An diesem Freitag kommen in Potsdam die Spitzen der Unionsparteien zu einer Klausur zusammen. CDU und CSU wollen ihren Streit über die Flüchtlingspolitik hintanstellen und stattdessen - möglichst friedlich - über die Themen der Zukunft sprechen.
Eigene Thesen
Aus diesem Anlass gibt es jetzt eine erstaunliche Initiative. Die zweite Reihe der Regierungsmannschaft von CDU und CSU hat sich auf ein Papier verständigt, in dem sie selbst Kernthesen für die künftige Ausrichtung der Union formuliert. Zu den Autoren gehören die Staatssekretäre der Ministerien für Finanzen (Jens Spahn), Inneres (Ole Schröder und Günter Krings), Verkehr (Dorothee Bär) und Bildung (Stefan Müller). Beteiligt sind außerdem der Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun, Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer, Ex-Familienministerin Kristina Schröder sowie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer. Es ist das erste Mal in dieser Legislaturperiode, dass eine so hochkarätig besetzte Unionsrunde mit eigenen Thesen an die Öffentlichkeit geht.
Das Papier trägt den Titel: "Freiheit, Sicherheit, Wohlstand. Wie wir Vertrauen zurückgewinnen". Es liest sich wie ein Plädoyer für eine stärkere Betonung der Wirtschaftspolitik, der inneren Sicherheit und des restriktiven Teils der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die Autoren sind allesamt 2002 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden. Seitdem tauschen sie sich regelmäßig aus. Angesichts des monatelangen Streits zwischen CDU und CSU wollen sie jetzt zeigen, dass Politiker beider Parteien durchaus in der Lage sind, sich auf gemeinsame Inhalte zu verständigen. Spahn, die beiden Schröders, Braun, Krings und Kretschmer gehören der CDU an; Bär, Mayer und Müller der CSU.
"Mit der Freiheit steigt in der globalisierten und digitalisierten Welt die Unübersichtlichkeit", schreibt die Neuner-Runde. Mit "der Vielzahl an stets verfügbaren Optionen und zu treffenden Entscheidungen" wachse "das Bedürfnis nach Verankerung, Verlässlichkeit und Heimat". Wer sich überfordert, übervorteilt oder angesichts von Nachrichten aus allen Teilen der Welt gar verloren fühle, der fühle sich nicht frei. In diesem Sinne sei "das bewusste Ziehen von Grenzen, das kluge Setzen von Regeln und das gelassene Vorleben von Werten und Prinzipien ein Beitrag zum Erhalt von Freiheit und Verantwortung".
Die Autoren machen das dann an Beispielen fest. Sie schreiben, die "Europäische Union als Freiheitsraum" sei die größte Errungenschaft des modernen Europas. Die Begeisterung darüber dürfe aber nicht den Blick auf Probleme trüben. So sei die EU "oft nicht schnell und nicht konsequent genug". Die Autoren "wollen Flüchtlingen und Verfolgten helfen, die vor Unfreiheit fliehen und Schutz suchen". Dies müsse jedoch an Bedingungen geknüpft werden. "Ein Boot zu besteigen, darf nicht gleichbedeutend sein mit der Ansiedlung in Europa", heißt es in dem Papier, "ein Verzicht auf Steuerung und Grenzsetzung würde die Akzeptanz unseres Sozial- und Rechtsstaats unterhöhlen, die Gesellschaft überfordern und anti-liberale Bewegungen von rechts und links stärken". Deshalb sei eine starke europäische Grenzpolizei nötig, die irreguläre Migration unterbindet.
Integration gelinge nicht
Die Autoren monieren, dass "in zu vielen Fällen, insbesondere bei Migranten aus dem arabischen Raum", die Integration nicht richtig gelinge. Viele lebten "ein Verständnis von männlicher Ehre, das auch mit Gewalt verknüpft ist". Die Unionspolitiker beklagen die "seit Jahren steigende Zahl von Einbrüchen durch reisende Banden, das Beispiel der Silvesternacht in Köln, das wachsende Gefühl von Unsicherheit im öffentlichen Raum, an Bahnhöfen und Plätzen". Deutschland müsse deshalb "diejenigen stärken, die im Alltag für Sicherheit, Ordnung und Vertrauen sorgen". Es brauche "mehr Polizisten und klarere Ansagen". Wer beispielsweise "unbelehrbar als vielfacher Wiederholungstäter bei Diebstahl oder Gewalt bekannt ist, für den braucht es gesetzliche Mindeststrafen - ohne Bewährung". Richterliche Milde sei "da fehl am Platz".
Die Staatssekretäre fordern, dass sich der Staat selbst begrenzt und Freiräume lässt. Deshalb sollte die Regierung "dem Drang widerstehen, alle gefühlten Ungerechtigkeiten und Unterschiede einzuebnen". Die Ausgaben des Bundes seien ständig gestiegen, dabei sei "das Verhältnis von Sozialausgaben zu Zukunftsinvestitionen immer schiefer" geworden. Damit bürde man "nachfolgenden Generationen die Lasten unserer Bequemlichkeit auf". Die Regierung müsse deshalb "die Lust an Regulierung und Umverteilung begrenzen". Außerdem sollten nach der Wahl 2017 die Steuern für die Mittelschicht spürbar gesenkt werden.