Süddeutsche Zeitung

CDU:So in diese Richtung etwa

  • Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigt nach einer Klausur ihres Vorstandes, dass die CDU die große Koalition fortsetzen will.
  • Sie weicht allen Fragen danach aus, was passieren würde, wenn die SPD die Koalition verlässt - und ob sie dann Kanzlerkandidatin werden wolle.
  • Die CDU-Chefin sagt lediglich, man dürfe davon ausgehen, dass ihre Partei "für alles, was möglicherweise kommt oder nicht kommt", vorbereitet sei.
  • Die CDU will jetzt ihre Schwächen angehen - in der Klimaschutzpolitik findet sie aber auch auf der Klausur noch keine klare Position.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war eine ganz einfache Frage, aber an der Antwort konnte man ermessen, wie unangenehm sie Annegret Kramp-Karrenbauer fand. Ob es in der Klausur der CDU-Spitze auch Kritik an ihr oder ihrem Umfeld gegeben habe, wollte ein Journalist am Montag von der Parteivorsitzenden wissen. Die Antwort war so typisch für die Art, wie Kramp-Karrenbauer in Pressekonferenzen spricht, dass es lohnt, sie im Wortlaut wiederzugeben.

Die CDU-Chefin sagte: "Ich hab für meine Person sowohl im Präsidium als auch im Bundesvorstand noch einmal deutlich gemacht, dass, wenn es etwas gibt, was ich auch für mich selbst sehr kritisch beurteile, dann sicherlich die Tatsache ist, dass viele der Punkte, auch vieles von dem Mut und von der Veränderungsbereitschaft, mit dem ich auch im vergangenen Jahr als Generalsekretärin hier in dieses Haus und in diese Partei gekommen bin, in den letzten Monaten nicht so konsequent umgesetzt worden ist wie ich - auch im Nachgang betrachtet - es hätte tun sollen. Auch wegen vieler Rücksichtnahmen, vielleicht auch im Wahlkampf. Und ich habe deutlich gemacht, dass ich das ändern will, dass ich auch der festen Überzeugung bin, dass ich das ändern muss. Und die Debatte heute im Bundesvorstand und auch gestern Abend hat sehr deutlich gemacht, dass beide Führungsgremien der CDU Deutschland bereit sind, diesen Weg mitzugehen und zwar gemeinsam mit mir."

Dann beendete die Sprecherin von Kramp-Karrenbauer die Pressekonferenz zur Klausur der CDU-Spitze. Nachfragen dazu, was die Vorsitzende mit all dem nun konkret gemeint haben könnte, waren deshalb nicht mehr möglich.

Kramp-Karrenbauer ist in den vergangenen Wochen wegen mehrerer Fehler heftig in die Kritik geraten, unter anderem wegen ihres Umgangs mit dem Youtuber Rezo und ihren Bemerkungen zum Wahlaufruf von Youtubern gegen die CDU. Außerdem hat ihr engster politischer Vertrauter, der stellvertretende Bundesgeschäftsführer Nico Lange, für Unmut gesorgt, weil er in einer Wahlanalyse der Jungen Union eine Mitschuld an der Niederlage der CDU bei der Europawahl gegeben hatte - in der Analyse aber keine Fehler der Parteichefin aufgeführt hatte.

Bei der Klausurtagung gab es keine persönliche Kritik mehr an Kramp-Karrenbauer

Glaubt man Berichten von Teilnehmern, gab es in der am Montag zu Ende gegangenen CDU-Klausur tatsächlich keine persönliche Kritik an Kramp-Karrenbauer oder Lange mehr. Ein Vorstandsmitglied sagte anschließend, es habe wegen der Fehler ja schon in der Vorstandssitzung am Montag vergangener Woche "einen Knall" gegeben, deshalb habe man das jetzt nicht noch einmal wiederholen müssen.

