Süddeutsche Zeitung

CDU in Hamburg:Rolle rückwärts in alte Strukturen

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Je länger Ole von Beust Hamburg regierte, desto weniger kümmerte er sich um die CDU - nun bestimmen die Kreisverbände erneut die Politik. Es droht die Rückkehr des alten Feudalismus.

Jens Schneider

Ole von Beust ist immer noch in der Stadt. Eine große Schlagzeile weckt an diesem Dienstag die Erinnerung an den Bürgermeister, der im Sommer nach neun Jahren ging, weil er nicht mehr mochte. Seit diesem Sonntag ist sein schwarz-grünes Konstrukt, das er im Sommer zurückgelassen hatte, zerbrochen. Jetzt meldet die Hamburger Bild, er werde sich einschalten und für seinen Nachfolger Christoph Ahlhaus kämpfen. Freilich ist nur von zwei Wahlkampf-Terminen die Rede. Der Christdemokrat, der sich aus der Politik zurückgezogen hat, will in Ruhe gelassen werden.

Aber für seinen Nachfolger und die Partei dürfte schon diese eine Schlagzeile angesichts ihrer heiklen Lage wie Hohn klingen. Wann immer Beust erwähnt wird, erinnert sie das an die Epoche, in der die Hamburger CDU plötzlich mehr war als nur der ewige Zweite. Mehr als die biedere Altherrenpartei, als die sie zuvor Jahrzehnte gegen die Übermacht der SPD hilflos ankämpfte. So verkrustet und chancenlos war sie, dass Talente sich lieber nach Bonn aufmachten, nach Brüssel, in andere Länder. Drei Monate nach dem Ende der Beust-Jahre kommt es manchen nun so vor, als wäre alles schon wieder wie früher - als hätte es die Zeit nicht gegeben.

Mit einer auch für ihn im Nachhinein düsteren Allianz hatte Beust vor neun Jahren die Dominanz der Hamburger SPD gebrochen: Seine CDU erzielte damals nur 26,2 Prozent; aber er kam mit Hilfe der Partei des Rechtspopulisten Ronald Schill und der FDP ins Bürgermeisteramt. Später gewann er weitere Wahlen und baute das Rathaus zu seinem Machtzentrum aus. Je länger er regierte, desto weniger kümmerte er sich um die CDU. Er führte auf Basis eines unausgesprochenen Deals: Mit seiner Popularität sicherte er seiner Partei die Macht, die ließ ihn dafür machen, was er wollte.

Typisch war der Weg in die schwarz-grüne Koalition: Die prägte maßgeblich der Chef seiner Senatskanzlei, er schrieb mit den Grünen den Koalitionsvertrag. Die Partei konnte nur zustimmen. Obwohl es schon damals Unmut über die später an einem Referendum gescheiterte Schulreform gab, winkte die Basis alles durch.

Beust überließ die Partei sich selbst, kümmerte sich wenig um Nachwuchs. Bald wuchsen wieder die alten Strukturen heran, die Hamburgs CDU früher gelähmt hatten. Die Chefs der großen Kreisverbände bestimmen wieder, wer etwas werden kann. Und wer - wie etwa der von den Grünen hoch geschätzte Senator Dietrich Wersich - keine solche Hausmacht hat, stieß schnell an Grenzen. So zogen Talente etwa, wie zuletzt die stellvertretenden Landesvorsitzenden Marcus Weinberg oder sein Kollege Rüdiger Kruse, als Abgeordnete nach Berlin. Hamburgs CDU ist personell ausgezehrt. "Ole hätte alles früher und klar strukturierter ordnen müssen", sagt Weinberg. "Das hat er versäumt und damit Hektik in Partei und Koalition erzeugt." Sein Haus war nicht bestellt. "Jetzt besteht die Gefahr, dass auch sein schwarz-grünes Modell als politisches Erbe wieder in die Ferne rückt."

Der amtierende Partei- und Fraktionschef Frank Schira gilt als das herausragende Produkt dieser Entwicklung. Inhaltlich ist er blass, aber er zeigt sich sehr geschickt darin, über Verbindlichkeit Netzwerke zu flechten. Aus dem starken Bezirk Wandsbek kommend, hat er genug Macht, um Posten in Regierung und Partei zu besetzen. Er soll Bürgermeister Ahlhaus auch Senatoren-Besetzungen aufgezwungen haben, die heute als Fehlentscheidungen gelten. Es droht die Rückkehr des alten Feudalismus in der Partei, mit dem politischen Mittelmaß an der Spitze. "Wir müssen in der CDU verhindern", warnt Partei-Vize Weinberg, "dass wieder das ausbricht, was diese Partei vor unserer Regierungszeit jahrelang klein gehalten hat."

Dann wäre die CDU eine moderne Großstadtpartei nur durch Beust und wenige junge Wegbegleiter gewesen. Die Machtstrukturen in der Hamburger CDU könnten auf Jahre festgezurrt sein. Ahlhaus, dessen Frau Simone schon als First Lady aufgebaut werden sollte, darf noch Spitzenkandidat sein. Sollte er bei der Wahl im Februar verlieren, wäre damit offenbar auch sein Rückzug verbunden. Schira wäre der kommende Mann.

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SZ vom 01.12.2010
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