CDU:Merz' Mann aus Marzahn

Merz zur Kandidatur um den CDU Parteivorsitz

Mario Czaja (li.) soll mit Christina Stumpp die CDU-Geschäfte führen, falls Friedrich Merz Chef wird.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Mario Czaja gilt als politisches Wunderkind mit gutem Draht zu den kleinen Leuten. Ausgerechnet mit Friedrich Merz könnte er bald an der CDU-Spitze stehen.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wir schreiben das Jahr 2001, Friedrich Merz ist 45 Jahre alt und führt die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag. In dieser Funktion schickt er eine Warnung an das Land Berlin: Sollte dort tatsächlich eine rot-rote Regierung zustande kommen, müsse man sich überlegen, der Stadt die Gelder zu kürzen. Im Osten Berlins, im Bezirk Marzahn, kontert der CDU-Politiker Mario Czaja die Drohung des Parteifreundes. Es handele sich "um ein bundespolitisches Geplänkel, das Merz in einer Stadt führt, die er offenbar nicht kennt", sagt Czaja und setzt noch einen drauf: Merz' Vorgehen sei "kein guter Stil", er habe ein "ein ulkiges Demokratieverständnis".

Damals, fast auf den Monat genau vor 20 Jahren, ging es noch ziemlich ruppig zu zwischen Merz und Czaja. Jetzt könnte es sogar sein, dass die beiden ein Team werden. Am Dienstagnachmittag spricht Merz, 66, jedenfalls in einer Halle eines Konferenzhotels in Berlin-Neukölln. Neben ihm steht Mario Czaja, 46. Im Falle von Merz' Wahl zum CDU-Vorsitzenden soll er der nächste Generalsekretär werden. "Er ist der einzige von allen Wahlkreisabgeordneten der Union, der Zuwächse bei den Erststimmen erzielt hat", erklärt Merz. "Das hat mich auf ihn aufmerksam gemacht."

Bei der Bundestagswahl ist Mario Czaja tatsächlich ein Coup gelungen. Denn der Bezirk Marzahn-Hellersdorf im tieferen Osten der Hauptstadt hat symbolische Bedeutung. Jahrzehntelang galt er als Hochburg der Linken; Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, holte das Direktmandat gleich viermal. Am 26. September erzielte Czaja dann das, was man einen Erdrutschsieg nennt: Während Petra Pau nur noch knapp 22 Prozent der Erststimmen holte, bekam Czaja fast 30 Prozent. Er habe schon das Gefühl gehabt, dass es "eine greifbare Chance gibt, den Bezirk für den Bundestag direkt zu gewinnen", kommentierte Czaja. Aber nicht mit so einem "immensen Abstand".

"Wir waren immer ansprechbar für die kleinen und großen Sorgen, die die Leute haben."

Dabei haben solche Ergebnisse bei Czaja, der in seiner Partei schon als junger Abgeordneter als politisches Wunderkind galt, durchaus System. Bereits 1999 holte er das erste Direktmandat für die CDU, damals noch für das Abgeordnetenhaus. Seitdem hat sich Czaja, der selbst in dem Bezirk aufgewachsen ist, bei den Wählern als Kümmerer etabliert. Die neue Fußgängerampel, das fehlende Schwimmbad, die geplante, aber nicht realisierte Umgehungsstraße - "wir waren immer ansprechbar für die kleinen und großen Sorgen, die die Leute haben", erklärte Czaja der Zeit seinen Erfolg. Jetzt, mitten in der Pandemie, während manche Partei ihre Vor-Ort-Arbeit herunterfuhr, eröffneten Czaja und seine Leute weitere Büros. Zum Buchen von Impfterminen, als Kopierstation für die Hausaufgaben.

2011 stieg Czaja zum Senator für Soziales und Gesundheit auf, ein weniger erfolgreicher politischer Lebensabschnitt. 2015, als die Geflüchteten zu Tausenden in Berlin ankamen, gelang es ihm kaum, die Hilfe vernünftig zu organisieren. Doch die Wähler in Marzahn-Hellersdorf nahmen ihm selbst das nicht übel, 2016 gewann er das Direktmandat für das Abgeordnetenhaus mit fast 48 Prozent.

Dass Czaja, der einmal in der Marketingabteilung eines großen Unternehmens gearbeitet hat, im Wahlkampf auch hart an die Grenzen geht, zeigte er in der Auseinandersetzung mit der Linken. Die Partei unterstützte die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen"; obwohl lange widerlegt, behauptete Czaja über Wochen, auch Genossenschaften sollten enteignet werden. "Mario Czaja ist mit handfesten Lügen unterwegs", sagte Petra Pau dazu. "Das enttäuscht mich." Vor allem, da Czaja und Pau trotz aller Differenzen immer gut zusammengearbeitet hatten, wenn es um den Bezirk ging. In Marzahn-Hellersdorf habe die CDU nie eine "Haudrauf-Politik betrieben", sagt Czaja. "Hier gab es auch keine Rote-Socken-Kampagne."

Dem Affront der Parteigenossen versuchte Czaja noch etwas abzugewinnen

Nicht nur damit steht er etwas quer zum eher rechten Landesverband in Berlin. Dass die CDU in Berlin auch 2021 noch sehr westdeutsch geprägt ist, ließ ihn die Parteiführung zuletzt wieder bei der Aufstellung der Listenkandidaten für die Bundestagswahl spüren, als sie ihm einen aussichtsreichen Platz verwehrte. "Mich bekommen Sie nur mit der Erststimme", warb Czaja daraufhin und versuchte dem Affront der Parteigenossen noch etwas abzugewinnen: Ab jetzt gebe es in seinem Wahlkampf "keinen Parteienzwang, keine faulen Kompromisse", sagte er damals.

Dazu gehörte auch, dass sich der Landesverband Berlin bereits beim ersten Anlauf für Friedrich Merz als neuen CDU-Chef ausgesprochen hatte. Czajas Wunschkandidat war hingegen Gesundheitsminister Jens Spahn; zuletzt sprach er sich deutlich für eine Kandidatur von Armin Laschet aus. Warum er dann nun gemeinsam mit Merz antreten will? "Wir haben unterschiedliche Erfahrungshintergründe. Wir haben sicherlich auch unterschiedliche Perspektiven", antwortet Czaja. "Es macht aber auch keinen Sinn, ein Team aufzustellen, das alles gleich sieht."

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