CDU in Baden-Württemberg:Prügelknabe der Landespolitik Südwest

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Der Prügelknabe der Landespolitik Südwest: Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). (Foto: dpa)
  • Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) gilt als Architekt der grün-schwarzen Koalition.
  • Die Liberalen nennen ihn ein Sicherheitsrisiko. Bei der CDU sagen sie im Hintergrund, er sei ein Mann der von Landespolitik oft wenig bis keine Ahnung habe.
  • Der Querelen innerhalb der CDU haben fast parteischädigende Ausmaße angenommen.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Thomas Strobl darf sich, was seine Titel betrifft, ohne Zweifel als Mann von bundespolitischem Rang fühlen. Er ist in der CDU stellvertretender Bundesvorsitzender und Chef des zweitgrößten Landesverbands, ist Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Baden-Württemberg, häufiger Talkshow-Gast, wenn es um Fragen der inneren Sicherheit geht, außerdem der Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble. Als neuesten Titel hat er sich nun erworben: Prügelknabe der Landespolitik Südwest.

Die Liberalen nennen ihn ein Sicherheitsrisiko, er sei seinem Amt nicht gewachsen, sagen sie. Die ultimative Kritik formulierte der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Er nannte Strobl in einer Parlamentsdebatte "die Karikatur eines Politikers". Das ist ein Frontalangriff auf die Person, für den man sich normalerweise entschuldigen muss. Aber Stoch kam damit durch, weil die Beleidigung in etwa dem Bild entspricht, das CDU-Abgeordnete im Hintergrund verbreiten: Strobl sei ein Mann mit Hang zur großen Geste, der von Landespolitik oft wenig bis keine Ahnung habe.

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Die Grünen geben sich kräftig Mühe, Strobl zu stützen

Strobl, nach der CDU-Niederlage bei den Landtagswahlen 2016 aus Berlin nach Stuttgart zurückgekehrt, gilt als Architekt der grün-schwarzen Koalition. Mit ihm steht dieses Bündnis, mit ihm könnte es irgendwann auch fallen, darauf hofft zumindest die Opposition. Die Grünen geben sich derzeit jedenfalls mehr Mühe, Strobl zu stützen, als manch ein CDUler. Sie bilden die Klammer einer Art Dreiparteien-Regierung und hoffen, die beiden CDU-Teile mögen sich zusammenraufen. Denn die Koalition produziert wegen des CDU-internen Machtkampfs auf einigen Baustellen die Karikatur von Politik. Das gilt vor allem für die Wahlrechtsreform.

Mit der Einführung einer Landesliste sollen die Parteien Gelegenheit bekommen, mehr Frauen ins Parlament zu bringen, so steht das im Koalitionsvertrag. Die CDU-Fraktion aber verweigerte sich, worauf es bei den Grünen die Überlegung gab, das Thema abzuhaken und als Plus für sich zu verbuchen. Schließlich hat man mit einem Frauenanteil von 50 Prozent im Parlament keinen Nachholbedarf - ging aber nicht, denn man wollte Strobl nicht beschädigen. Der pflegt in der CDU den Ruf eines Modernisierers und Frauen-Förderers.

Strobl hat vor Ostern als Kompromiss vorgeschlagen: Jede Partei solle selbst entscheiden, ob sie bei Landtagswahlen eine Landesliste aufstellt. Obwohl die Idee an diesem Dienstag mit den Grünen diskutiert werden soll, habe Strobl immer noch kein Papier dazu vorgelegt, heißt es in der CDU-Fraktion. Ob das Modell überhaupt von der Landesverfassung gedeckt wäre? Alle Beteiligten sind skeptisch, viele in der Koalition halten die Reform bereits für tot.

Was Strobl als Frauenförderer zusätzlich in Bedrängnis bringt: Auf den ersten vier Plätzen der baden-württembergischen CDU-Landesliste für die Europawahl 2019 werden aller Voraussicht nach Männer stehen. Und nur diese vier Plätze werden wohl für den Einzug ins Parlament reichen - herausfallen könnte als Nummer fünf ausgerechnet die hoch geschätzte Europaabgeordnete Inge Grässle, eine große Unterstützerin Strobls. Das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Liste liege bei den CDU-Bezirken, er sei da machtlos, hat Strobl, der Parteichef, offenbar bereits signalisiert.

Diese Südwest-CDU kann ein sehr rücksichtsloser Haufen sein, auf fast irrationale Weise zerstritten seit mindestens 2004, als Günther Oettinger den Parteifreund Erwin Teufel aus dem Amt des Ministerpräsidenten drängte. Wer welchem Lager angehört, und mit welchen Motiven, kann niemand mehr so genau auseinander halten. Strobl jedenfalls gilt als Oettinger-Vertrauter, und er hat wenig getan, um die von Wolfgang Reinhart - einem langjährigen Widersacher, warum auch immer - angeführte Fraktion für sich einzunehmen.

Strobl gewann nach der Regierungsbildung für das Amt des Staatssekretärs Martin Jäger, den vormaligen Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die Personale wurde als Coup gefeiert. Jäger verkörperte Strobls Anspruch, in Stuttgart auf Augenhöhe mit Ministerpräsident Kretschmann und mit bundespolitischer Ausstrahlung zu agieren. Doch hat er vor Ostern schon wieder seinen Abschied verkündet, er kehrt als Staatssekretär in die Bundespolitik zurück. Von den Regierungs-Grünen ist zu hören, Jäger sei mit viel zu hohen Erwartungen nach Stuttgart gekommen. Er habe seine Machtfülle überschätzt. Sie hoffen, Strobl werde mit der Nachfolge das Grundproblem der Regierung beheben, die Einbindung der CDU-Fraktion.

Die Opposition zeichnet bereits das Bild vom sinkenden Schiff, das Jäger als erster verlassen habe. Denn fast zeitgleich mit der Nachricht vom Abschied des Staatssekretärs ereilte Strobl der "Fall Sigmaringen". Sein Innenministerium hatte angekündigt, "verdeckte Kräfte" der Polizei sollten die Lage in der Stadt beruhigen, wo offenbar einige Dutzend kleinkriminelle Asylbewerber ihr Unwesen treiben. Selbst Polizeigewerkschaften rügten, Strobl gefährde mit dieser Mitteilung verdeckte Ermittler; gemeint waren aber offenbar Beamte in Zivil. Es war, soviel man bislang weiß, nur eine Kommunikationspanne, doch ist Strobl mittlerweile in der für jeden Politiker gefährlichen Lage, dass Missgeschicke aufaddiert werden. Es gab im Parlament eine Aktuelle Stunde zu dem Vorfall.

Minister Strobl und Fraktionschef Reinhart haben nach ihrem in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Streit um die Wahlrechtsreform angekündigt, sich fortan regelmäßig zu treffen und abzustimmen. Sie müssen demnächst eine gemeinsame Linie gegenüber den Grünen finden, wenn über Diesel-Fahrverbote zu entscheiden ist. Und irgendwann wird es auch darum gehen, wer bei der Landtagswahl 2021 als Spitzenkandidat der CDU antreten soll. Strobl, der das natürliche Zugriffsrecht hat? Reinhart? Oder doch eine Dritte, zum Beispiel Bildungsministerin Susanne Eisenmann? Der Querelen haben jedenfalls fast parteischädigende Ausmaße angenommen. In der jüngsten Meinungsumfrage lag die CDU bei 27 Prozent, fünf Punkte hinter den Grünen.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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