CDU-Parteitag:Merkel steht vor einer der wichtigsten Reden ihrer Karriere

Migrants continue journey through Hungary

Richtungsweisend: Dieser Flüchtling macht sich von Ungarn aus auf den Weg.

(Foto: Zsolt Szigetvary/dpa)

Geht ihr Auftritt beim Parteitag Mitte Dezember in Karlsruhe schief, könnte die Debatte über die Flüchtlingspolitik unkontrollierbar werden.

Von Robert Roßmann

Angela Merkel mag viele Stärken haben, durch besondere Eloquenz ist sie bisher aber ziemlich selten aufgefallen. Zumindest vor großem Publikum ist die Kanzlerin nicht unbedingt eine Rednerin, die es mit Gregor Gysi oder Norbert Lammert aufnehmen kann - Merkel spielt hier eher in einer Liga mit dem Hofreiter Toni.

In den vergangenen Jahren konnte der CDU-Chefin dieses Manko ziemlich egal sein, sie wurde auf Parteitagen der Union trotzdem minutenlang gefeiert. Doch mit dieser prinzipiellen Begeisterung für das Werk der Kanzlerin ist es seit Beginn der Flüchtlingskrise vorbei. Auf dem CSU-Parteitag in München musste sich Merkel nicht nur deshalb schurigeln lassen, weil sie im Streit über eine Obergrenze für die Flüchtlingszahl standhaft geblieben war. Die Kanzlerin hatte die Delegierten auch durch ihre erstaunlich distanzierte, lust- und leidenschaftslose Rede verärgert. Das Ergebnis ist bekannt.

Die Parteispitze versucht, eine Brüskierung Merkels zu verhindern

Vor diesem Hintergrund dürfte Merkels Rede auf dem anstehenden CDU-Parteitag eine der wichtigsten ihrer Karriere werden. Geht der Auftritt in Karlsruhe so schief wie der von München, könnte die Debatte über die Flüchtlingspolitik unkontrollierbar werden. Um so etwas zu vermeiden, hat die CDU-Spitze sicherheitshalber auch organisatorische Vorkehrungen getroffen. Auf die Kraft der Merkelschen Redekunst allein ist ja nicht immer Verlass.

Inzwischen ist bekannt, wie die entscheidenden Stunden des Parteitags ablaufen sollen. Das Delegiertentreffen beginnt am 14. Dezember. Kurz nach elf Uhr wird Merkel zum "Bericht der Vorsitzenden der CDU Deutschlands" ans Pult treten. 45 bis 60 Minuten lang soll die Rede werden. Anschließend gibt es eine Aussprache zu dem Bericht.

So weit so üblich. Um die erwartete Debatte über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu kanalisieren, bereitet die CDU-Spitze derzeit aber einen Leitantrag dazu vor. Die Aussprache über die Merkel-Rede soll direkt in die Debatte über diesen Antrag übergehen. Auf diese Weise versucht die Parteispitze, Herrin des Verfahrens zu bleiben. Wenn möglich, soll die ganze Debatte entlang des Leitantrags geführt werden.

Auf der offiziellen Tagesordnung für den Parteitag ist von diesem Leitantrag noch keine Rede, bisher sollte es in Karlsruhe nur um die Ergebnisse von Kommissionen zur Reform des CDU-Programms und der Parteistruktur gehen. Doch davon spricht jetzt kaum noch einer.

Der Flüchtlings-Leitantrag wird hinter verschlossenen Türen vorbereitet

Der Flüchtlings-Leitantrag wird derzeit von den stellvertretenden Parteichefs, Generalsekretär Peter Tauber und Bundesinnenminister Thomas de Maizière hinter verschlossenen Türen vorbereitet. Niemand soll ihn vorher zerreden können. Selbst die Bundesvorstandsmitglieder bleiben zunächst außen vor. Sie bekommen den Antragsentwurf erst unmittelbar vor dem Parteitag zu Gesicht, sie sollen ihn am 13. Dezember beraten und beschließen.

Eigentlich ist die Antragsfrist für den Parteitag bereits am 16. November abgelaufen, alle anderen regulären Anträge liegen deshalb längst vor. Ein Kilogramm schwer und 384 Seiten dick ist das am Mittwoch vorgelegte Antragsbuch für den Parteitag. Aber ausgerechnet der Antrag zum mit Abstand wichtigsten Thema, der Flüchtlingspolitik, fehlt darin. In Sachen innerparteilicher Demokratie, der sich Tauber ansonsten so verpflichtet fühlt, ist das kein Glanzpunkt.

Eine Obergrenze wird im Leitantrag nicht auftauchen

Was im Leitantrag der CDU-Spitze genau stehen wird, ist deshalb noch unbekannt. Sicher ist aber, dass darin keine Forderung nach einer Obergrenze für die Flüchtlingszahl auftauchen wird, wie sie etwa die CSU und die Junge Union fordern. Die JU verlangt in ihrem Antrag für den CDU-Parteitag "die Einführung einer Obergrenze, über deren Höhe ein runder Tisch von Bund und Ländern mit den kommunalen Spitzenverbänden, Sicherheitsbehörden und Hilfsorganisationen zu beraten hat".

Sollte der JU-Antrag angenommen werden, wäre es eine direkte Desavouierung der Kanzlerin, die solche Obergrenzen stets abgelehnt hat. Kritiker der Merkelschen Flüchtlingspolitik diskutieren deshalb inzwischen eine andere Variante, sich vom Kurs der Kanzlerin abzusetzen. Der Parteitag könne doch beschließen, vorübergehend einzelne Flüchtlingsgruppen an der Grenze zurückzuweisen, heißt es. Die innenpolitischen Sprecher der Union in den Landtagen und im Bundestag haben bereits in der vergangenen Woche einen solchen Vorschlag ins Spiel gebracht.

Wie die Debatte auf dem CDU-Parteitag ausgehen wird, ist schwer vorauszusagen. Merkel muss sich keiner Wiederwahl stellen, Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik können die Delegierten also nur bei der Abstimmung über den Antrag zum Ausdruck bringen. Sollte wegen des Abkommens mit der Türkei und des schlechten Wetters die Zahl der Flüchtlinge auch in den kommenden Tagen sinken, wäre es für Merkel eine Entlastung.

Auch die zuletzt wieder leicht steigenden Umfragewerte für die Union helfen der Kanzlerin. Außerdem verhalten sich CDU-Delegierte in der Regel disziplinierter als ihre Kollegen von der CSU. Sicher wissen wird man das aber erst nach der Abstimmung über die Flüchtlingspolitik. Knapp vier Stunden sind für die Beratungen bisher vorgesehen. Am Montag den 14. Dezember gegen 16 Uhr dürfte man also wissen, ob Merkel ihre Partei noch einmal hinter sich bringen konnte. Eine gute Rede dürfte der Kanzlerin dabei außerordentlich helfen.

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