CDU:Die Machtoption von Friedrich Merz

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Seltene Begegnung: Mit der früheren CDU-Chefin Angela Merkel treffe er sich nicht regelmäßig, sagt Friedrich Merz. (Foto: Political-Moments/Imago)

Der CDU-Chef wirft den Grünen vor, auf einem "hohen moralischen Ross" zu sitzen. Eine Zusammenarbeit schließt er aber genauso wenig aus wie seine Kanzlerkandidatur.

Von Boris Herrmann, Nicolas Richter und Robert Roßmann, Berlin

Die Grünen erleben schwierige Wochen, ihre Reformpläne für klimafreundliches Heizen lösen breite Verunsicherung sowie Streit in der Koalition aus. Grundsätzliche Kritik kommt auch vom Oppositionschef. "Die Grünen müssen vor allem von ihrem hohen moralischen Ross herunterkommen", sagt Friedrich Merz, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Sie glauben, dass nur der Weg, den sie uns allen von oben herab vorschreiben wollen, der einzig richtige ist."

Allerdings sind die Grünen, die Merz so rügt, auch ein möglicher Partner in der Zukunft: Sollte die Union bei der Bundestagswahl 2025 stärkste Kraft werden, was Umfragen derzeit nahelegen, könnte sie zusammen mit den Grünen eine Koalition bilden - mit Friedrich Merz als Kanzler. Wohl auch deswegen bezieht Merz seine Kritik an den Grünen ausdrücklich auf die Gegenwart. "So, wie sie sich heute präsentieren, ist auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen im Bund nicht möglich", sagt der CDU-Vorsitzende.

"Die Gesprächsatmosphäre mit den Grünen ist in der Sache kritisch, aber im Umgang sehr anständig."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Chef der bayerischen Schwesterpartei CSU, greift die Grünen im Landtagswahlkampf dagegen so heftig an, dass eine Zusammenarbeit beider Parteien kaum vorstellbar ist. "Aus bayerischer Sicht ist seine Strategie völlig richtig. Er braucht die Grünen nicht", sagt Merz über diese Auseinandersetzung. Damit hält er sich eine Zusammenarbeit mit den Grünen auf Bundesebene aber durchaus offen, er berichtet sogar von gegenseitigem Interesse. "Sie kommen zu uns und sagen: Können wir mal über Themen miteinander reden? Nicht über Zusammenarbeit, das steht nicht an, aber über Themen. Die Gesprächsatmosphäre mit den Grünen ist in der Sache kritisch, aber im Umgang sehr anständig." Die Grünen hätten "die Nase voll von der SPD".

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:"Ich will das nicht alleine machen"

Wie der CDU-Vorsitzende seine Partei im Teamwork reformieren will und sich gleichzeitig die eigene Kanzlerkandidatur offenhält, was er an Olaf Scholz schätzt und warum er sich mit dessen Vorgängerin nicht regelmäßig trifft.

Interview von Boris Herrmann, Nicolas Richter, Robert Roßmann; Fotos: Friedrich Bungert

Merz behauptet auch, dass er in Markus Söder keinen Konkurrenten im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union sieht. Auf die Frage, ob man aus Söders Umgang mit Grünen ableiten könne, dass der CSU-Chef keine Ambitionen im Bund mehr habe, entgegnet Merz: "Das brauche ich nicht abzuleiten, das hat er selbst gesagt."

Der bisherige Gesetzentwurf für klimafreundliches Heizen ist aus Sicht von Merz gänzlich misslungen. Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) müsse das "völlig verkorkste Gebäudeenergiegesetz" komplett zurückziehen und überarbeiten. Die Union setzt im Gegensatz zu den Grünen nicht auf ein Verbot neuer Gas- und Ölheizungen, sondern auf ein Anreizsystem, etwa durch Emissionshandel. Die Menschen würden dann von sich aus nach günstigeren Wärmequellen suchen. Auf die Frage aber, wie künftige Heizungskeller aussehen könnten, entgegnet Merz: "Das ist eine technologische Frage, die wir heute objektiv nicht beantworten können." Der CDU-Chef bekennt sich immerhin deutlich zu dem Ziel, dass Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein soll.

Für Merkel findet Merz nur knappe Worte

Das Gebäudeenergiegesetz hat in der vergangenen Woche die Ampelkoalition massiv belastet. Die FDP liegt mit ihren grundlegenden Einwänden näher bei der CDU als bei den Grünen. Liberale und Grüne werfen einander vor, sich nicht an Abmachungen zu halten. In Regierungskreisen geht man allerdings davon aus, das Gesetz noch vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen zu können.

Für die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) findet Merz nur knappe Worte. Zum Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das ihr jüngst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehen worden ist, will Merz ihr ausdrücklich nicht persönlich gratulieren. Es gebe mit Merkel keine regelmäßigen Treffen, bei den seltenen Begegnungen sei man "freundlich miteinander", sagt Merz. Es sei kein Problem für die Union, dass Merkel mit ihrer Ausstrahlung nun fehle. "Ausstrahlung und Wärme sind nur ein Teil des Bildes - Kompetenz und eine gute Mannschaft sind mindestens genauso wichtig", sagt der CDU-Chef.

Viele Grüne haben Vorbehalte gegen Merz und sind eher für NRW-Ministerpräsident Wüst

Dem amtierenden Kanzler wirft er Führungsschwäche vor. "Wenn ich die Unionsfraktion und die CDU so führen würde wie Olaf Scholz die Bundesregierung, dann lägen wir in den Umfragen nicht bei 30 Prozent", sagt Merz. Auch Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt gelinge es offenbar nicht, "dass der Laden zusammenbleibt".

Das führt natürlich zur Frage, ob es tatsächlich weniger Streit gäbe, wenn Merz eine Koalition mit den Grünen führen würde. In großen Teilen der Grünen gibt es Vorbehalte gegen Merz. Besser geeignet sei der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, der bereits auf Landesebene mit den Grünen koaliert. Merz sagt dazu: "Das entscheiden nicht die Grünen, sondern wir." Eine Kooperation zwischen Merz und den Grünen, sollte sie je zustande kommen, wäre also gewiss nicht spannungsfrei.

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