Süddeutsche Zeitung

CDU: Generalsekretär Pofalla:Einer ist immer schuld

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Ronald Pofalla soll für Angela Merkel den Wahlkampf organisieren. Der Start war so holprig, dass nun alle in der CDU über den Generalsekretär maulen.

Stefan Braun

Oben auf der Bühne steht die Frau, der Star dieser Veranstaltung, und will loslegen. Immer wieder aber wird sie von Jubelschreien daran gehindert.

Am Anfang schaut sie grimmig drein, dann genießt sie den Lärm, am Ende hat sich ein Lächeln auf ihr Gesicht geschlichen. Zu hören ist ein Popstar-Gekreische wie bei Britney Spears oder Penélope Cruz. Doch zu sehen ist Angela Merkel.

Tausend Mitglieder der Jungen Union haben sich im Sony-Center am Potsdamer Platz versammelt, aus allen Bundesländern sind sie nach Berlin gereist, um an einem Sonntagabend im Mai die Kanzlerin und den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in den Europawahlkampf zu tragen.

Die Teenies aus Friedrichshafen, Köln oder Paderborn wollen feiern, sie kennen die moderne Heldenverehrung. Dieser Auftritt soll als Fest zelebriert werden. Und damit gelingt dem CDU-Nachwuchs - halb inszeniert, halb ehrlich - genau das, wonach sich die gesamte CDU seit langem sehnt: ein kollektives Freudenerlebnis. Jugendliche Spötter lästern schon, es hätte halt die Truppe von JU-Chef Mißfelder gebraucht, um das auf die Beine zu stellen.

Derjenige dagegen, der dafür qua Amt zuständig wäre, muss kämpfen, um überhaupt die Bühne zu erreichen. Beim Einzug schiebt und drückt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla mit Händen und Füßen, um sich zu schützen. Andernfalls würde er zwischen Bodyguards und Kameraleuten glatt untergehen. Während vorn Merkel und Sarkozy händeschüttelnd die Arena durchschreiten, ist Pofalla mehr schlecht als recht bemüht, Anschluss zu finden. Da gibt's kein Lachen und keine freundlichen Worte. Es zählt jeder Meter, es wird gerempelt und gestoßen, Pofalla muss aufpassen, nicht zu stolpern oder verletzt zu werden.

So ist sie, die aktuelle Lage dieses Ronald Pofalla, der am vergangenen Freitag 50 wurde. Die CDU ist holprig ins Super-Wahljahr gestartet. Die Steuerdebatte verunsichert seit Wochen die eigenen Leute, die Umfragewerte sind nicht so, dass die CDU-Funktionäre draußen sich des Sieges sicher sein könnten. Die späte Präsentation des Wahlprogramms heizt öffentliche Diskussionen eher an statt sie zu bremsen. Und wo immer sich derzeit Funktionäre der Partei zusammenfinden, wird gelästert und gemault über diesen Pofalla, der inzwischen einfach an allem schuld ist. Selbst wenn es nur regnet.

Das war so, als die Landesgruppenchefs kürzlich bei der Kanzlerin waren, es wiederholte sich beim Besuch der Jungen Gruppe bei Merkel, es bricht besonders laut auf, wenn aus Berlin keiner dabei ist - so, wie vor wenigen Wochen in der CDU-Landtagsfraktion in Stuttgart. Immer wieder werden die "mangelnde Wucht" und eine "unklare Linie" gegeißelt. Und abgeladen wird das vor Pofallas Haustür. "Er ist zum Sündenbock für alles geworden", sagt ein Mitglied der Parteispitze. Blitzableiter wäre der noch bessere Ausdruck.

Denn auch wer an Merkel zweifelt, kühlt an Pofalla sein Mütchen. Das geht so weit, dass selbst Wahlkampf-Mitstreiter ihn genüsslich provozieren. So startete CSU-Mann Markus Söder kürzlich eine interne Besprechung mit der Botschaft, man könne ja über vieles reden, aber mit Zugeständnissen brauche Pofalla nicht zu rechnen. Wer den Schaden hat, muss sich um weiteren Ärger nicht mehr sorgen.

