Süddeutsche Zeitung

CDU:Geduldsspiel in gespannter Bereitschaft

Friedrich Merz und Jens Spahn lassen sich keine Kandidatur-Pläne entlocken. Merz verblüfft sogar mit einem Lob für Merkel.

Von Clara Lipkowski und Jens Schneider, Berlin

Es ist ein Scherz, über den man hinterher sagen muss, Friedrich Merz wollte ihn sich wohl nicht verkneifen. Im "Ballsaal" an der Berliner Chausseestraße kommt der CDU-Politiker damit an, draußen mag das anders sein. Mit heiterem Blick erinnert er an vergangenen Montag, als das Tief Sabine das Land erschütterte und zugleich Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug ankündigte - jene Frau, gegen die er Ende 2018 den Kampf um die CDU-Spitze verlor. Er sagt, es sei "übrigens reiner Zufall, dass die Tiefs im Augenblick Frauennamen tragen". In diesem Jahr hießen die Männer nach Hochs, die Frauen nach Tiefs. Das wechsele jedes Jahr. "Ja, das müssen Sie wissen, das lässt keine politischen Assoziationen zu."

Seit diesem Montag weiß die CDU, dass sie eine neue Führung suchen muss. Einer der möglichen Kandidaten hält bisher nach außen ganz still, Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Merz möchte das auch gern, aber anderseits drängt es ihn nach vorn. So wirkt es an diesem Abend, wo er vom Moderator sieben Mal, von Merz selbst mitgezählt, nach seiner Kandidatur für die CDU-Spitze und das Kanzleramt gefragt wird. Sieben Mal weicht Merz auf eine Art aus, die nach Zustimmung klingt: Er sei bereit.

Aus seinem Umfeld weiß man, dass er will. Der Termin im Ballhaus war schon seit Monaten verabredet, er soll zur Frage "Was nun Deutschland?" reden. Auf alle Nachfragen zur Kandidatur bittet er um Geduld. Die CDU brauche einige Tage. Man werde miteinander sprechen. Die Anwärter sind in Kontakt. Für kommende Woche ist Merz mit der Parteichefin verabredet, sie will die Nachfolger-Suche moderieren. Noch vor der Sommerpause werde es ein Ergebnis geben, meint Merz.

Friedrich Merz verblüfft mit einem dicken Lob für Kanzlerin Merkel

Ihm wird aus Parteikreisen oft zu viel Eigensinn nachgesagt. An diesem Abend betont er oft, dass er sich als Teil eines Ganzen sehen will. Es gehe um die CDU, die in einer ähnlichen Gefährdungslage sei wie die SPD. Die Partei liege weit unter ihrem Potenzial, "und das müssen wir gemeinsam ausschöpfen", fordert er, und fügt an: "Ich sage: wir - nicht: ich."

Merz verblüfft auch mit Bekenntnissen, die nicht zum Bild des scharfen Kritikers von außen passen, gegen das er nun ankämpfen will. Er hat in den letzten Jahren so oft scharfe Kritik an Angela Merkel geäußert, mit deren Aufstieg seine Karriere in der Politik abbrach. Er sagt auch an diesem Abend Kritisches, aber stellt eine Art Kontinuität her. Die 15 Jahre unter der Kanzlerin seien gute Jahre für Deutschland gewesen. Er lobt Merkels Nervenstärke, ihre Uneitelkeit und ihr Management der Finanzkrise. Sie sei für ihn "ein Stück Vorbild". Darüber dürfte auch sie staunen. Auch Jens Spahn, der Gesundheitsminister, 2018 im Wettstreit um die CDU-Spitze der Drittplatzierte, spricht nicht offen von einer Kandidatur, aber eben - wie oft schon - von der Bereitschaft zu helfen. Am Donnerstagabend wird im Kongresszentrum am Pariser Platz, zwischen Brandenburger Tor und Hotel Adlon, der "Politikaward" verliehen. Den haben zuletzt Annalena Baerbock und Robert Habeck bekommen, in der Kategorie "Politiker des Jahres", nun geht er an Spahn.

Gegen halb neun betritt Edmund Stoiber die Bühne, um seine Laudatio zu halten. Beide kennen sich gut. Spahn und sein Mann Daniel Funke pflegen eine Freundschaft zum Ehepaar Stoiber. Und jetzt ist es Stoiber, der Spahn unterstützt, er lobt dessen "notwendigen Machtwillen, um gestalten zu können". Andrea Nahles, sagt Stoiber, sei auch mal Politikerin des Jahres geworden, habe sich aber zurückgezogen. "Das wird dir nicht passieren." Stoiber attestiert ihm, dass er Kanzler könne: "Ich bin gespannt, was wir in den nächsten Jahren von ihm sehen werden." Spahn scheint sich damit nicht unwohl zu fühlen, er lächelt schon sehr zufrieden.

Ja, er sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagt er in der Dankesrede. "In welcher Konstellation genau, das besprechen wir jetzt." Auch er lässt sich Neues nicht entlocken. Spahn sagt, dass viele Menschen der CDU, auch wegen Thüringen, nicht mehr vertrauten. Und viele interessiere nicht, wer Parteichef sei oder Bundesgesundheitsminister. Er habe zuletzt eine Reihe von Terminen in Krankenhäusern mit Pflegekräften gehabt und den Eindruck gewonnen: "Deren Hauptthema ist: Habt ihr eigentlich eine Idee davon, wie es bei uns im Alltag ist?"

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SZ vom 15.02.2020
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