CDU in der Euro-Krise:Merkels Gegner begehren auf

Die Sozis können nicht mit Geld umgehen. Aber wir, wir können das. So schallte es jahrzehntelang aus der Union. Mit der Euro-Krise gerät dieser Ruf in Gefahr. Die Kritiker von Kanzlerin Angela Merkel behaupten, sie verschenke deutsches Steuergeld, um klamme Euro-Staaten zu retten. Das Grummeln in der Bundestagsfraktion wird immer lauter. Ist die schwarz-gelbe Koalition in Gefahr?

Thorsten Denkler, Berlin

Und wieder muss alles in größter Eile geschehen. Keine drei Wochen wird sich der Bundestag Zeit nehmen, um die jüngsten europäischen Beschlüsse zur Euro-Rettung durchs Parlament zu bringen. Spätestens am 23. September soll alles fertig sein. Die Hektik steht in keinem Verhältnis zu den Summen, mit denen die Abgeordneten jonglieren. Das ist nicht zum ersten Mal so.

Bundesvorstandssitzung der CDU

Ein Sack voller Probleme: Angela Merkel muss ihre Finanzpolitik in der Unionsfraktion rechtfertigen.

(Foto: dapd)

Wieder dürften nur die wenigsten Abgeordneten wirklich wissen, was sie da tun. Sie haben keine andere Wahl: Sie müssen Vertrauen haben zu ihrer Regierung, zur Kanzlerin. Aber das Vertrauen schwindet. Und die Furcht wächst, dass Deutschland - und damit deutsche Steuerzahler - für die Schulden anderer Länder aufkommen müssen.

Die Sorge geht inzwischen weit über die Grenzen der Unionsfraktion im Bundestag hinaus. Karl-Josef Laumann, Fraktionschef der CDU in NRW, fürchtet um den guten Ruf der Partei. Die CDU sei aus Sicht der Wähler immer die Partei gewesen, die aufs Geld aufpassen könne. Dieser Ruf dürfe durch die Euro-Krise "nicht verspielt werden".

Doch schon die Eckdaten der anstehenden Pläne haben das Zeug dazu, Schwindelgefühle auszulösen: Zunächst muss im Bundestag über die Ausweitung des bestehenden europäischen Stabilitätspaktes EFSF entschieden werden. Dieser Rettungsschirm soll auf 440 Milliarden Euro aufgestockt werden. In Worten: vierhundertvierzig - und neun Nullen dahinter.

In einer zweiten Abstimmungsrunde wird dann im Herbst vom Bundestag der im Juni auf EU-Ebene ausgehandelte neue Rettungsfonds ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) beschlossen werden müssen. Der soll von 2013 an dauerhaft klamme Euro-Länder vor der Pleite retten. Seine Kapitalbasis: 700 Milliarden Euro. Das bedeutet für Deutschland: 22 Milliarden Euro müssen als Bareinlage aufgebracht und für 168 Milliarden Euro Sicherheiten gegeben werden. Und das ist nur ein Teil der Angelegenheit.

Am Abend will Merkel deshalb etwas tun, was sie aus der Sicht vieler Unionsanhänger viel zu selten macht: ihre Politik erklären. Bisher hat sie das Wort "Sonder-" gemieden wie die Pest: bloß keinen Sonderparteitag, bloß keine Sondersitzung des Parlamentes. Das würde den Eindruck womöglich verstärken, es gäbe eine Krise. Eine Sondersitzung der Unions-Bundestagsfraktion geht aber offenbar gerade noch.

Darin wird es nicht mehr allein um die Brüsseler Beschlüsse vom vergangenen Juni gehen. Die Debatte ist längst weiter. Zum Teil hat die Wirklichkeit die Politik mal wieder überholt angesichts immer neuer Finanzlöcher in den Haushalten von Ländern wie Italien oder Portugal. In Europa ist die Überschuldung zu einem Flächenbrand geworden, der nach immer neuen Löschmitteln verlangt - falls er sich überhaupt noch stoppen lässt.