Vor allem aber hat in der CDU nach dem Rückzug von Andrea Nahles niemand mehr ein Interesse, die eigene Partei und ihre Vorsitzende ohne Not zu destabilisieren. Die CDU will jetzt den Eindruck erwecken, der Garant für Stabilität in Deutschland zu sein - und die Koalition fortsetzen. Kramp-Karrenbauer wich deshalb am Montag allen Fragen danach aus, was passieren würde, wenn die SPD die Koalition verlässt - und ob sie dann als Kanzlerkandidatin zur Verfügung stünde. Die CDU-Chefin sagte lediglich, man dürfe davon ausgehen, dass ihre Partei "für alles, was möglicherweise kommt oder nicht kommt", vorbereitet sei.

Die Teilnehmer der CDU-Klausur konzentrierten sich deshalb nicht auf die SPD, sondern auf die eigene Partei: Wie kann man die eigenen Themen wieder in den Fokus rücken? Und wie kann man die eigenen Schwächen, etwa in der digitalen Kommunikation oder in der Klimaschutzpolitik, beheben? Dabei stehen vor allem die ostdeutschen Landesverbände vor einer enormen Herausforderung. Im Westen der Bundesrepublik sind bei der Europawahl die Grünen erstarkt, im Osten jedoch die Rechtspopulisten von der AfD. Die Grünen haben von ihrer Glaubwürdigkeit als Klimaschutzpartei profitiert, die AfD nährt dagegen erfolgreich die Sorgen vor den Folgen eines strikten Klimaschutzes etwa auf die Arbeitsplätze. Wenn die CDU sich nun auf eine konsequente Klimaschutzpolitik verständigen sollte, könnte sie damit im Westen reüssieren - bei den drei anstehenden Landtagswahlen im Osten würde ihr das aber vermutlich schaden.

Was also tun? Mike Mohring, der Thüringer CDU-Spitzenkandidat, ist in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen so etwas wie der Sprecher der ostdeutschen Landesverbände. Er ist auch Chef der Fraktionsvorsitzenden-Konferenz der Union, die gerade in Weimar tagt. Dort sagte er zu dem Dilemma der CDU, gerade zwischen AfD und Grünen zerrieben zu werden: "Es bringt nichts, denen hinterherzulaufen, die den Untergang des Abendlandes propagieren, oder denen, die vom Untergang der Welt reden. Sondern wir brauchen eine eigene Position." Aber genau das ist das Problem der CDU, denn sie hat keine eigene Position.

Schon 1995 forderte ein CDU-Parteitag eine "CO₂-Energiesteuer". Sie existiert bis heute nicht

Das zeigt beispielhaft die Debatte um die Einführung einer CO₂-Steuer. Die CDU-Spitze hat sich auch bei ihrer Klausur um eine klare Haltung dazu herumgedrückt. Kramp-Karrenbauer sagte anschließend lediglich, dass das aktuelle System der Energiesteuern unsystematisch, sozial unausgewogen, wirtschaftlich belastend und mit Blick auf den Klimaschutz unzureichend sei. Die Union wolle deshalb in den kommenden Monaten Vorschläge für ein modernes System erarbeiten. In der "Weimarer Erklärung", die Mohrings Konferenz beschloss, wird auf die Steuer sogar überhaupt nicht eingegangen.

Dabei war die CDU in dieser Frage schon viel weiter. Auf dem Bundesparteitag 1995, Angela Merkel war damals Umweltministerin, beschlossen die Delegierten einen Antrag, in dem die Einführung einer "C0₂-Energiesteuer" verlangt wird. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss, bei diesem Projekt handele es sich "um ein Kernstück der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft, mit dem die Union zugleich Glaubwürdigkeit beim Werben um ökologisch orientierte Wählerinnen und Wähler und eigene Reformkraft unter Beweis stellen kann". Vor allem aber gehe "es um den glaubwürdigen Einsatz zum Schutz des Klimas und zur Bewahrung der Schöpfung". Inzwischen ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen - aber die CO₂-Steuer gibt es immer noch nicht.

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Quelle:
SZ vom 04.06.2019
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