Unmut über CDU-Haushälter Barthle:Von Wellen der Wut überrollt

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Zündende Idee: Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle hat sich überlegt, wie die beschlossene Steuersenkung seriös bezahlt werden könnte. Mit seinem Vorschlag rührt er in seiner Partei an ein Tabu - und wird heftig attackiert.

Stefan Braun, Berlin

Wenn man in der Politik lautstark Kritik erntet, kann das Strafe und Adelung zugleich sein. Strafe, weil man für eine Idee Attacken einstecken muss. Und Adelung, weil sich plötzlich auch die Obersten der eigenen Koalition mit einem befassen. Von einer solchen Belobigung kann in diesen Sommertagen vor allem Norbert Barthle berichten, der Chef-Haushälter der Christdemokraten. Er hat eine Idee zur Finanzierung von Steuersenkungen vorgetragen - und wird seither von den eigenen Koalitionspartnern aufs schärfste angegriffen. Derart große Wellen der Wut, das ist sicher, sind über dem Abgeordneten aus Baden-Württemberg noch nie zusammengeschlagen.

Plötzlich im Blickfeld: CDU-Haushälter Norbert Barthle. (Foto: ddp images/dapd/Clemens Bilan)

Zuletzt am Mittwoch hat Horst Seehofer noch einmal Anlauf genommen, um Barthles Steuer-Ideen - bildlich gesprochen - in die Tonne zu treten. Er sei absolut nicht einverstanden, wütete der CSU-Chef in der Bild, dass ein einzelner Abgeordneter ohne jede Rückkoppelung derartige Ideen lanciere. Steuererhöhungen werde es mit der CSU nicht geben. "Deshalb ist für uns die Diskussion hierüber beendet." Es gibt nicht viele Abgeordnete, um die sich Seehofer derart kümmert.

Ob sich Barthle darüber freut, ist alles andere als sicher. Wer dieser Tage mit ihm spricht, registriert vor allem, dass seine Stimme noch leiser ist als sonst schon. Denn der 59-jährige Abgeordnete aus Backnang ist kein Lautschreier auf dem Berliner Pflaster. Er gehört zu den Ruhigeren in der Unionsfraktion, gilt als zumeist loyaler Mitstreiter und zählte in den 13 Jahren seit seiner Zugehörigkeit zum Bundestag nie zu denen, die in nachrichtenärmeren Zeiten wie den Sommerferien zum großen Publicityauftritt stürmen. Aus diesem Grund ist er nun eher erschrocken über die Reaktionen, auch wenn er erzählt, dass er neben "unheimlich viel Zorn" auch "unheimlich viel Zuspruch" erfahre.

Was also ist passiert? Barthle hat getan, was der Haushälter der größten Regierungsfraktion als seine oberste Aufgabe betrachtet: Er hat sich überlegt, wie eine inzwischen in der Koalitionsspitze beschlossene, aber noch nicht finanzierte Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen seriös bezahlt werden könnte. Und weil Barthle zudem auch für gute Fachkräfte was tun möchte, hat er den Vorschlag unterbreitet, einerseits den Spitzensteuersatz erst bei größeren Einkommen greifen zu lassen, andererseits Spitzenverdienern aber etwas mehr abzuverlangen.

Derlei ist in der schwarz-gelben Koalition offiziell ein Tabu, insbesondere bei Liberalen und Christsozialen. Viele CDU-Ministerpräsidenten und Teile der Unionsfraktion dagegen sind hinter vorgehaltener Hand seit langem der Meinung, dass Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung nicht zu verantworten sind - angesichts der öffentlichen Schulden.

Barthle also wollte eine Brücke schlagen, um den Plänen der eigenen Koalitionsspitze eine Grundlage zu geben. Zumal er weiß, dass die schwarz-gelbe Koalition im Bundesrat viele Vorschläge machen kann, ohne Zustimmung der SPD aber keinen einzigen solchen Vorschlag mehr durchbringen wird. So gesehen, war das Lob von SPD-Chef Sigmar Gabriel für Barthles Idee in der Sache durchaus bezweckt, eine höhere Belastung für Reiche kann die SPD kaum ablehnen. Im Streit mit Seehofer und anderen dagegen hat es Barthle zusätzlich geschadet.

Auch deshalb möchte er die Debatte jetzt nicht weiter befeuern und hofft darauf, dass laufende Berechnungen im Bundesfinanzministerium seiner Idee nach der Sommerpause neuen Auftrieb geben. Denn auch wenn er zumeist leise auftritt, uneitel ist der ehemalige Gymnasiallehrer für Deutsch und Sport keineswegs.

Mancher in der Spitze der Unionsfraktion wird gar den Verdacht nicht los, dass Barthle sich inzwischen durchaus vorstellen könnte, mal in ein wichtiges Ministeramt aufzurücken. Dazu passt, dass der Schwabe mit Genugtuung registriert hat, dass wichtige Christdemokraten bis hinauf zu Fraktionschef Volker Kauder und Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Idee nicht rundweg abgelehnt haben.

Das schützt ihn nicht davor, dass auch diese beiden sie am Ende wohl verwerfen dürften. Zu heftig ist der Widerstand, vor allem aus Bayern. Für Barthle könnte das immer noch ganz gut enden. Auch wenn er sich nicht durchsetzt - was er in der jetzigen Lage für richtig hält, ist auch so bekannt geworden. Dass dabei der Widerstand reflexhafte Züge trägt, ärgert Barthle besonders.

Zu sehr sollte er sich aber nicht aufregen. Auch seine Einwürfe zum Schutze des Bundeshaushalts tragen mitunter reflexhafte Züge. Das jedenfalls erzählen jene, die ihn regelmäßig im Fraktionsvorstand erleben. Der Mann mag ein stillerer Zeitgenosse sein. Streiten kann er trotzdem.

© SZ vom 04.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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