CDU:Merkel-Kritiker formieren sich

Die Kanzlerin in der Defensive: Der Berliner Kreis plant ein Gründungsmanifest. Darin wollen sich die CDU-Konservativen vom Modernisierungskurs der Parteichefin abgrenzen.

Robert Roßmann, Berlin

Mit dem Berliner Kreis und Angela Merkel verhält es sich ein bisschen wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness und dem Sommerloch: Wann immer es für die Kanzlerin nicht so gut läuft, taucht die konservative Gruppe aus der Versenkung auf.

Jetzt hat der Berliner Kreis angekündigt, im August ein Gründungsmanifest vorzulegen. Darin wollen sich die Konservativen vom Modernisierungskurs der Kanzlerin abgrenzen.

Nun steht es für Merkel derzeit tatsächlich nicht so gut. Am vergangenen Freitag verfehlte ihre Koalition bei allen drei ESM-Abstimmungen die Kanzlermehrheit. Wegen der Unterstützung der Opposition war das am Ende egal, ein Symbol für den schwindenden Rückhalt in den eigenen Reihen ist das Ergebnis trotzdem.

Spätestens seit dem Wahldesaster von Nordrhein-Westfalen ist Merkel in der Defensive, das Ergebnis des Brüsseler Gipfels verbessert ihre Lage nicht gerade. Und so haben Nachrichten vom Berliner Kreis wieder Konjunktur.

Die vom hessischen CDU-Fraktionschef Christean Wagner initiierte Runde existiert zwar bereits mehr als drei Jahre. Doch seit Merkel ein konservatives Leib- und Magenthema nach dem anderen abräumt, wächst das Bedürfnis, aus dem losen Gesprächskreis eine schlagkräftige Truppe zu machen.

Von der Pracht der Konservativen ist kaum etwas geblieben

Ob das mit dem Gründungsmanifest gelingt, ist allerdings unklar - denn bisher ist der Kreis noch nicht weit gekommen. Zum einen fehlt es der Gruppe an einem prominenten Frontmann, von der einstigen Pracht der Konservativen ist nicht viel übrig.

Vor 25 Jahren führte Alfred Dregger die Unionsfraktion, Franz Josef Strauß war CSU-Chef. Heute heißen die am wenigsten unbekannten Köpfe Christean Wagner, Jörg Schönbohm und Erika Steinbach. Die Damen und Herren sind allesamt um die 70 und taugen nicht mehr als Galionsfiguren.

Ex-Fraktionschef Friedrich Merz hätte den nötigen Glanz, er hat den Bundestag aber schon lange verlassen. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hätte die Statur. Doch Bouffier will nächstes Jahr wiedergewählt werden. Dafür ist er auf die Stimmen in der Mitte angewiesen, er kann sich also nicht zu deutlich als Konservativer exponieren.

Die CDU-Spitze reagiert gelassen auf den Berliner Kreis

Der Kreis hat aber auch ein inhaltliches Problem. Seine Mitglieder eint nur der Unmut, die Gründe dafür könnten aber unterschiedlicher kaum sein. In der Gruppe finden sich Kritiker der Euro-Rettungsschirme wie Wolfgang Bosbach, aber auch Wirtschaftspolitiker wie Thomas Bareiß, denen die Energiewende zu schnell geht - oder Abgeordnete wie der Kolping-Mann Thomas Dörflinger, die mit der neuen CDU-Familienpolitik nichts anfangen können. Um so interessanter dürfte sein, was in dem jetzt angekündigten Manifest stehen wird.

Bisher hat die CDU-Spitze relativ gelassen auf den Kreis reagiert. Generalsekretär Hermann Gröhe lud die Gruppe im Februar sogar zu einem Meinungsaustausch ins Adenauer-Haus. Lediglich Unionsfraktionschef Volker Kauder und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließen sich zu Unmutsbekundungen hinreißen.

Kauder, selbst ein Konservativer, fühlt sich persönlich angegriffen. Es ärgert ihn, wenn eine Gruppe findet, das Profil der Partei sei trotz seines Einsatzes nicht ausreichend geschärft. Schäuble wiederum befürchtet, dass sich im Berliner Kreis Euro-Skeptiker formieren könnten.

Bosbach kann das nicht verstehen. Das Problem der CDU sei nicht der Berliner Kreis, sondern der ständige Verlust an Wählerstimmen, sagt das prominenteste Mitglied der Gruppe. Bosbach hat seinen Wahlkreis bereits fünfmal direkt gewonnen, zuletzt mit 50 Prozent der Stimmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: