CDU-Parteitag:Angela Merkel entdeckt ihre schwarze Seele

Angela Merkel hat auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe den Konservatismus für sich entdeckt. Notgedrungen, aber es hilft: Die Delegierten jubeln, selbst parteiinterne Kritiker sind voll des Lobes. Die Kanzlerin wird als CDU-Vorsitzende wiedergewählt - allerdings nicht mit ihrem besten Ergebnis.

Thorsten Denkler, Karlsruhe

Dem Applaus nach zu urteilen müsste Angel Merkel an diesem Montag mit mindestens 150 Prozent wiedergewählt werden - und nicht mit 90,4 Prozent, ihrem bislang zweitschlechtesten Ergebnis. Auch die stellvertretenden Vorsitzenden und das Präsidium der Partei wurden erwartungsgemäß gewählt - zum Teil mit überraschender Klarheit. Neuneinhalb Minuten Applaus. So sehr hat die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende ihre Parteibasis lange nicht mehr begeistert.

Dabei steht es nicht gut um die CDU. Sie kommt nicht aus dem Umfragekeller. Der Aufschwung und die niedrige Arbeitslosigkeit wird nicht der schwarz-gelben Koalition zugutegehalten.

Im Frühjahr ging die NRW-Wahl verloren und im Bund hat Merkel Koalitionspartner, die mehr für Stunk als für Stabilität stehen.

Fast noch schlimmer für das Profil der CDU: Auf der konservativen Seite rennen ihr die Führungsfiguren weg. Roland Koch ist fort, Friedrich Merz schon lange, Günther Oettinger ist in Brüssel, Dieter Althaus abgewählt. Wie sehr allein der Hesse Koch der Partei fehlen wird, zeigt der Sonderapplaus, den er bekommt, als Merkel ihn am frühen Nachmittag verabschiedet. Der ist zwar nicht so lang wie der für Merkel, aber umso enthusiastischer, mit Pfiffen und Jubel und allem was dazugehört.

Die Delegierten dieses 23. Parteitages der CDU in Karlsruhe scheinen nicht gewillt, Angela Merkel für die schlechte Performance der Partei und der Regierung einen Denkzettel zu geben. Merkel hat sich nach dieser Rede zur Unantastbaren gemacht - vorerst jedenfalls.

Selbst ein hartgesottener Merkel-Kritiker wie der Chef der Mittelstands-Vereinigung, Josef Schlarmann, lobt Merkels Auftritt als "richtungsweisend" und dankt ihr vom Rednerpult des Parteitages aus für die Rede. Tagungspräsident Peter Hintze kommentiert danach süffisant: "Das war ein ganz neues Schlarmann-Gefühl."

Besonders viel Beifall bekommt Merkel dort, wo sie die konservative Seele der Partei streichelt. Und das macht sie ausgiebig. Schlarmann besänftigt sie, in dem sie sich zu Steuervereinfachungen und Steuersenkungen bekennt - wenn auch nicht jetzt sofort. Erst Haushaltskonsolidierung, dann alles andere.

Aber es beginnt schon damit, wie sie SPD und Grünen die Schuld für den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler in die Schuhe schiebt. SPD und Grüne hätten in ihrer Kritik an Köhler "kaum noch Grenzen" gekannt, sagt sie. Da brauche sich niemand zu wundern, wenn sich viele Menschen angewidert von der Politik abwenden. Dass übrigens auch Unionspolitiker dem ehemaligen Staatsoberhaupt arg zugesetzt haben, wird hier kollektiv verdrängt.

Die Delegierten applaudieren, als wäre Merkel jetzt endlich die Parteivorsitzende, die sich alle immer schon gewünscht haben. Offen erklärt sie das erste Regierungsjahr von Schwarz-Gelb für eher weniger gelungen. Nicht in der Sache allerdings. Nur im Stil. Das sei jetzt aber vorbei, was zwar de facto nicht der Fall ist, aber heute wollen es die Delegierten mal glauben.

Wortspiele auf Kosten des Gegners

Solange sich Angela Merkel weiter mit ihrer neuen Idee von Schwarz präsentiert, sind sie zufrieden. Eine Alternative gibt es aus ihrer Sicht ohnehin nicht. Nicht zu Schwarz-Gelb und nicht zu Angela Merkel. Schwarz-Rot will sie nicht, Schwarz-Grün auch nicht, Jamaika schon gar nicht. Das seien alles "Illusionen und Hirngespinste". Dann macht sie, was auf CDU-Parteitagen immer funktioniert: die reflexhaften Ängste vor den ganz Roten schüren.

CDU-Parteitag - Rede Merkel

Angela Merkels Rede beim CDU-Parteitag in Karlsruhe entzückt die Delegierten. Neun Minuten lang spenden sie Applaus.

(Foto: dpa)

"Die Alternative zu unserer Regierung wäre nichts anderes als Rot-Rot-Grün", sagt Merkel. Union und FDP hätten deshalb "den Auftrag, das zu verhindern". Dies sei sogar ein Auftrag von "historischer Tragweite".

Das gefällt.

Merkel wirkt erstaunlich spritzig und klar. Vor einigen Jahren noch kämpften Delegierte mit der Müdigkeit, wenn die Parteichefin auftrat. Jetzt überrascht sie mit Wortspielen auf Kosten des politischen Gegners. Den Satz des SPD-Granden Franz Müntefering, "Opposition ist Mist", münzt sie um in "Opposition macht Mist", wofür sie viele Lacher erntet. Die Grünen seien "vor allem und ständig immer dagegen". Beiden Parteien wirft sie "Doppelmoral" vor, wenn sie unterschieden zwischen guten Castoren, wenn sie regierten, und schlechten Castoren, wenn sie in der Opposition seien.

"Kein Problem mit einem Zuviel an Islam"

Die Linke straft sie mit Ignoranz. Da reicht es offenbar, die rote Gefahr zu beschwören. Hier in Baden-Württemberg punktet sie bei den Konservativen vor allem mit ihrem Pro-Stuttgart-21-Kurs. Bei aller Offenheit für Transparenz und Bürgerbeteiligung: "Irgendwann kommt ein Punkt, da muss demokratisch entschieden werden", erklärt sie. Und: "Darauf muss Verlass sein." Ein Johlen hallt durch die Messehalle.

In der Integrationsfrage fordert sie von denen, die hier leben wollen, Deutsch zu lernen und "unsere Gesetze und Werte" zu achten. Dann seien sie auch willkommen. Allerdings gießt sie nicht noch Öl ins Feuer. Es gebe kein Problem mit einem "Zuviel an Islam", sagt sie - sondern mit einem "Zuwenig an Christentum".

Nicht mal die Aussetzung der Wehrpflicht dürfte hier ein Problem werden. Allein die Entscheidung um die Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der im Reagenzglas gezeugte Embryonen auf genetische Belastungen hin untersucht werden, könnte Konflikte schaffen.

Es ist ein schwieriges Thema für eine Partei, die sich christlichen Werten verpflichtet fühlt und laufend ein Zuwenig an Christentum sieht. Dennoch: Konservative dürften sich eher gegen die PID positionieren. Und sie dürften es Merkel danken, dass sie das genauso sieht. Anders übrigens als in der Debatte um die Stammzellenforschung vor wenigen Jahren. Da war Angela Merkel dafür, die Regeln zu lockern, was ihr viel Kritik von den Kirchen einbrachte.

Den Fehler wiederholt sie jetzt nicht mehr. Auf diesem Parteitag hat Angela Merkel ihre schwarze Seele entdeckt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: