CDU-Größen gegen Merkel:Von allen guten Geistern verlassen

Ein US-Magazin hält Angela Merkel für die mächtigste Frau der Welt, dabei schwimmen der Kanzlerin gerade die Felle weg: Die Wähler vertrauen ihr immer weniger, eine Parteivize torpediert sie mit unausgegorenen Vorschlägen, das Staatsoberhaupt lässt sie im Euro-Regen stehen und ein Altkanzler spricht ihr jeden Kompass in der Außenpolitik ab. Ist Merkels Kanzlerschaft in Gefahr?

Thorsten Denkler, Berlin

Nicht mal mehr Wolfgang Bosbach will ihr die Stange halten. Nicht mal der. Bosbach gehört zu denen in der CDU, die nicht mal eben, wegen ein bisschen Bauchgrummeln, an der eigenen Regierung herummäkeln. Bosbach ist eine treue Seele, einer aus der Mitte der Fraktion, Innenpolitiker, wie die meisten kein Finanzfachmann. Das alles macht Bosbach zu einem guten Seismographen für die Stimmung in der Fraktion. Behält ein bekennender Konservativer wie er seine rheinische Fröhlichkeit, dann ist noch alles im Lot.

Jetzt aber ist es vorerst vorbei mit dem Frohsinn. Wie viele andere in der Partei schmeckt Bosbach nicht, wie Merkel die Euro-Krise angeht. Mehr als drei Stunden hatte die Kanzlerin am Dienstagabend versucht, die Fraktion zu überzeugen, hatte den ganz großen Bogen gespannt: Europa als Schicksalsgemeinschaft, ohne die es für Deutschland keine Zukunft gebe. Sie soll dabei neue Töne angeschlagen haben, engagierter, emotionaler. Geholfen hat es wenig.

Am Morgen danach meldet das US-Wirtschaftsmagazin Forbes zwar, Merkel zur mächtigsten Frau der Welt gekürt zu haben. Innenpolitiker Bosbach interessiert das aber nicht. Im Deutschlandradio, dem Flurfunk des politischen Berlins, sagt er: "Wir sind mit großen Schritten auf dem Weg in eine Vergemeinschaftung von Schulden, und das wäre das Gegenteil von dem, was wir den Menschen bei der Einführung des Euro versprochen haben." Für ihn ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit seinen Wählern gegenüber: "Auf meinen Wahlplakaten hat nur ein Wort gestanden, nämlich geradeaus. Ich habe nicht Zickzack draufgeschrieben."

Merkel ist auf Zickzackkurs. Und niemand scheint sie im Moment auf den rechten Weg zurückbringen zu können.

In Umfragen verliert die einstige Beliebtheitskönigin seit Monaten an Zustimmung. 55 Prozent der Bürger glauben laut dem ARD-Deutschlandtrend nicht, dass die deutsche Regierung und damit Merkel die Entwicklung einer neuen umfassenden Wirtschafts- und Finanzkrise verhindern kann. 20 Prozent haben in der Frage gar kein Vertrauen mehr in die Kanzlerin.

Bislang hat die Parteichefin in schweren Zeiten immer Unterstützung von den Großen in der Union erhalten. Damit scheint es nun vorbei zu sein. Und was noch schlimmer ist: Es sind nicht mehr die üblichen Verdächtigen, die aus der zweiten und dritten Reihe der CDU Angela Merkel das Leben schwermachen.

Alle gegen Merkel

Da ist zum Beispiel ihre Stellvertreterin im Parteivorsitz, Ursula von der Leyen. Auch sie ist keine Finanzexpertin, sitzt aber in jener Parteikommission, die für den CDU-Parteitag im November ein Beschlusspapier zum Thema Euro-Rettung vorbereiten soll. Wenige Stunden vor der Sondersitzung der Fraktion mit Merkel überrascht sie die Kanzlerin mit dem Vorschlag, Gold und Unternehmensanteile der Schulden-Staaten als Sicherheiten für die Kredit-Hilfen zu verlangen.

Merkel kassiert den reichlich unausgegorenen Vorschlag sofort wieder ein. Bei den Finanzlaien in der CDU aber kommt er gut an: Gold-Sicherheiten für Kredite aus dem deutschen Steuertopf - das ließe sich im Wahlkreis ganz gut verkaufen.

Von der Leyen wird das genützt haben. Ihr wird eh nachgesagt, mindestens mit einem Auge auf Merkels Sessel im Kanzleramt zu schielen. Mit ihrem Vorschlag nimmt sie geschickt die miese Stimmung in der Fraktion auf. Die Parlamentarier der Union fühlen sich ohnehin schon entmachtet - gerade in der Euro-Krise. Kritische Anmerkungen sind nicht erwünscht. "Wer nachfragt, wird sofort als schlechter Europäer hingestellt, weil er den europäischen Einigungsprozess gefährde", beschwert sich Bosbach.

Sogar der höchste Mann im Staat, Bundespräsident Christian Wulff, kritisiert Merkel. Vor Nobelpreisträgern und anderen Koryphäen tadelte er die Europäische Zentralbank dafür, in großem Maßstab Staatsanleihen von Schulden-Staaten gekauft zu haben. Die Kritik trifft auch Merkel, die diesen Schritt mitgetragen hat.

Gerade ist was los

Und jetzt auch noch Altkanzler Helmut Kohl, der Gottvater aller CDU-Konservativen. Merkels Namen nimmt er in dem Interview mit dem wissenschaftlichen Fachblatt Internationale Politik nicht in den Mund. Aber wenn er dort mit Blick auf die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Libyen-Frage von einem fehlenden Kompass in der deutschen Außenpolitik spricht, von mangelnder Kontinuität und nicht erkennbarer Berechenbarkeit, ist klar, wen er meint: Merkel und ihren glücklosen Außenminister von der FDP, Guido Westerwelle.

Merkels Replik wirkt hilflos, wenn sie versucht, Kohls Breitseite mit den "spezifischen Herausforderungen" dieser Zeit zu kontern, und damit, dass die christlich-liberale Bundesregierung daran arbeite, diese Herausforderungen "entschlossen zu meistern".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, ist nicht gewillt, Kohls Kritik einfach so vom Tisch zu wischen: Kohl mache sich einfach Sorgen um die Union. Geradezu verschwörerisch klingt es, wenn Mißfelder sagt, in der Partei sei "gerade etwas los". Bei den Parteimitgliedern, sagt Mißfelder, gebe es viele Fragezeichen, was den politischen Kurs angehe.

Noch ist die CDU eine Kanzlerpartei. Wer ganz oben steht, bekommt nahezu uneingeschränkte Unterstützung, sobald es bei Abstimmungen zum Schwur kommt. Bis zum bitteren Ende. Das hat zuletzt Kohl erlebt, der die Wahl 1998 noch für die CDU bestreiten durfte, obwohl alle wussten, dass sie mit ihm nicht mehr zu gewinnen sein würde.

Wenn aber die Kritik weiter so heftig auf Merkel einprasselt, könnte es passieren, dass die Union erstmals mit diesem Prinzip bricht. Merkels Kanzlerschaft ist dann ernsthaft in Gefahr.

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