Es ist nur ein Szenario. Und Stand heute ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass es Realität wird. Aber es ist ein Szenario, das viele Probleme lösen würde, vor denen die CDU gerade steht. Und es ist ein Szenario, über das in der CDU zumindest von einigen diskutiert wird. Jedenfalls haben einem jetzt gleich zwei Christdemokraten, die im Bundesvorstand sitzen, dieses Szenario als denkbare Lösung vorgetragen. Wenn es Realität würde, würde das Tableau am Ende so aussehen: Markus Söder wäre Kanzlerkandidat, Jens Spahn CDU-Chef - und Armin Laschet auf dem Weg ins Schloss Bellevue.
Im Moment steht die CDU ja vor einem Problem. Die Umfragen weisen Söder als aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten aus - und zwar mit gewaltigem Vorsprung. Im jüngsten Politbarometer sagen 64 Prozent der Befragten, Söder habe das Zeug zum Bundeskanzler. Alle anderen liegen weit dahinter. Friedrich Merz: 31 Prozent. Armin Laschet: 19 Prozent. Norbert Röttgen: 14 Prozent.
Zumindest Merz und Laschet wollen aber nicht nur CDU-Chef, sondern auch Kanzler werden. Dadurch ist die Lage verhakt. Für den 64-jährigen Merz ist es die letzte Chance, doch noch nach ganz oben zu kommen - warum sollte er aufgeben, um den Weg für Söder frei zu machen? Und wenn Laschet seine Kandidatur einfach zurückziehen würde, könnte ihm das ziemlich schaden. Der Mann ist Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, da macht man sich nicht ohne Not klein.
Spahn ist in einer ähnlich unglücklichen Situation wie Kramp-Karrenbauer
Mit einem Rückzug würde Laschet an seine Vorgängerin Hannelore Kraft erinnern, die eine Kanzlerkandidatur für sich ausgeschlossen hatte. Vier Jahre später musste die Sozialdemokratin die nordrhein-westfälische Staatskanzlei an Laschet übergeben. Und dann ist da noch Spahn, über den Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gerade - und bestimmt nicht leichtfertig - gesagt hat: "Er hat den Willen zur Macht." Spahn hat in den vergangenen Jahren keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich auch das Kanzleramt zutraut.
Annegret Kramp-Karrenbauer dürfte inzwischen bereuen, im Februar ihren Rückzug von der Parteispitze angekündigt zu haben. Denn kurz darauf begann die Corona-Krise - und die CDU kletterte in den Umfragen auf nicht mehr für möglich gehaltene Höhen. Hätte Kramp-Karrenbauer nicht aufgegeben, wäre sie jetzt wahrscheinlich die aussichtsreichste Bewerberin für die Kanzlerkandidatur.
Jens Spahn ist in einer ähnlich unglücklichen Situation. Statt selbst noch einmal für den Parteivorsitz anzutreten, hat er sich ins Team von Laschet begeben. Wenn Laschet CDU-Chef wird, soll Spahn einer seiner Stellvertreter werden. Am 25. Februar verkündeten die beiden ihre Kandidatur als Duo. Am Abend dieses Tages kam dann die Nachricht, dass es im Kreis Heinsberg einen Corona-Ausbruch gibt - in dem Moment war klar, dass auch Deutschland stark betroffen sein wird.
Die CDU-Anhänger schätzen keinen Streit
Die Corona-Krise hat dann die politischen Kräfteverhältnisse verschoben: Laschet verlor an Anerkennung, jene für Spahn stieg. Natürlich könnte Spahn seine Liaison mit Laschet noch aufkündigen und selbst für den CDU-Vorsitz kandidieren. Doch das wäre ein kaum vermittelbarer Akt der Illoyalität.
Die CDU steht deswegen vor einem unruhigen Sommer. Die Auseinandersetzung darüber, wer Kanzlerkandidat werden soll, könnte die schönen neuen Umfragewerte gefährden. Die Anhänger der CDU schätzen keinen Streit. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus haben deshalb intern längst klar gemacht, dass es ihnen am liebsten wäre, wenn es noch vor dem CDU-Parteitag im Dezember eine einvernehmliche Lösung geben würde.
Drei Monate nach dem Parteitag werden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz neue Landtage gewählt. Danach stehen die besonders schwierigen Abstimmungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt auf der Agenda. Um bei den Wahlen zu reüssieren, muss die Partei aber geschlossen sein.