Süddeutsche Zeitung

CDU:Die AKK-Frage

Als CDU-Chefin gebührt Kramp-Karrenbauer eigentlich das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Doch ihre Kritiker sind zahlreich. Jetzt bringt die JU eine Urwahl ins Gespräch.

Von Peter Burghardt, Claudia Henzler, Boris Herrmann, Susanne Höll, Christian Wernicke, Berlin

Auf ihrer Weltreise als Bundesverteidigungsministerin hat Annegret Kramp-Karrenbauer in dieser Woche auch einen Tag in Berlin verbracht. Es war ein kurzer Stopp zwischen den Truppenbesuchen in Niger und Mali sowie ihrer Baltikum-Tour durch Estland, Lettland und Litauen - einmal den Koffer wechseln, die wüstentaugliche Funktionskleidung gegen die Winterjacke tauschen, schon war sie wieder weg. Viel Zeit blieb da nicht, um in der Heimat eine Debatte einzufangen, die für die Berufsziele Kramp-Karrenbauers allmählich bedrohliche Ausmaße annimmt. Nicht einmal mehr in ihrer eigenen Partei scheint man ihr zuzutrauen, dass sie eine geeignete Kanzlerkandidatin wäre.

Kramp-Karrenbauer hat im Juli auch deshalb das Verteidigungsressort übernommen, weil sie sich eine bessere strategische Ausgangsposition im Rennen um die Spitzenkandidatur versprach. Jetzt sieht es eher so aus, als habe sie damit ihre Position noch einmal zusätzlich verschlechtert. In Deutschland scheint gerade die entscheidende Phase rund um die K-Frage anzubrechen. Und AKK? Trifft in Kaunas Raimundas Karoblis. Das ist übrigens der Verteidigungsminister von Litauen.

Ihr Rivale Friedrich Merz soll beim JU-Treffen ein Grußwort sprechen - überraschenderweise

Als Vorsitzende der CDU sollte Kramp-Karrenbauer nach traditionellem Politikverständnis eigentlich das Erstzugriffsrecht auf die Kandidatur gebühren. Aber die Zahl derer, die sich hier der Traditionspflege verpflichtet sehen, scheint von Tag zu Tag zu schwinden. Die Junge Union (JU) zählt definitiv nicht dazu. Beim anstehenden Deutschlandtag in Saarbrücken will der Parteinachwuchs von CDU und CSU über die Forderung einer Urwahl für die Kanzlerkandidatur abstimmen. Das läuft unter dem Titel "Innerparteiliche Demokratie". Tatsächlich wäre es vor allem ein Misstrauensvotum gegen Kramp-Karrenbauer. Und ein Etappensieg für innerparteiliche Konkurrenten, zum Beispiel für Friedrich Merz. Der war ursprünglich nicht als Redner beim JU-Treffen vorgesehen. Nun soll er überraschenderweise doch ein Grußwort sprechen - und zwar noch vor der Abstimmung über die Urwahl.

Das passt in eine Reihe von kleinen Boshaftigkeiten gegenüber der Parteichefin, die von Kritikern aus dem eigenen Stall kommen. Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsident und inoffizielle Vorsitzende des Merz-Fanklubs, wäre hier zu nennen, dann natürlich Jens Spahn, der vor allem den aktuellen Gesundheitsminister für einen geeigneten Kanzlerkandidaten hält, und nicht zuletzt Tilman Kuban, der JU-Chef. Kuban, 32, wünscht Kramp-Karrenbauer, 57, mit Blick auf ihre Doppelrolle in Regierung und Partei zwar viel Glück. Dabei dürfte aber die Erneuerung der CDU nicht auf der Strecke bleiben, stänkerte er altväterlich in der FAZ: "Am Ende hat jeder Tag nur 24 Stunden." Es klang, als würde der Kellner der Köchin mal eben erklären, wie der Backofen funktioniert.

Und Kramp-Karrenbauer? Sie versucht offenbar, die Sache auszusitzen. Jede öffentliche Äußerung würde aus ihrer Sicht das Gerangel nur um eine weitere Runde verlängern. Viel mehr als dass sie sich auf "Sachthemen" konzentrieren wolle, ist ihr nicht zu entlocken. Vielleicht noch der dezente Hinweis, dass sie wohl nicht da stünde, wo sie heute stehe, nämlich an der Spitze der CDU, wenn sie nicht auch mit Zweiflern klarkäme. Aber die Taktik, sich möglichst windschnittig in den Gegenwind zu stellen, reicht das auch, um dahin zu kommen, wo sie hinwill: ins Kanzleramt? Wer sich umhört in der Partei, an der Basis, der vernimmt ein klares: Jein.

