDU zum Parteivorsitz 62,1 Prozent der Stimmen erhalten hatte.
Merz selbst hoffte vor der Wahl auf große Zustimmung. "Eine Acht vorne wäre schön", sagte er der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf das prozentuale Ergebnis. Die fast 95 Prozent sind selbst für die CDU, wo Ergebnisse mit großer Mehrheit üblich sind, ein sehr gutes Ergebnis. Nur Helmut Kohl und Angela Merkel ist es gelungen, bei einzelnen Wahlen noch höhere Zustimmung zu bekommen.
Merz wird der vierte CDU-Chef innerhalb von gut drei Jahren sein, nachdem die damalige Kanzlerin Angela Merkel 2018 nach 18 Jahren angekündigt hatte, sich vom Parteivorsitz zurückzuziehen. Bei zwei früheren Anläufen auf den Parteivorsitz hatte Merz im Dezember 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und im Januar 2021 gegen Armin Laschet verloren.
Nach dem Parteitag muss die Online-Wahl der CDU-Führungsriege noch per Briefwahl bestätigt werden. Deren Ergebnis soll am 31. Januar verkündet werden. Merz will die neu gewählte Führungsspitze schon am Samstagnachmittag erstmals um sich versammeln. Für den Samstagabend habe Merz alle früheren Parteivorsitzenden zu einem Abendessen in Berlin eingeladen, berichtete der Spiegel. Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer hätten abgesagt, lediglich Wolfgang Schäuble und Armin Laschet wollen teilnehmen.