Süddeutsche Zeitung

Union nach der Europawahl:AKK - Parteichefin auf Bewährung

Die Europawahl war die erste große Bewährungsprobe für die neue CDU-Chefin. Das Ergebnis hat die Zweifel an Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Partei wachsen lassen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eines kann man Annegret Kramp-Karrenbauer wirklich nicht vorwerfen: Dass sie nicht mit vollem Einsatz für ein gutes Ergebnis ihrer Partei gekämpft hätte. Mehr als 25 Wahlkampfveranstaltungen hat die neue CDU-Chefin absolviert, zusätzlich zu all den üblichen Parteiterminen und unzähligen Fernsehauftritten. Dabei hatte sie sich zwischendurch eine schmerzhafte Augenentzündung eingefangen.

Das Pensum Kramp-Karrenbauers war so groß, dass sich die Wohlmeinenden in der Partei bereits Sorgen um sie machten. Schließlich stehen jetzt drei schwierige Landtagswahlkämpfe im Osten an, da braucht man eine gesunde Parteivorsitzende. Die weniger Wohlmeinenden wiesen darauf hin, dass Angela Merkel doch bewiesen hätte, dass die Kraft in der Ruhe liege - und weniger manchmal mehr wäre. Das könne man zum Beispiel an den Folgen des unüberlegten Umgangs Kramp-Karrenbauers mit den Anwürfen des Youtubers Rezo sehen.

Für Kramp-Karrenbauer war die Europawahl die erste große Bewährungsprobe als Parteivorsitzende. Wie Angela Merkel nach ihrer ersten Wahl zur CDU-Chefin im Jahr 2000 steht sie vor der Aufgabe, Zweiflern in der Partei zu beweisen, dass sie der Herausforderung gewachsen ist. Das Europawahl-Ergebnis vom Sonntag, so viel lässt sich schon jetzt sagen, hat die Skepsis nicht beseitigt. Daran ändert auch das gute Abschneiden der CDU in Bremen nichts.

Könnte sie eine Vorsitzende sein, die nicht selbst Regierungschefin wird?

Kramp-Karrenbauer ist in einer unangenehmen Lage, aus der sie sich nicht selbst befreien kann. Sie hat zwar die Wahl zur Parteivorsitzenden gewonnen. Und die Bundeskanzlerin hat angekündigt, längstens bis 2021 Regierungschefin bleiben zu wollen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird der Platz im Kanzleramt also freiwillig geräumt. Und doch gibt es für Kramp-Karrenbauer wegen der Vorgaben des Grundgesetzes und der politischen Lage keinen schnellen Weg an die Regierungsspitze. Die CDU-Chefin rackert sich ab, aber auf ihrem Weg ins Kanzleramt ist sie bisher keinen Schritt vorangekommen. Sie muss sich vorkommen wie ein Hamster im Rad.

Um die wegen des unklaren Machtübergangs nervös gewordene CDU zu beruhigen, musste die Parteichefin sogar öffentlich beteuern, dass sie nicht am Stuhl der Kanzlerin säge und sich wünsche, dass Merkel bis 2021 im Amt bleibt. Kramp-Karrenbauer sagt inzwischen, sie sehe ihre Hauptaufgabe darin, die CDU personell, programmatisch und organisatorisch nach vorne zu bringen, um für die Wahl im Jahr 2021 gut gewappnet zu sein. Andere haben am Zaun des Kanzleramts gerüttelt, Kramp-Karrenbauer erweckt eher den Eindruck, eine selbstlos Dienende zu sein.

Es gibt bereits die Ersten in der CDU, die unken, die Parteichefin könnte am Ende nur eine Vorsitzende sein, die den Übergang im Kanzleramt moderiert, aber nicht selbst Regierungschefin wird. Dazu tragen auch offenkundige Fehler Kramp-Karrenbauers bei.

In der Debatte um die Einführung einer CO₂-Steuer hat sie nicht glücklich agiert. Ihren Vorstoß für einen europäischen Flugzeugträger hat kaum einer für besonders hilfreich erachtet. Auch ihre Entscheidung für Paul Ziemiak als Generalsekretär wird zunehmend kritisch gesehen.

Kramp-Karrenbauer hatte nach ihrer Wahl Ziemiak ja nicht nur deshalb zu ihrem Generalsekretär erkoren, um jemand aus dem Lager der Anhänger von Friedrich Merz und Jens Spahn einzubinden. Ziemiak - er war bis dahin JU-Vorsitzender - sollte sich auch um jüngere Wähler und um eine Professionalisierung der Internet-Aktivitäten der CDU kümmern. Aber in den Debatten um die Fridays-for-Future-Bewegung, die Upload-Filter und die Youtuber machte die Union trotzdem fast alles falsch, was man falsch machen kann. Am Sonntag musste sie vor allem bei den jüngeren Wählern Einbrüche hinnehmen, bei den 18- bis 24-Jährigen kam sie nur noch auf elf Prozent.

Dabei waren CDU und CSU zum ersten Mal seit Jahren wirklich geschlossen angetreten. Bei der Europawahl 2014 hatten die Schwesterparteien noch auf gegensätzliche Strategien gesetzt. Die CDU glaubte, der AfD am besten beizukommen, indem sie die Rechtspopulisten einfach ignoriert und sich auf die Regierungsarbeit konzentriert. Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer meinte dagegen, die AfD mithilfe des EU-Kritikers Peter Gauweiler bekämpfen zu müssen. Seehofers Experiment ging grandios schief. Und die Union insgesamt stürzte damals auf 35,3 Prozent ab, ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl.

Kramp-Karrenbauer hatte am Sonntag also den Vorteil, nur das schlechte Ergebnis von 2014 - und das noch schlechtere Ergebnis der Bundestagswahl von 2017 - als Messlatte zu haben. Und sie profitierte von der neuen Einigkeit im Unionslager. In der CDU-Zentrale hatten sie deshalb bis zuletzt gehofft, mit einem blauen Auge davonzukommen. Doch das Abrutschen der Union unter die 30-Prozent-Marke macht all diese Hoffnungen zunichte.

In der CDU werden jetzt sehr grundsätzliche Debatten beginnen. Auch die Forderungen nach einem Austausch von CDU-Ministern wie Anja Karliczek oder Peter Altmaier dürften lauter werden. Das gilt umso mehr, als es der CSU in Bayern gelungen ist, ihr Ergebnis von 2014 zu verbessern, während die CDU im Rest Deutschlands klar verloren hat. Auf das Bundesgebiet gerechnet kommen die Christdemokraten nur noch auf etwa 22 Prozent.

Einen Fingerzeig auf das, was jetzt nötig sein wird, gab Kramp-Karrenbauer bereits am Sonntagabend bei einem gemeinsamen Auftritt mit Manfred Weber und CSU-Chef Markus Söder in der CDU-Zentrale. Sie beklagte eine mangelnde "Dynamik" im "Regierungshandeln". CDU und CSU wollen sich jetzt mehr um den Klimaschutz bemühen und die Grünen stärker in den Fokus nehmen.

Bei dem Auftritt ersparte es Söder der CDU-Chefin übrigens nicht, darauf hinzuweisen, dass die CSU mit etwa 40 Prozent in Bayern eine "Trendwende" erreicht und damit wesentlich besser als die CDU abgeschnitten habe. Am 2. und 3. Juni kommt der CDU-Vorstand zu einer Klausurtagung zusammen, um über Konsequenzen zu beraten. Es dürften für Kramp-Karrenbauer keine einfachen Tage werden.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2019/segi
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