CDU-Parteivorsitz:Ein klarer Bruch mit der Politik Angela Merkels

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Friedrich Merz soll nach dem Willen der CDU-Mitglieder neuer Parteivorsitzender werden. Auf einem Parteitag der CDU im Januar 2022 soll er von den Delegierten gewählt werden. (Foto: dpa)

Die CDU-Mitglieder votieren überraschend deutlich für den früheren Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz als Parteichef. Das Ergebnis bedeutet eine Zäsur für die Christdemokraten.

Von Nico Fried, Berlin

Knapp drei Monate nach der Niederlage bei der Bundestagswahl hat sich die CDU für einen Neuanfang entschieden, der personell weit in die Vergangenheit greift: Friedrich Merz, 66, soll neuer Parteivorsitzender werden. Der Bundestagsabgeordnete und frühere Vorsitzende der Unions-Fraktion erhielt in einer Mitgliederumfrage 62,1 Prozent der Stimmen und damit bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. In seinem dritten Anlauf nach 2018 und dem Januar 2021 verwies Merz damit den früheren Umweltminister Norbert Röttgen (25,8 Prozent) und Ex-Kanzleramtschef Helge Braun (12,1) auf die Plätze zwei und drei. Die Wahlbeteiligung war mit 66 Prozent überraschend hoch. Fast 250 000 Parteimitglieder gaben ihre Stimme ab. Der CDU-Vorstand wird nun den 1001 Delegierten des Parteitags im Januar Merz als Vorsitzenden und damit Nachfolger von Armin Laschet vorschlagen. Die Zustimmung gilt als Formsache.

Merz' Sieg und die Eindeutigkeit des Resultats bedeuten eine Zäsur für die Christdemokraten. Neun Tage nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Olaf Scholz (SPD) und dem damit verbundenen endgültigen Abschied von Angela Merkel aus der Politik, hätte die CDU zumindest personell nicht deutlicher mit der politischen Ära der Ex-Kanzlerin brechen können. Merz galt seit der Niederlage im Kampf um den Fraktionsvorsitz 2002 als Antipode Merkels und sparte in den Jahren ihrer Kanzlerschaft nicht mit Kritik. So bezeichnete er im Herbst 2019 das Erscheinungsbild der Regierung als "grottenschlecht". Auch die Tatsache, dass Merkels enger Vertrauter Helge Braun ein desolates Ergebnis einfuhr, stützt den Befund, dass die CDU sich personell wie inhaltlich anders aufstellen will als in den von Merkels Kurs der Mitte geprägten Jahren.

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Merz, dem häufig nachgesagt wird, er habe vor allem aus persönlichem Ehrgeiz sein politisches Comeback betrieben, kündigte nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an, alle Teile der Partei integrieren zu wollen. Er empfinde keine Genugtuung, sondern großen Respekt vor der Aufgabe. Die hohe Wahlbeteiligung der Mitglieder sei "ein beeindruckendes und tolles Ergebnis einer Partei, die lebt und mitgestalten will", sagte Merz. "Wir sind nicht für uns selbst da, sondern wir haben einen Auftrag als Opposition." Er wolle zeigen, dass die CDU als Volkspartei ihren Platz im 21. Jahrhundert habe, und freue sich auf eine gute Zusammenarbeit "mit wirklich allen", so Merz.

Der bisherige Parteivorsitzende Armin Laschet gratulierte Merz auf Twitter und sprach von einem "starken Ergebnis". Die hohe Wahlbeteiligung zeige, "dass Du eine breite Rückendeckung hast", so Laschet an die Adresse seines designierten Nachfolgers. "Persönlich danke ich Dir für alle Unterstützung und Loyalität in diesem besonderen Jahr" schrieb Laschet, der bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der Union unterlegen war.

CSU-Chef Markus Söder gratulierte ebenfalls via Twitter und sprach von einem klaren Votum der CDU-Mitglieder. "Gemeinsam und geschlossen wollen wir die Union zu neuer Stärke führen", schrieb der bayerische Ministerpräsident. Die CSU und er persönlich würden sich auf die Zusammenarbeit freuen. Auf das Verhältnis zur Schwesterpartei und deren Chef angesprochen, sagte Merz mit leicht mahnendem Unterton: Söder wisse, "dass nur ein gutes Miteinander den gegenseitigen Erfolg sichert". Die Umfragen seien derzeit für beide Parteien "sehr unbefriedigend". Die nächste große Aufgabe für die CSU werde sein, die Landtagswahl 2023 in Bayern zu bestehen.

Der designierte CDU-Vorsitzende vermied es, weitergehende Ansprüche zu stellen. Das Votum der Mitglieder sei "keine Vorentscheidung" über die Kanzlerkandidatur der Union in der nächsten Bundestagswahl. Der Parteivorstand, den die CDU im Januar bestimme, werde für zwei Jahre gewählt. Er erwarte nicht, dass in dieser Zeit über die Kanzlerkandidatur entschieden werden müsse. Mit Blick auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag, der im Frühjahr 2022 zu vergeben ist, sagte Merz, das Thema stehe "zur Zeit nicht auf der Tagesordnung". Deshalb mache er sich darum auch keine Gedanken. Sollte sich an dieser eher zweifelhaften Darstellung von Merz in den nächsten Wochen etwas ändern, müsste er gegen den amtierenden Fraktionschef Ralph Brinkhaus antreten. 20 Jahre nach seiner Niederlage gegen Merkel stünde Merz damit erneut vor einem Machtkampf um den inoffiziellen Posten des Oppositionsführers.

Die beiden unterlegenen Kandidaten Röttgen und Braun gratulierten Merz und boten ihm Unterstützung an. Auf die Frage, ob sie sich auf dem Parteitag um Führungspositionen hinter dem neuen Vorsitzenden bewerben würden, antworteten beide, es sei nun an Merz, vorzuschlagen, inwieweit er sie in die Führungsarbeit einbinden wolle. Fest steht, dass Merz den Berliner CDU-Politiker Mario Czaja als Generalsekretär vorschlagen will und die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp als dessen Stellvertreterin.

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