Pofalla, der seit 2005 das Konrad-Adenauer-Haus leitet, ist zum Prügelknaben geworden. Das ist er ein bisschen zu unrecht, weil Pofalla ohne Merkel nicht vorstellbar wäre. Merkel hat in ihren neun Jahren an der Parteispitze bereits den vierten Generalsekretär; Pofalla aber steht ihr mit Abstand am nächsten. Die beiden kennen sich seit Merkels Start in die Politik. Als sie 1991 Frauenministerin wurde, kam er in den Familienausschuss des Bundestages, als liberale CDU-Politiker wurden sie bald Partner. Und das hatte auch mit Pofallas engem Freund Peter Hintze zu tun.

Der spätere CDU-General unter Kohl wurde 1991 Merkels erster Staatssekretär und brachte ihr in dieser Zeit die bundesdeutsche Politik nahe. Zwischen den dreien wuchs ein Bündnis heran, das sich in Merkels letzten Oppositionsjahren voll entfalten konnte. Damals waren es nicht ihre starken Stellvertreter in der Fraktion wie Wolfgang Schäuble, Friedrich Merz, Horst Seehofer oder Wolfgang Bosbach, mit denen Merkel ihre Strategie durchdachte. Es waren Hintze, Pofalla und einige andere, mit denen sie in vertrauter Runde Entscheidungen fällte.

"Es gibt keine Mannschaft der wichtigsten Köpfe", klagt einer aus der Parteispitze, "weder die Bundesminister noch die Partei-Stellvertreter bilden einen Kreis, der strategisch nachdenken könnte." Statt dessen kann man Pofalla und Merkel an besonders schweren wie schönen Tagen bei einem Italiener sitzen sehen und beratschlagen. So sind es die beiden, ergänzt durch Fraktionschef Volker Kauder, die den CDU-Wahlkampf ausgeklügelt haben. Das heißt vor allem: Sie haben der Partei den Spagat aufgezwungen, Steuersenkungen, die sie vor einem Jahr zum Schutze des Haushalts noch ablehnten, heute, in schwersten Zeiten, zum Wahlkampfschlager zu erheben.

Und doch sitzt Pofalla auch selbst verschuldet im Loch dieser Tage. Eine Pressekonferenz vor einer Woche illustriert das. Gerade hat Merkel im CDU-Präsidium erklärt, dass sie im Wahlkampf Steuerentlastungen zusagen werde - kombiniert mit der Botschaft, erst bei wirtschaftlichem Wachstum damit anzufangen. Bei Pofalla dagegen heißt es, es herrsche Einigkeit über die versprochene Entlastung. Der zweite Teil der Botschaft bleibt unerwähnt - und die Bedenken der auf die Haushalte schauenden Ministerpräsidenten bleiben unberücksichtigt.

Für einen grünen Radweg und ein Beuys-Museum

Pofalla will entschlossen wirken und merkt nicht, dass wichtige Nuancen dabei verschwinden. Der größtmögliche Schaden folgt: Die Debatte geht weiter.

Das ist im Übrigen keine neue Entwicklung. Pofalla ist schon länger als leidenschaftlicher Taktierer berüchtigt. Aber mittlerweile erinnert er zunehmend an einen Fußballspieler, der mit seinen Dribblings alle schwindelig spielt, sich selbst eingeschlossen. Im unbedingten Streben nach dem Machterhalt ist ihm die Orientierung abhanden gekommen.

Dabei hat es schon mal einen ganz anderen Ronald Pofalla gegeben. Den, der 1975 mit langen Haaren und Baskenmütze in die CDU eintrat. Der in seiner Heimat für einen grünen Radweg, eine kritische Politik gegenüber dem Landadel und ein Joseph-Beuys-Museum kämpfte, als all das in der CDU nicht eben beliebt war. Der nachdenklich war und auch mal selbstkritisch. Und der vor und nach dem Wahltag 2005 mit größter Leidenschaft für eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen warb. Das hielt er für das eigentliche Bündnis der Zukunft. Er tat das mit allem Für und Wider, bis die große Koalition für Merkel die letzte Überlebenschance wurde.

Seither dribbelt Pofalla. Ein wichtiger Mitarbeiter Merkels aus dem Kanzleramt sagt, sein Problem sei, dass er die "Kunst der kontrollierten Distanz" zum eigenen Tun nicht beherrsche. Nicht mehr, könnte man hinzufügen.

Andere allerdings kommen inzwischen zu einem deutlich schärferen Urteil. Mit seinen Dribblings schieße er nicht nur keine Tore. "Er wird zur Personifizierung der Unzufriedenheit", sagt einer, der zu den Mächtigsten zählt im System Merkel, "und das wird gefährlich."

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SZ vom 19.05.2009/gba
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