Der neueste Versuch: Euro-Bonds, von den Euro-Staaten gemeinsam ausgegebene Anleihen. Schreckgespenster in den Köpfen vieler Koalitions-Abgeordneter. Die Milliarden für die Rettungsschirme können bei gutem Willen noch als einmalige Rettungsaktion begriffen werden. Euro-Anleihen aber würden ein völlig neues Prinzip im gemeinsamen Währungsraum einführen: Alle haften dauerhaft mit für die Schulden anderer.

Für Deutschland bedeutet das nach ersten vorsichtigen Berechnungen aus dem Bundesfinanzministerium: Die Zinslast steigt. Um bis zu 25 Milliarden Euro jährlich.

Wo der Unmut wächst

Die EU-Kommission will solche Euro-Anleihen einführen. Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, auch. Ebenso die Opposition im Bundestag. Ihr Argument: Nur mit den Euro-Anleihen könne die nötige Sicherheit in die Euro-Zone zurückgebracht werden.

Die FDP stellt sich klar dagegen. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble auch, aber unter Vorbehalt. Sie haben angedeutet, dass es Euro-Bonds geben könnte - wenn es gar nicht mehr anders geht. Für die Liberalen wäre das ein Affront. Und auch in der Union wird das Grummeln immer lauter.

Zum Teil begehren die Parlamentarier der Koalition öffentlich gegen die Euro-Politik ihrer Kanzlerin auf. Allen voran der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler und sein CDU-Kollege Klaus-Peter Willsch. Zu den Kritikern gehören auch der Chef der CDU-Mittelständler im Bundestag, Michael Fuchs, und Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder.

Sie sind nicht allein: Mit etwa 30 bis 40 Unterstützern könnten sie rechnen, heißt es. Nicht viele, auf den ersten Blick. Doch genug, um die Koalition in existentielle Gefahr zu bringen. Schwarz-Gelb verfügt nur über eine Mehrheit von 20 Sitzen.

Die Finanzrebellen scheinen wild entschlossen. Willsch sagt: "Für den ESM in dieser Form darf es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit geben. Das ist ganz klar mein Ziel." Was ihn beflügeln dürfte: Jüngste Umfragen zeigen, dass eine satte Mehrheit der Unionswähler seine Meinung teilt. Und selbst bei den Unions-Abgeordneten im Bundestag, die sich nicht zu einem klaren Nein durchringen können, dürfte das Unbehagen groß sein.

Merkel will dem mit einer Informations-Offensive begegnen. Auf dem regulären Parteitag im November - und nicht auf einem Sonderparteitag, wie von manch einem Kritiker gefordert - soll jetzt auch das Euro-Thema aufgerufen werden. Eine prominent besetzte Arbeitsgruppe bereitet dazu gerade ein Beschlusspapier vor - die Kritiker sind darin eingebunden. Vor dem Parteitag sollen sich Unionsmitglieder auf Regionalkonferenzen aussprechen dürfen. Merkel will damit etwas Druck aus dem Kessel nehmen.

Der Haken: Das alles wird im Wesentlichen geschehen, nachdem der Bundestag abgestimmt hat. So war das schon beim Atomausstieg und dem Aussetzen der Wehrpflicht: erst entscheiden - dann erklären. Der Unmut darüber wächst. An der Basis und in der Bundestagsfraktion. Und auch beim Wähler?

Im Auftrag der ARD fragten die Meinungsforscher von Infratest dimap die Bundesbürger, wie groß ihr Vertrauen darin sei, dass die Bundeskanzlerin eine neue Wirtschafts- und Finanzkrise würde verhindern können. 55 Prozent antworteten: gering. Ein Wert, der beim einstigen deutschen Umfrageliebling Merkel alle Alarmglocken klingeln lassen müsste. Die CDU, so scheint es, gilt längst nicht mehr als die Partei, die mit Geld umgehen kann.

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