Eigentlich könnte der Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel ziemlich egal sein, ob sich rechts von ihrer Partei eine neue Kraft etabliert. Die jüngsten Umfragen für die Union sind so schlecht nicht, alle satt über 30 Prozent. Gegen Merkel wird man zumindest im Bund so schnell nicht regieren können. Vor allem dann nicht, wenn mit FDP und AfD zur Bundestagswahl 2017 zwei weitere Klein-Parteien in den Bundestag einziehen sollten. Die Frage wäre nur, ob es weitergeht mit einer noch weiter geschrumpften SPD. Oder ob sie die Grünen und/oder die FDP für eine Regierungsbildung braucht. Merkel jedenfalls kann - so sie denn will - in fast jedem Fall Kanzlerin bleiben.
Merkel besetzt die Mitte breit und fest wie niemand vor ihr. Das war Absicht. Sie hat die CDU mit Beginn ihrer Kanzlerschaft durchmodernisiert, manche sagen sozialdemokratisiert. Elterngeld, Ausstieg aus der Atomenergie, Aussetzen der Wehrplicht, weitgehende Gleichstellung der Homo-Ehe. Und jetzt auch noch ein offenes Herz für Flüchtlinge. Die Frau ist der Albtraum der Sozialdemokraten.
Zumal sie auch noch als Person das bessere Angebot zu sein scheint. Merkel mag keine Visionen haben, mag nur Schritt-für-Schritt-Politik machen - aber die Leute vertrauen ihr. SPD-Chef Sigmar Gabriel vertrauen sie nicht. Manche sagen, die CDU und Merkel persönlich hätten doch an Zustimmung verloren. Stimmt. Aber gemessen daran, wie sehr die Debatten um die Flüchtlinge in den vergangenen Monaten das Land aufgewühlt haben, ist das alles ein Klacks.
Aus heutiger Sicht ist sogar Helmut Kohl ein Hardliner
Wäre da nicht die AfD. Die Sympathisanten dieser rechtspopulistischen Wünsch-Dir-was-Truppe mit dem verfassungsfeindlichen Grundsatzprogramm kommen aus allen Frust-Ecken der Republik. Darunter eben auch enttäuschte CDU-Leute. Die haben sich früher bei CDU-Hardlinern wie Manfred Kanther oder Roland Koch untergestellt. Im Zweifelsfall auch bei Friedrich Merz.
Aus heutiger Sicht ist sogar Helmut Kohl ein Hardliner. Die CSU war damals so weit rechts, dass kaum noch ein Blatt zwischen ihr und den Republikanern passte. Undenkbar heute, dass ein bayerischer Ministerpräsident auf die Frage, was er denn mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten gemeinsam habe, unwidersprochen antworten könnte: "Die nationale Gesinnung." Das war Franz-Josef Strauß. Und neben ihm saß der stramm konservative Ministerpräsidenten-Kollege aus dem Norden, Ernst Albrecht.
Viele Menschen scheinen in dieser alten, miefigen Bundesrepublik stehen geblieben zu sein. Was übrigens keine Frage des Alters ist. Die AfD haben im März erstaunlich viele junge Menschen gewählt.
Über Jahre hinweg hat niemand so richtig wahrgenommen, was sich da zusammenbraut. Die Gruppe der Nichtwähler wurde immer größer. Die Linke hat ein paar Protestwähler herauslösen können aus dem Nichtwählerlager. Später die Piraten, obwohl sie nur nerdige Netzthemen zu bieten hatten.
AfD - Sammelbecken der unzufriedenen und dauerenttäuschten Rechthaber
Und jetzt eben die AfD, die gar nicht mehr sein will als ein Sammelbecken der unzufriedenen und dauerenttäuschten Rechthaber. Da fühlen sich plötzlich viele derer gut aufgehoben, die weder in der Linken noch in den Piraten eine politische Heimat gesehen haben. Und die wissen, dass sie mit ihrer Stimme für die AfD denen da oben mal so richtig eins auswischen können.
Merkels Fehler, der Fehler aller Parteiführer, war, dass sie unterschätzt haben, welche Sprengkraft in der Gruppe der Nichtwähler liegt. Von denen haben ja viele einst mal eine der etablierten Parteien gewählt, vor allem CDU und FDP.
Merkel hat ihre CDU so derart auf Mitte gebügelt, dass da, wo heute Mitte ist, nur noch CDU ist. Die Mitte ist nicht mehr umkämpft. Sie wird nicht mal von links, mal von rechts umworben.
Die Sozialdemokraten haben da kaum noch etwas zu melden. Ihnen brechen ihre klassischen Wählerschichten weg, denn die Deindustrialisierung ist weit fortgeschritten. Die Digitalisierung der Welt läuft. In dieser Welt aber sind Gewerkschafter und Arbeiterführer Fremdkörper.
Sinn- und nutzloses Kraftmeiern von Horst Seehofer
Würde die SPD versuchen, den rechten Rand abzudecken, der Spagat wäre tödlich. Das kann nur die CDU. Dafür aber müsste sie der SPD wieder Luft zum Atmen geben. Sie müsste Persönlichkeiten nach vorne stellen, die mit ihrer konservativen Grundhaltung Gehör finden in der Partei. Innenminister Thomas de Mazière versucht das hin und wieder. Aber zum einen traut er sich dann doch nicht weit genug heraus. Und Merkel lässt ihn auch nicht zu weit gehen.
Stattdessen versucht Bayerns Landeschef Horst Seehofer Merkel von rechts Dampf zu machen. Der Irre von der Isar aber hat bei Merkel sämtlichen Kredit verspielt. Sein sinn- und nutzloses Kraftmeiern für eine Obergrenze von Flüchtlingen mag ihm ein paar Prozentpunkte in Bayern gesichert haben. Seine Niederlage gegen Merkel in der Sache aber ist zu deutlich, als dass noch jemand erzittern würde vor Ehrfurcht wenn er im Kanzleramt zu Besprechung vorfährt.
Um der politischen Hygiene willen wäre es gut, wenn Merkel versuchen würde, die AfD klein zu halten. Sie wird das aber nicht unter Aufgabe ihres bisherigen Kurses tun, den ja nach wie vor deutlich über 30 Prozent der Wähler unterstützen. Aber sie wird in der CDU zumindest dunklere Farben zulassen müssen. Keine Brauntöne, das nicht. Aber etwas mehr Schwarz. Und etwas weniger von dem Reihenhaus-Orange, mit dem die CDU sich seit einigen Jahren präsentiert. So könnte sie die AfD überflüssig machen. Zum Wohle der Demokratie. Und dennoch erstmal stärkste Kraft bleiben. Ein Versuch wäre es wert.
