Süddeutsche Zeitung

CDU in NRW: Machtkampf:Röttgen punktet

Ex-Landesminister gegen Bundesminister: Im Kampf um den Vorsitz der NRW-CDU präsentiert sich Armin Laschet als loyaler Thronfolger. Sein Rivale Norbert Röttgen schießt gegen Ex-Ministerpräsident Rüttgers - und kommt bei der Basis an.

Michael König, Münster

Die Bühne erinnert entfernt an eine Castingshow: Sie ist mit Postern dekoriert, mit Bildern von schönen Menschen. Junge und alte, Krawattenträger und Krankenschwestern, Großeltern mit ihren Enkeln. Menschen, denen die CDU eine bessere Zukunft verspricht. Dazwischen steht, in einem schwarzen Anzug, die Vergangenheit: Jürgen Rüttgers.

Er ist zuletzt ein bisschen in Vergessenheit geraten, obwohl er die CDU in Nordrhein-Westfalen elf Jahre als Vorsitzender anführte und fünf Jahre Ministerpräsident war. Doch die zehn Prozentpunkte, die seine Partei bei der Landtagswahl im Mai verloren hat, waren der Beginn eines langen Abschieds. Doch jetzt geht er noch einmal auf eine Tournee durch acht Städte.

Den Anfang macht Münster, genauer gesagt Hiltrup, ein Stadtteil mit großen Autohäusern und einer kleinen Stadthalle, in der sich 700 Menschen um zu wenige Stühle streiten. Sie gehören zu den 160.000 Parteimitgliedern der NRW-CDU, die an den Castingshows der CDU teilnehmen dürfen, die "Regionalkonferenzen" heißen und in eine Mitgliederbefragung münden.

Zwei Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge von Jürgen Rüttgers: Norbert Röttgen, Bundesumweltminister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel. Und Armin Laschet, ehemals Integrationsminister unter Rüttgers. Für beide ist es eine heikle Angelegenheit: Eine zweite Chance gibt es nicht.

Verliert Laschet, ist seine politische Karriere so gut wie beendet. Er war schon in der Wahl des Fraktionschefs dem münsterländischen Bezirksvorsitzenden Karl-Josef Laumann unterlegen, der ihn nun unterstützt. Röttgen hingegen hat sich in der Atomkraft-Debatte viele Feinde gemacht. Kann er sich in NRW nicht durchsetzen, wird das seine Autorität empfindlich schwächen.

Groll über das "Sommertheater"

Der bundesweit größte CDU-Landesverband muss nun entscheiden, ob sein neuer Vorsitzender ein einflussreicher Berliner sein soll, der in Düsseldorf eher zu Gast ist. Oder ein lokal verwurzelter NRW-Fachmann, der in Berlin womöglich nicht gehört wird. Und dann ist da noch eine andere Frage: Wie viel Rüttgers darf es in Zukunft noch sein?

Bisher wurde die Debatte in Hinterzimmern und den Medien ausgetragen. Laschet preschte mit seiner Kandidatur vor, unterstützt vom neuen Fraktionschef Karl-Josef Laumann und Generalsekretär Andreas Krautscheid. Röttgen zog nach und warf seinem Kontrahenten ein "Sommertheater" vor. In Münster treffen sie sich erstmals auf einer Bühne.

Laschet darf als Erster reden und erklären, was ihn von seinem Kontrahenten unterscheidet. Viel ist das nicht.

Röttgen ist 45 Jahre alt, Laschet 49. Beide sind katholisch, haben jeweils drei Kinder und stammen aus dem Rheinland. Beide stehen für die liberale Großstadt-CDU, beide gelten als Anhänger schwarz-grüner Experimente. Beide betonen, die konservative Klientel müsse zurückgewonnen werden. Beide verzichten daher auf verbale Blutgrätschen.

Wenn Laschet betont, er sei zu "100 Prozent NRW", dann klingt nur an, was er Röttgen voraus hat. Er sagt nicht: "Röttgen ist ein arroganter Berliner, der für die Belange von Schweinezüchtern in Kattenvenne keine Zeit hat", obwohl es genau das ist, was viele Laschet-Anhänger über den Bundesumweltminister denken. Laschet sagt stattdessen: "Die Leute wollen, dass man vor Ort ist, auch über die Regionalkonferenzen hinaus." Er besuche deshalb alle 54 Kreisverbände in Nordrhein-Westfalen, um "einfach mal zuzuhören".

Der lockere, fast aufreizend entspannte Rivale

Röttgen hat genug damit zu tun, in Berlin für seinen Vorschlag von einer "moderaten" Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zu kämpfen. Er hält Laschet entgegen, die Partei könne "nur als Mannschaft funktionieren". Die NRW-CDU müsse sich als Teil der Bundes-CDU begreifen. Im Klartext: Es ist nicht von Nachteil, dass er als Bundesumweltminister die Partei von Berlin aus führen würde - zumindest bis zur nächsten Landtagswahl.

