CDU:Die Kanzlerin und der Schröder-Hype

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Schröder hat Merkel lange unterschätzt und oft herablassend behandelt, entwickelte dann aber für die Nachfolgerin durchaus Respekt, je länger sie im Amt blieb. (Foto: AFP)

Seit einigen Wochen führt die Kanzlerin den Namen ihres Vorgängers auffallend oft im Mund. Fast in jeder Rede lobt sie seine "Agenda 2010". Warum?

Von Nico Fried

Angela Merkel und Gerhard Schröder verbindet seit vielen Jahren eine wechselvolle Beziehung. Sie hat ihn als Person nie sonderlich gemocht, fürchtete ihn als Wahlkämpfer und achtete ihn als Kanzler, vor allem, nachdem sie selbst Kanzlerin geworden war. Er hat sie lange unterschätzt und oft herablassend behandelt, entwickelte dann aber für die Nachfolgerin durchaus Respekt, je länger sie wider seine Erwartung im Amt blieb. Nun tritt die Beziehung in eine neue Phase: Angela Merkel hat Gerhard Schröder als wichtigen Wahlhelfer vereinnahmt.

Seit einigen Wochen führt die Kanzlerin den Namen ihres Vorgängers auffallend oft im Mund. Fast in jeder Rede lobt sie Schröders Reform "Agenda 2010". Das hat sie früher auch schon getan, ihr Genuss wirkt aber deutlich gesteigert, seit der neue SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz eine weitere Runde der Vergangenheitsbewältigung an der rot-grünen Reformpolitik eröffnet hat. Gerne verweist Merkel auch im Streit über höhere Verteidigungsausgaben darauf, dass es Kanzler Schröder gewesen sei, der sich in der Nato schon 2002 dem Ziel verpflichtet habe, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ins Militär zu investieren.

Merkel orientiert sich im Amt auch hie und da am Vorgänger

Am Tag nach der Saarland-Wahl hat sich Merkel erneut auf den Vorgänger bezogen - diesmal, als sie ihre Wahlkampfstrategie darlegte: Schröder habe stets Gegenwart und Zukunft verbunden, sagte die CDU-Chefin, "da gab's Gerechtigkeit, aber auch Innovation, also nach vorne". Das werde "auch uns leiten".

Merkel wählte damit nicht nur ein überraschendes Beispiel - nach der Wahl an der Saar, bei der gerade rot-rote Versöhnungsträume gescheitert waren, steckte in dieser Reminiszenz zusätzliche Pikanterie: "Innovation und Gerechtigkeit" - so hieß der SPD-Slogan 1998, als zwischen den damaligen Parteichef Oskar Lafontaine und den Kandidaten Schröder noch kein Blatt passte.

Merkel orientiert sich im Amt auch hie und da am Vorgänger. Als sie 2012 Umweltminister Norbert Röttgen feuerte, studierte sie genau, wie Schröder 2002 bei der Entlassung Rudolf Scharpings vorgegangen war, nachdem dessen Pflichten als Verteidigungsminister mit seinem Vergnügen als Mallorca-Urlauber nicht mehr vereinbar waren. Ihr jetziger Schröder-Hype hat aber - neben der Stichelei gegen die SPD - einen unionsinternen Grund: Das Vorbild dient zur Abschreckung.

Viele Christdemokraten sehen Merkels Flüchtlingspolitik skeptisch, manche nehmen sie ihr dauerhaft übel. Daraus kann ein Mobilisierungsproblem entstehen - denn wenn die Kanzlerin in Reden sagt, dass man in der Flüchtlingspolitik doch so vieles geschafft habe, rührt sich oft keine Hand. Am Montag bekräftigte Merkel, man müsse zu dem stehen, was man in der Regierung gemacht habe. Die Kanzlerin befürchtet also, dass sich die CDU mit Diskussionen über die Flüchtlingspolitik selbst lähmt - so wie die SPD zu Zeiten der Agenda zulasten Schröders und noch Jahre danach der Partei insgesamt.

Ob die SPD den Altkanzler für ihren Wahlkampf zurückerobern will, ist offen. Als Schulz auf dem Parteitag den abwesenden Schröder würdigte, der das Land so reformiert habe, dass "wir alle bis heute davon profitieren", klatschte niemand. Applaus gab es für die Erinnerung an den Anti-Irakkriegs-Kanzler.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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