CDU:Merz muss jetzt nach dem Fraktionsvorsitz greifen

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Einer muss gehen: Friedrich Merz (li.) verdrängt Ralph Brinkhaus von der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ralph Brinkhaus will bisher nicht weichen. Wenn er dabei bleibt, wird er sein Amt unfreiwillig an den neuen CDU-Chef abgeben müssen.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

94,6 Prozent für Friedrich Merz, das ist nicht nur ein eindrucksvolles Ergebnis - Angela Merkel kam bei ihrer letzten Wahl an die CDU-Spitze lediglich auf 89,5 Prozent. Es ist auch das Ende einer langen Führungskrise in der Partei. Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet schafften es nur in Stichwahlen an die CDU-Spitze. Sie hatten nie die Autorität, die nötig gewesen wäre, um ihre Rolle auszufüllen. Merz hat jetzt die erforderliche Autorität. Er hat damit die Chance, die Partei endlich zu befrieden. Aber die 94,6 Prozent sind auch der Beginn der nächsten Auseinandersetzung - nämlich der um den Vorsitz der Unionsfraktion. Soll Ralph Brinkhaus Fraktionschef bleiben, oder soll Merz auch dieses Amt übernehmen?

In den vergangenen Wochen haben fast alle CDU-Granden erklärt, man könne Partei- und Fraktionsvorsitz zwar trennen. Dies setze aber voraus, dass sich die Beteiligten blind verstehen und absolut vertrauen. Es sei an Merz und Brinkhaus, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Dass das den beiden bis heute nicht gelungen ist, zeigt jedoch, dass sie sich nicht ausreichend verstehen und vertrauen. Eine Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz wird unter diesen Bedingungen scheitern. Es muss jetzt also eine Entscheidung zwischen Merz und Brinkhaus geben.

Der größte Fehler der Unionsparteien im Wahlkampf war, monatelang auf eine einvernehmliche Lösung zwischen Armin Laschet und Markus Söder im Ringen um die Kanzlerkandidatur zu hoffen. CDU und CSU sollten diesen Fehler nicht wiederholen und diesmal schnell entscheiden - auch weil drei Landtagswahlen anstehen, bei denen CDU-Ministerpräsidenten um ihre Wiederwahl fürchten müssen. Ein andauernder Führungsstreit zwischen Merz und Brinkhaus würde die Chancen der Partei in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland schmälern. Und er würde den überfälligen Neubeginn in der CDU erschweren.

Ja, die Partei braucht ein Team an der Spitze, um reüssieren zu können. Es muss endlich wieder die ganze Breite der CDU sichtbar werden. Einer allein kann es nie richten. Aber in der Opposition muss man um Wahrnehmung kämpfen. Und die bekommt man im Deutschen Bundestag leichter als in der CDU-Zentrale. Die Nummer eins der Partei muss deshalb auch Fraktionschef sein. Es hat ja Gründe, dass Helmut Kohl und Angela Merkel an der Spitze von CDU und Fraktion standen, als sie das Kanzleramt erobern konnten.

Brinkhaus verweist gerne darauf, dass Merz nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl doch genug damit zu tun habe, die CDU wieder aufzurichten. Die Arbeit in der Parteizentrale werde den neuen Vorsitzenden auslasten. Dass es nicht leicht werden wird, die CDU wieder satisfaktionsfähig zu machen, damit hat Brinkhaus recht. Aber Merz hat ja vorgebaut. In der CDU-Zentrale wird ihm nicht nur der neue Generalsekretär Mario Czaja zur Hand gehen. Es soll mit Christina Stumpp auch eine stellvertretende Generalsekretärin ins Adenauer-Haus einziehen. Und mit Carsten Linnemann, der sich als neuer CDU-Vize um das Programm der Partei kümmern soll, wird es zusätzlich noch eine Art Neben-Generalsekretär geben.

Merz hat damit den Freiraum, um auch den Fraktionsvorsitz - und damit die Funktion des Oppositionsführers - übernehmen zu können. Das war er vor zwei Jahrzehnten schon einmal. Und dass er das noch kann, hat er mit seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag bewiesen. Sie war in großen Teilen eine harte Auseinandersetzung mit dem Bundeskanzler und seiner Regierung.

Brinkhaus hat auf dem Parteitag eine Chance vertan

Vor allem aber hat Merz jetzt die 94,6 Prozent vom Parteitag im Rücken. Er muss diesen Schwung nutzen und sofort nach dem Fraktionsvorsitz greifen. Die Mehrheit unter den Abgeordneten wird ihm sicher sein - auch weil niemand den frisch gewählten CDU-Chef sofort wieder beschädigen will.

Das müsste eigentlich auch Brinkhaus wissen. Er hatte auf dem Parteitag die Chance, Merz nicht nur zur Wahl zum CDU-Chef zu gratulieren, sondern ihm auch den Fraktionsvorsitz anzutragen. Brinkhaus hätte sein Amt verloren, aber erheblich an Anerkennung gewonnen. Das hat Brinkhaus aber nicht getan. Wenn er das nicht freiwillig nachholt, wird er unfreiwillig das Feld räumen müssen.

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