Union:Ausputzer auf Abstand

Union: "Wir hatten inhaltliche Leerstellen": CDU-Generalsekretär Mario Czaja (links) und Parteichef Friedrich Merz auf der Vorstandsklausur in Weimar.

"Wir hatten inhaltliche Leerstellen": CDU-Generalsekretär Mario Czaja (links) und Parteichef Friedrich Merz auf der Vorstandsklausur in Weimar.

(Foto: Chris Emil Janssen/IMAGO)

Die CDU-Spitze trifft sich in Weimar zu einer Klausur - dabei fällt auf, dass Generalsekretär Czaja Parteichef Merz nicht immer zur Seite springt.

Von Robert Roßmann, Weimar

In eigener Sache ist man oft ein milder Richter, das gilt im politischen Betrieb noch mehr als im Privatleben. Insofern ist das Eingeständnis von Mario Czaja erstaunlich. "Wir hatten inhaltliche Leerstellen", bekannte der CDU-Generalsekretär am Samstag nach einer Klausurtagung seiner Parteispitze. Deshalb habe man jetzt intensiv über die Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik beraten. Viel Zeit hat sich der CDU-Bundesvorstand dafür aber nicht genommen: Die Klausur in Weimar begann am Freitagabend - und am Samstagmittag war sie schon wieder vorbei.

Dabei ist das Problem offenkundig: Die Wirtschaftspolitik war einst ein Markenzeichen der CDU. Heute bekommt sie dafür nur noch niedrige Zustimmungswerte. Und für ihre Klimapolitik hat die Partei noch nie großes Lob eingefahren. Es war also nicht verkehrt, dass der CDU-Bundesvorstand jetzt mit Experten über die Wirtschafts- und Klimapolitik beraten hat. Doch zumindest in der Außenwirkung wird davon kaum etwas bleiben. Denn die Partei hat ihre Klausur gleich in doppelter Hinsicht selbst versemmelt.

An erster Stelle ist dafür der Vorsitzende verantwortlich. Friedrich Merz hatte mit seinem "Kleine Paschas"-Auftritt bei Markus Lanz eine Integrationsdebatte losgetreten, die die eigentlichen Themen der CDU-Klausur völlig überlagerte. Im Saal selbst habe es dazu überhaupt keine Diskussion gegeben, sondern lediglich zwei bis drei Wortmeldungen, sagte Merz nach der Klausur. Doch auf den Fluren war der Lanz-Auftritt sehr wohl Thema. Und die Wortmeldungen im Saal hatten es auch in sich.

Über Ton und Präzision

Teilnehmern zufolge kritisierte der ehemalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den Talkshow-Auftritt von Merz zwar konziliant im Ton, aber deutlich in der Sache. Gröhe griff eine Äußerung von Merz auf, der darum gebeten hatte, nicht vom "Failed State" Berlin zu sprechen, sondern nur vom "Failed Senate" - damit man im Berliner Wahlkampf keine Bürger verprelle, sondern punktgenau nur den Senat angreife. Dieses Beispiel zeige doch, wie wichtig der richtige Ton und Präzision in einer Debatte seien, sagte Gröhe. Das müsse man auch in den Auseinandersetzungen um Integration und Migration so halten.

Gröhe gehört zu denen im CDU-Bundesvorstand, die finden, dass Merz es durch unpassende Wortwahl und Tonalität einmal mehr schwergemacht habe, tatsächliche Probleme anzusprechen. Bereits mit seiner Klage über "Sozialtourismus" hatte Merz eine sinnvolle Debatte über tatsächlich existierende Probleme in der Flüchtlingspolitik verhindert. Auch Serap Güler, die ehemalige nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin, verlangt, dass Probleme so angesprochen werden, dass es keine Kollateralschäden gibt. In Weimar kritisierte Güler deshalb die Berliner CDU, die die Vornamen der Beteiligten an den Silvesterkrawallen wissen wollte.

