CDU-Parteitag:Diesmal geht es um Merkel selbst

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Noch nie war der Druck auf die Kanzlerin bei einem Bundesparteitag so hoch. (Foto: dpa)

Die Flüchtlingskrise stellt das Verhältnis von CDU und Kanzlerin auf die bislang wohl härteste Probe. Die Erwartungen an ihre Rede auf dem Parteitag sind besonders hoch.

Von Nico Fried, Berlin

Es wird wieder ein Stück Arbeit. Für die Kanzlerin wie für die Zuhörer. Wenn Angela Merkel auf einem Parteitag zu ihrer CDU spricht, gleicht das stets einem Blick in die politische Werkstatt, nicht in den Verkaufsraum. Work in Progress - so könnte das Motto eigentlich aller ihrer Reden heißen, seit sie Bundeskanzlerin geworden ist. Und Merkel redet nicht nur über die Arbeit. Auch ihre Reden selbst sind harte Arbeit. Für alle Beteiligten.

Ursprünglich wäre das alles an diesem Montag egal gewesen. Es hätte ein vergleichsweise leichter Auftritt für sie werden können. Eine Jubiläumsrede nach zehn Jahren Kanzlerschaft, ein wenig Rückblick, ein wenig Ausblick, ein paar Streicheleinheiten für die Partei und ein paar Angriffe auf die politischen Mitbewerber. Aber plötzlich sind die Erwartungen an die Rede ganz andere. Die Flüchtlingskrise stellt das Verhältnis von Partei und Kanzlerin auf die bislang wohl härteste Probe.

Merkel moderierte Differenzen meist in Formelkompromissen ab

Konflikte in der Sache sind auf CDU-Parteitagen nicht so selten. Schon 2006, Merkel war gerade mal ein Jahr Kanzlerin, stritten namhafte Ministerpräsidenten, die zum Teil auch Merkels Stellvertreter im Parteivorsitz waren, über den richtigen Kurs. Die einen verlangten als sozialpolitisches Zeichen Erleichterungen für Arbeitslose, die anderen für ein wirtschaftsfreundliches Signal eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Merkel konnte sich damals erlauben, einfach beide Anträge zu befürworten und zu behaupten, die CDU sei eben "eine große Familie" und mache "Politik für alle".

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Auch später hat sie Differenzen meist vorab in Formelkompromissen wegmoderieren lassen, die es jedem Kontrahenten möglich machten, sich ein bisschen als Sieger zu fühlen, obwohl eigentlich Merkel immer diejenige war, die am meisten davon profitierte. Damals aber ging es nur um Themen wie den Mindestlohn, heute geht es um Höchstgrenzen - für Menschen, für die Aufnahmefähigkeit des Landes. Es geht um Millionen Schicksale und darum, wie viel Veränderung sich das Land zutraut. Und wie viel die CDU.

Diesmal ist Merkel selbst Gegenstand der Auseinandersetzung

Das, was Journalisten gerne als unzufriedenes Rumoren in der Partei beschreiben, ist ein kontinuierliches Hintergrundgeräusch in der Ära Merkel. Die Kanzlerin ignoriert das in ihren Reden meistens, sie vermeidet allgemeine Vorträge zu parteipolitischen Verhaltensregeln, wie sie zum Beispiel ihr SPD-Kollege Sigmar Gabriel gerne hält. Sie greift auch nicht persönlich an, sondern übergeht Widersacher lieber, straft sie mit dem Gefühl der Bedeutungslosigkeit. Sie hat gelernt, dass es selten einen Kritiker gibt, der auf offener Bühne aufbegehrt. Die Disziplin in der CDU ist genetisch, und irgendein Wahlkampf, der gestört werden könnte, steht immer an.

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Aber diesmal ist Merkel selbst Gegenstand der Auseinandersetzung. Früher löste sie die Konflikte mit Pragmatismus und Flexibilität - heute ist ihre Hartnäckigkeit das, was viele Christdemokraten immer nervöser macht. Weniger das Signal einer begrenzten Zuwanderung scheint das wahre Ziel von Merkels Kritikern zu sein als vielmehr das Signal, dass die Kanzlerin überhaupt noch zu erreichen und zu beeinflussen ist.

Merkel wird die Streitpunkte von sich aus nicht ansprechen. Sie wird auf erste Erfolge in den Verhandlungen mit der Türkei verweisen und die europäische Solidarität einfordern. Sie wird sagen, dass noch viel zu tun ist, Work in Progress. Und dann wird sie abwarten, ob sich einer traut, sie anzugreifen.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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