Das gilt etwa für den größten Landesverband, die NRW-CDU. Zwar gären auch dort Zweifel an der Parteichefin, etliche der JU-Kritiker, die jetzt Anträge für eine Urwahl gestellt haben, kommen aus NRW. Aber auf die Frage, wer denn die Alternative wäre zu AKK, gibt es keine einige Antwort. Sondern (mindestens) drei: Merz, der Favorit der Parteirechten, hat auch im eigenen Landesverband an Standing verloren. In wirtschaftsnahen Kreisen richten sich nun viele Augen auf Spahn. Insider aus Düsseldorf mutmaßen, dass der sich "in der Berliner Schlangengrube" zudem auf seinen Kumpel Paul Ziemiak, den Generalsekretär, verlassen könne. Dritter im Bunde der nur zum Schein verschämten Aspiranten aus NRW ist der Landeschef selbst. Armin Laschet hat sich von Kramp-Karrenbauer mehrmals distanziert. Bei einer Urwahl hätte der als (zu) liberal geltende Rheinländer aber kaum Chancen. Er spielt deshalb auf Zeit, hofft, dass Merkel bis 2021 bleibt - und sich AKK weiter verbraucht.

In Baden-Württemberg ist der Landesvorsitzende Thomas Strobl zwar gegen eine Urwahl, weil die der Partei angeblich nur eine "wochen- oder gar monatelange Selbstbeschäftigung" bringe. Innerhalb des Landesverbandes ist AKK aber umstritten, und zwar nicht nur bei Strobls Schwiegervater Schäuble. Nach schlechten Wahlergebnissen bei den Kommunalwahlen im Mai kam Kritik von der Basis. Steffen Kirsch, Kreisvorsitzender der CDU in Remseck am Neckar, hatte Kramp-Karrenbauer damals "massive Fehler in der Außendarstellung" vorgeworfen. Trotz einer freundlichen Antwort bleibt er mit der Arbeit der Parteispitze unzufrieden. Er spricht von "Konzeptions- und Ideenlosigkeit" und sagt: "Mich freut, dass beim Deutschlandtag ein Antrag auf Urwahl des Kanzlerkandidaten beraten wird."

Allein in ihrer Heimat ist sie unumstritten. Aber auch dort beginnt man zu zweifeln

Auch im Norden scheint die Begeisterung für Kramp-Karrenbauer nachzulassen, sofern es dort jemals Begeisterung gab. Ein erprobter Landtagsabgeordneter in Niedersachsen, wo die CDU als Partner der SPD mitregiert, will bei diesem Thema nicht namentlich genannt werden. Doch er legt los: Man registriere sehr wohl, dass sie nicht einhalte, was man sich von ihr versprochen habe. "Ihr größtes Problem", meint der Kritiker, "ist ihr Generalsekretär", also Ziemiak. Würde jetzt über die Kanzlerkandidatur entschieden, glaubt er, "dann würde es nicht automatisch auf die Vorsitzende zulaufen".

Allein in ihrer Heimat im Saarland ist Kramp-Karrenbauer mehr oder minder unumstritten, noch. Dort wird die ehemalige Ministerpräsidentin nach wie vor verehrt, etwa für ihren Erfolg bei der Landtagswahl 2017. Aber selbst unter den treuesten Anhängern an der Saar glaubt inzwischen so mancher, dass ihr das Zeug zur Kanzlerin fehle. Als mildernde Umstände wird auf den im Vergleich zu Saarbrücken deutlich härteren Berliner Ton verwiesen, sowie auf die Überforderung einiger ihrer im Hauptstadtgetriebe unerfahrenen Mitarbeiter. Ihr Auftritt beim JU-Treffen in Saarbrücken sollte eigentlich ein Heimspiel für Kramp-Karrenbauer werden. Nun wird sich die Ministerin schwer ins Zeug legen müssen, um den aufmüpfigen Nachwuchs zu überzeugen. Falls der Antrag auf eine Urwahl bei der JU eine Mehrheit finden sollte, landet er im November auf dem Bundesparteitag. Dort könnte er für AKK noch deutlich gefährlicher werden als in Saarbrücken.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2019
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