Doch Gröhe und Güler waren mit ihrer Einschätzung die Ausnahme. Wer mit anderen Teilnehmern der Klausur sprach, bekam häufig begeisterte Schilderungen zu hören, wie gut die Äußerungen von Merz bei der Basis angekommen seien. Man freue sich deshalb schon auf die nächsten Meinungsumfragen.

Nur vereinzelt wurde die Frage gestellt, ob es vielleicht die CDU-Mitglieder seien, die in einer Parallelwelt lebten, und gar nicht mitbekämen, wie desaströs die Reaktionen auf die Merz-Äußerungen außerhalb der Partei seien.

Normalerweise ist ein Generalsekretär auch der Ausputzer für den Parteivorsitzenden. In Weimar war es deshalb erstaunlich zu sehen, wie wenig Czaja das Verhalten von Merz verteidigte. Der Generalsekretär machte außerdem deutlich, dass er das Vorgehen der Berliner CDU nach den Silvesterkrawallen nicht für hilfreich erachtet. Es dürfte in den kommenden Wochen also interessant werden, das Verhältnis Czajas zu Merz zu beobachten. Denn in der Integrationsdebatte steht der Generalsekretär Güler und Gröhe offensichtlich deutlich näher als seinem Parteivorsitzenden.

Verwirrung um Haltung der CDU zu neuen Atomkraftwerken

Dass die Weimarer Debatten zur Wirtschafts- und Klimapolitik kaum Beachtung fanden, lag aber nicht nur an dem Lanz-Auftritt. Die CDU patzte auch im Streit um die Atomkraftwerke. Auf Klausuren wie der in Weimar wird immer auch eine "Erklärung" beschlossen. In dem Entwurf für die Erklärung, die die Bundesvorstandsmitglieder vor der Klausur zugeschickt bekamen, hieß es: "Wir brauchen gerade in der jetzigen Situation eine Politik, die alle verfügbaren Energiequellen ans Netz bringt." Dazu gehöre "auch die Nutzung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke bis mindestens Ende 2024". Das entspricht der bisherigen Parteilinie. Doch dann folgte der Halbsatz, dass zusätzlich "eine vorurteilsfreie Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der modernsten Generation" nötig sei. Will die CDU also auf einmal neue Atomkraftwerke bauen? Bisher hat sie das verneint.

Gegen den Entwurf für die Weimarer Erklärung gab es deshalb sofort Widerspruch. Der Bau neuer Atomkraftwerke sei "ein No-Go", schimpfte der Fraktionschef der CDU im baden-württembergischen Landtag, Manuel Hagel. Wer neue Atomkraftwerke baue, müsse auch klären, wo diese stehen sollen und was mit dem Atommüll geschehe. Sein Rat an den CDU-Bundesvorstand sei deshalb: "Lasst da die Finger davon."

In der in Weimar beschlossenen Erklärung fehlte der Satz dann auf einmal. Aber wer hatte ihn in den Entwurf geschrieben? Einzelne Bundesvorstandsmitglieder verwiesen auf die Verantwortung des Generalsekretärs für derlei Entwürfe, aber Czaja wollte es nicht gewesen sein. Aus seinem Umfeld hieß es, der Entwurf sei aus dem Parteivorsitzenden-Büro an die Vorstandsmitglieder versandt worden. Friedrich Merz sagte nach der Klausur lediglich, der Entwurf sei "aus dem Adenauer-Haus" verschickt worden. Und der Satz zu den Atomkraftwerken sei falsch verstanden worden. Sonderlich professionell wirkte das alles nicht.

Dazu passte dann auch die Pressekonferenz von Merz am Ende der Klausur. Der CDU-Chef sagte, er wolle gleich von sich aus klarstellen: "Wir sprechen uns ausdrücklich nicht gegen den Bau neuer Kernkraftwerke aus." Erst als irritierte Journalisten später nachfragten, merkte Merz, dass er sich versprochen hatte und korrigierte: "Wir sprechen uns ausdrücklich nicht für den Neubau von Kernkraftwerken aus."

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