Süddeutsche Zeitung

CDU Schleswig-Holstein:Boetticher will seinem Land den Rücken kehren

Christian von Boetticher fühlt sich nach seinem Rücktritt wie auf der Flucht. Von dort nimmt er jetzt verbittert Stellung: Der ehemalige Spitzenmann der Nord-CDU sieht sich von den Medien verfolgt - und ist schwer enttäuscht von seiner eigenen Partei, seinem einstigen Mentor Carstensen und bestreitet einen "Lolita-Effekt" bei seiner Beziehung zu einer 16-Jährigen.

Jens Schneider

Es ist die Affäre hinter der Liebes-Affäre, die Schleswig-Holsteins CDU noch eine Weile beschäftigen könnte: Eine Woche nach seinem überraschenden Rücktritt hat der bisherige Landesvorsitzende der Christdemokraten Christian von Boetticher gegen die eigene Partei heftige Vorwürfe erhoben. Der über die Liebesbeziehung zu einer 16-Jährigen gestürzte 40-jährige CDU-Politiker sieht, wie Interviews an diesem Wochenende zeigen, offenbar eine erhebliche Schuld an seiner Situation auch bei führenden Parteifreunden in Kiel. "Ich habe ein großes Maß an Illoyalität erlebt und bin mit Blick auf die eigene Partei schwer enttäuscht", sagte Boetticher der Bild am Sonntag.

Im Magazin Focus klagte er: "Für mich war das eine öffentliche Hinrichtung auf Basis moralischer Wertungen." Er werde "verfolgt wie ein Krimineller, der die Bank of England ausgeraubt hat", und fühle sich "wie Dr. Kimble auf der Flucht". Er kündigte an, Schleswig-Holstein für längere Zeit zu verlassen.

Der 40-Jährige war vergangene Woche wegen einer früheren Beziehung zu einer 16-Jährigen zunächst vom Parteivorsitz zurückgetreten und hatte zugleich auch auf die Spitzenkandidatur verzichtet. Einen Tag darauf gab er auch den Vorsitz der Landtagsfraktion auf, den er nach Angaben von Parteifreunden eigentlich hatte behalten wollen.

Er reagierte mit seinen Rücktritten offenbar vor allem auf Druck aus der CDU. Für diesen Druck gibt es mehrere Erklärungen. So fürchteten Parteifreunde schlichtweg, dass seine Affäre zu einer 16-Jährigen zu einer zu starken Belastung im anstehenden Wahlkampf zur Landtagswahl im Mai 2012 werden könnte. In Parteikreisen heißt es darüber hinaus allerdings, dass Gegner des bisherigen CDU-Spitzenkandidaten, die seit längerem an seiner politischen Eignung zweifelten, von seiner Liebesbeziehung zu dem Mädchen lange gewusst hätten. Sie sollen die Angelegenheit nun gezielt gegen eingesetzt haben, um Boetticher aus dem Amt zu drängen.

Boetticher kritisierte in seinen Interviews nun auch das Verhalten von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der ihn über viele Jahre stark gefördert und zu seinem Nachfolger auserkoren hatte. Carstensen hatte in dieser Woche nach Bekanntwerden der Affäre erklärt, dass es nach seiner Auffassung keinerlei Intrige gegen den früheren Parteichef gegeben habe. Er habe Boetticher mehrmals aufgefordert, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Der habe sich aber wochenlang auf die Position zurückgezogen, dass die Sache rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Laut Carstensen hat er Boetticher am 9. August unmissverständlich gebeten, seine Ämter zur Verfügung zu stellen und die Angelegenheit öffentlich zu machen. Boetticher widerspricht dieser Darstellung und fühlt sich offenbar auch von seinem einstigen Mentor allein gelassen. Carstensen habe "leider den Eindruck erweckt, ich sei ein politischer Autist, weil ich nicht begriffen hätte, dass meine Zeit als Spitzenkandidat abgelaufen war", sagte Boetticher. "Dabei habe ich die Sache selber in die Hand genommen und rechtzeitig die richtigen Konsequenzen gezogen."

Über seine Verbindung zu dem minderjährigen Mädchen sagte er: "Die Beziehung zu der Frau hat nichts mit einem Lolita-Effekt zu tun." Das Mädchen sei ihm aufgefallen, weil sie als Mitglied der Jungen Union sehr intelligente Kommentare auf seiner Facebook-Seite geschrieben habe, sagte Boetticher. Er habe sie zuerst auf Mitte 20 geschätzt.

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SZ vom 22.8.2011/lala
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