Beiden Kontrahenten ist an diesem Abend auch gemein, dass sie etwas holprig in ihre Auftritte starten. Laschet hält sich zunächst damit auf, zu erzählen, was er alles nicht erzählen werde, weil ihm die Zeit dafür fehle. Dann holt er trotzdem weit aus und berichtet, wie er als 18-Jähriger in die Partei gekommen ist. Und davon, wie sein Gemeindepfarrer den Nazis getrotzt hatte.

Röttgen beobachtet die 15-minütige Rede seines Kontrahenten in lockerer, fast aufreizend entspannter Pose. Er lehnt sich weit zurück auf seinem Stuhl, hin und wieder lächelt er spöttisch. Zu Beginn seiner Rede scheint der Bundesumweltminister zunächst seine Kritiker zu bestätigen, die ihm Arroganz und mangelnde Volksnähe vorwerfen. Doch Röttgen steigert sich, er ballt die Fäuste, spricht von einer Zukunftsvision, greift die SPD an und distanziert sich von Rüttgers. Das ist dann doch ein gewisser Unterschied.

"Wenn Parteitage wieder etwas mehr in Richtung Diskussion und etwas weniger den Charakter von rituellen Applausübungen haben, dann tut das allen gut", sagt Röttgen in seiner Rede. Der Machtverlust komme nicht von ungefähr. Er erntet von etwa der Hälfte des Publikums lauten Applaus, verbunden mit dem kehligen Lachen, dass die Westfalen auszeichnet. Es ist die schärfste Attacke des Abends gegen den bisherigen Landesvorsitzenden Rüttgers, der sich einen bösen Blick zur Seite nicht verkneifen kann.

Laschet hatte sich zuvor als loyaler Thronfolger seines ehemaligen Chefs präsentiert und betont, Rüttgers habe "wichtige Weichen" gestellt. "Die Meßlatte liegt hoch", sagte er im Hinblick auf den scheidenden Vorsitzenden. Er sei zwar mit dem Zustand der Partei "nicht zufrieden, aber wenn ihr mich fragt, ob man das ändern kann, dann sage ich ja".

Für Röttgen müssen es dagegen die großen Linien sein, darunter macht er es nicht: soziale Marktwirtschaft, europäische Integration, deutsche Einheit. Er wiederholt sein Credo der "Politik aus den Augen unserer Kinder", deren Ausgestaltung vage bleibt, für die er in Münster aber trotzdem Applaus bekommt. Erst als Rüttgers ihn ermahnt, weil er die 15-minütige Redezeit überschritten hat, kommt Röttgen schnell noch auf die in NRW umstrittene Schulpolitik, die teils desolate Finanzlage der Kommunen und das "Heimatgefühl" zu sprechen. Laschet hatte hier deutlich mehr zu bieten.

Auch in der anschließenden Fragerunde setzt der einstige Integrationsminister immer wieder Nadelstiche. Er nutzt häufig das Wort "nachbarschaftlich" und bricht jedes Thema auf die Kommunen herunter. Röttgen bleibt davon jedoch unbeeindruckt, einmal verweist er sogar darauf, dass sein Kontrahent in Sachen Familienpolitik mehr zu bieten habe - als sei das etwas, worauf man als zukünftiger Landesvorsitzender und möglicher Ministerpräsident gut verzichten könne.

Zwei solche Kandidaten - ein "Luxus"

So spielen beide ihre Rolle, hier der Düsseldorfer Fachmann fürs Lokale, dort der Berliner Profi mit dem Blick fürs große Ganze. In Münster kommt Röttgen dabei offenbar etwas besser weg: Er erhält mehr Szenenapplaus als sein Kontrahent. Wer sich nach dem Ende der Veranstaltung im Foyer der Stadthalle umhört, muss lange suchen, um einen überzeugten Röttgen-Gegner zu finden.

Zwei ältere Damen aus dem benachbarten Everswinkel beschreiben den Umweltminister als "sehr genau und präzise", ihre männlichen Begleiter sind sich einig: "Wenn er Ministerpräsident wird, hat er mit seiner Erfahrung in Berlin mehr Gewicht." Drei Mitglieder der Jungen Union verständigen sich darauf, dass "wir den Luxus haben, zwischen zwei hervorragenden Kandidaten auswählen zu dürfen".

Am 4. Oktober beginnt die Mitgliederbefragung, deren Ergebnis am 31. Oktober feststehen soll. Es ist rechtlich nicht bindend, doch gilt die formelle Wahl des Gewinners auf einem Parteitag am 6. November nur als Formalie.

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