Treffen der Kreisvorsitzenden:"Heute ist der erste Tag der Erneuerung der CDU"

Treffen der CDU-Kreisvorsitzenden Berlin

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Rande des Treffens der CDU-Kreisvorsitzenden.

(Foto: Annette Riedl/dpa)

Es ist eine Zäsur in der Geschichte der Partei: Erstmals werden die Mitglieder entscheiden, wer den CDU-Vorsitz übernimmt. Damit hat Friedrich Merz erneut gute Chancen.

Von Robert Roßmann, Berlin

"Wir schlagen mit dem heutigen Tag ein neues Kapitel auf", sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak als alles vorbei ist. In einem Berliner Hotel haben sich die Kreisvorsitzenden der Partei getroffen, mehr als vier Stunden haben sie über das Desaster bei der Bundestagswahl gesprochen. Dann hat Armin Laschet sie per Handzeichen abstimmen lassen. Und fast alle haben sich dafür ausgesprochen, dass es eine Mitgliederbefragung über den nächsten Parteichef geben soll.

Die Basis, die sich bei der Wahl Laschets zum CDU-Vorsitzenden, vor allem aber bei seiner Kür zum Kanzlerkandidaten, übergangen gefühlt hat - sie darf jetzt mitreden. Über das weitere Verfahren würden zwar am Dienstag noch das Präsidium und der Bundesvorstand beraten, sagt Ziemiak. Eines sei aber schon jetzt klar: Das Votum der Kreisvorsitzenden sei derart "überwältigend" gewesen, dass zumindest aus seiner Sicht "kein Zweifel" mehr bestehe, dass es nun zu einer Mitgliederbefragung kommen werde.

Das ist tatsächlich eine Zäsur in der Geschichte der CDU. Bisher hat ausschließlich der Parteitag entschieden, wer Vorsitzende oder Vorsitzender wird. Jetzt dürfen auch die etwa 400000 Mitglieder mitreden. Und de facto werden sie jetzt nicht nur mitreden, sondern die Sache entscheiden. Formal wählt zwar auch weiterhin der Parteitag den Vorsitzenden, doch die Parteitagsdelegierten werden es sich nicht erlauben können, das Ergebnis einer vorgelagerten Mitgliederbefragung zu ignorieren. Wer die Befragung gewinnt, wird Parteichef werden.

36 Prozent für Merz

Als aussichtsreichster Kandidat bei einer solchen Mitgliederbefragung gilt immer noch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der Außenpolitiker Norbert Röttgen habe aber aufgeholt, berichten Kreisvorsitzende. Den anderen drei möglichen Kandidaten - bisher hat sich noch niemand offiziell beworben - werden nur geringe Chancen eingeräumt.

Es gibt zwar keine Umfrage unter den CDU-Mitgliedern. Eine Erhebung des Instituts Infratest Dimap unter den Unionsanhängern ergab aber bei der Frage, wer am ehesten als CDU-Chef geeignet sei, folgende Reihenfolge: Merz 36 Prozent, Röttgen 25 Prozent, Gesundheitsminister Jens Spahn 14 Prozent, Wirtschaftsflügel-Chef Carsten Linnemann neun Prozent und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sechs Prozent.

Eigentlich hatte die Kreisvorsitzenden-Konferenz vom Samstag gar nichts zu entscheiden, ihr Votum ist nur ein "Meinungsbild". Aber die Legitimation der Parteispitze ist derart erodiert, dass ihr gar nichts anderes übrigbleiben wird, als am Dienstag die Mitgliederbefragung auch tatsächlich zu beschließen. Merz und Röttgen forderten die CDU-Spitze bereits am Samstag dazu auf.

Er könne die Entscheidung der Kreisvorsitzenden "gut nachvollziehen" und begrüße, dass die Mitglieder auf diese Weise "Teil des Neuanfangs" der CDU werden sollen, erklärte Röttgen. Präsidium und Vorstand müssten "das respektieren". Merz twitterte, es sei "richtig und notwendig" gewesen, die Kreisvorsitzenden "in den Meinungsbildungsprozess einzubeziehen". Präsidium und Vorstand sollten "dem eindeutigen Votum" am Dienstag folgen und eine Mitgliederbefragung "auf den Weg bringen".

Aber wie geht es jetzt weiter? Dass die CDU-Spitze am Dienstag die Mitgliederbefragung beschließen wird, gilt als sicher. Offen sind aber noch viele Details: Soll es vor der Befragung auch noch Regionalkonferenzen geben, auf denen sich die Kandidaten vorstellen können? Wie sollen die Mitglieder abstimmen? Ein reines Online-Votum wird in der Praxis kaum möglich sein, das Durchschnittsalter der CDU-Mitglieder liegt bei gut 60 Jahren. Eine Briefwahl ist teuer und langsam - vor allem, wenn auch noch eine Stichwahl nötig werden wird. Und eine Urnenwahl in den Kreisgeschäftsstellen ist in Flächenstaaten mit wenig CDU-Mitgliedern kaum durchführbar. In Mecklenburg-Vorpommern müssten da manche Mitglieder Wege von mehr als 50 Kilometern auf sich nehmen.

Offen ist auch noch, wann der Parteitag stattfinden wird, auf dem das Ergebnis der Mitgliederbefragung bestätigt - und auf dem auch die ganze restliche CDU-Spitze neu gewählt werden soll. Ein Termin noch im Dezember wäre sehr sportlich, dafür hätte die CDU ihre überfällige Neuaufstellung schnell abgeschlossen. Bei einem Parteitag im Januar würde der Neuanfang länger auf sich warten lassen, dafür käme man nicht in Zeitnöte. Carsten Linnemann hatte einen Parteitag noch im Dezember gefordert. Am Samstag hieß es aber, ein Parteitag im Januar sei wahrscheinlicher.

Eines ist nach der Konferenz der Kreisvorsitzenden aber schon jetzt endgültig klar: Eine Doppelspitze - wie sie einige Christdemokratinnen ins Spiel gebracht haben - wird es in der CDU nicht geben. Unter den 326 Kreisvorsitzenden sind übrigens nur zwölf Prozent Frauen.

Sicher ist außerdem: Den Streit um den künftigen Kurs der Partei wird die Mitgliederbefragung nicht befrieden. Egal ob Merz, Röttgen oder jemand Drittes - eine Chefin ist nicht in Sicht - gewinnen wird, die wichtigste Frage wird noch geklärt werden müssen: Für was steht die CDU? Nach 16 Jahren an der Regierung können darauf auch viele Parteimitglieder keine Antwort mehr geben.

Generalsekretär Ziemiak zeigte sich am Samstag trotzdem zufrieden. Er verkündete jedenfalls: "Heute ist der erste Tag der Erneuerung der CDU."

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