Süddeutsche Zeitung

Deutsche Einheit:So will die CDU die Spaltung von Ost und West überwinden

  • Der Angleichungsprozess zwischen Ost und West stagniere "seit über zwölf Jahren", stellt der CDU-Vorstand in einem Papier fest, das er am Montag beschlossen hat.
  • Es war von den Vorsitzenden der CDU-Landesverbände Brandenburg, Sachsen und Thüringen vorgelegt worden.
  • In den drei Ländern werden 2019 neue Landtage gewählt - die AfD liegt dort in den Umfragen bei 21 bis 25 Prozent.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die CDU sieht auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch erhebliche Defizite bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland. "Viele Regionen Ostdeutschlands haben mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen", bei den Löhnen und Renten gebe es weiterhin Unterschiede zum Westen, der Angleichungsprozess stagniere "seit über zwölf Jahren", heißt es in einem Papier, das der CDU-Vorstand am Montag billigte. Es war von den Vorsitzenden der CDU-Landesverbände Brandenburg, Sachsen und Thüringen - Ingo Senftleben, Michael Kretschmer und Mike Mohring - vorgelegt worden. In den drei Ländern wird im Herbst gewählt. Die AfD liegt dort in den Umfragen bei 21 bis 25 Prozent - und damit auf Augenhöhe mit der Union. Auch deshalb will sich die CDU 2019 verstärkt um den Osten bemühen.

In dem CDU-Papier heißt es, die wirtschaftliche Leistung in Ostdeutschland habe sich seit der Wende zwar mehr als verdoppelt, doch sie liege "noch immer ein Drittel unter jener der westdeutschen Länder". Augenfällig seien außerdem die "Unterschiede in der politischen Kultur des Landes". Im Osten würden "rund 40 Prozent der Bürger mit der Linken und der AfD linke und rechte Flügel- und Protestparteien" wählen, deren politische Erfolge sich "zu einem erheblichen Teil aus Skepsis gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und sozialen Marktwirtschaft" sowie aus einem "Misstrauen gegenüber dem Sicherheitsversprechen des Staates speisen" würden. Auch "erlebte oder empfundene Benachteiligung" sowie "Veränderungsmüdigkeit nach einer langen Phase rasanten Wandels" würden dazu beitragen. Zudem seien "prägende politische Milieus, wie sie sich auch in den alten Ländern zunehmend auflösen", im Osten gar nicht erst entstanden oder schon vor Jahrzehnten zerstört worden.

Auf die Frage nach der Verantwortung der CDU für die Lage im Osten, immerhin sei sie dort in einigen Ländern seit vielen Jahren an der Regierung, sagte Mohring, dass die Union einen Prozess "des Nachdenkens und auch der Nachjustierung" durchgemacht habe. Die CDU habe zwar einen großen Beitrag zu vielen Erfolgen geleistet, tatsächlich müsse man aber im Rückblick auch sagen: "Da ist nicht alles richtig gelaufen".

In dem Papier heißt es, die CDU als einzig verbliebene Volkspartei habe jetzt die "besondere Aufgabe, Spaltungen in der Gesellschaft und im Land zu überwinden". Eine Generation nach dem Fall der Mauer sei "die Zeit für eine Politik nach Himmelsrichtungen" zwar abgelaufen. Allerdings gebe immer noch einige Probleme, die Ostdeutschland "in besonderer Weise" betreffen würden. Dabei gehe es vor allem "um Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Repräsentanz, aber auch um Respekt".

Konkret wird in dem Papier unter anderem verlangt, dass "Behörden, Einrichtungen und Institutionen des Bundes und der EU so lange in Ostdeutschland ihren Sitz nehmen, bis ein der Einwohnerzahl entsprechender Anteil erreicht ist". Außerdem soll der ländliche Raum durch eine Vielzahl an Verbesserungen attraktiver gemacht werden. Dazu werden "verlässliche und ausreichend leistungsfähige Glasfaser- und Mobilfunknetze an jedem Ort" verlangt. Es werden aber auch Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, in wohnortnahe Kindergärten und Schulen, in die "Absicherung medizinischer und pflegerischer Dienste überall im Land" sowie eine bessere Anbindung der Mittelzentren im Osten an den Fernverkehr der Bahn gefordert.

Auch die Bekämpfung der Grenzkriminalität hält die CDU für ein im Osten besonders wichtiges Thema. Deshalb verlangt sie mehr Personal für die Bundespolizei-Direktionen in Ostdeutschland sowie einen Ausbau der Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien. Die Akzeptanz von Zuwanderung setze aber auch voraus, "dass illegale Zuwanderung wirksam unterbunden und der Flüchtlingsschutz auf anerkannte Flüchtlinge begrenzt" werde, heißt es in dem Papier. Personen ohne Bleiberecht müssten zurückgeführt werden. Und "wer als Fachkraft zuwandert oder als Flüchtling bleibeberechtigt ist", müsse "die Leitkultur des Landes verinnerlichen und sich integrieren".

In Sachsen regiert derzeit eine große Koalition mit Ministerpräsident Kretschmer an der Spitze. In Brandenburg führt der Sozialdemokrat Dietmar Woidke ein rot-rotes Bündnis. Und in Thüringen regiert Bodo Ramelow von der Linken mit einer rot-rot-grünen Koalition. In dem Land hofft der CDU-Landesvorsitzende Mohring, Ramelow im Herbst ablösen zu können. In der jüngsten Umfrage lag die CDU bei 23 und die Linke bei 22 Prozent. SPD und Grüne kamen auf je 12 Prozent, die FDP auf sechs und die AfD auf 22 Prozent.

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