Süddeutsche Zeitung

CDU/CSU und Atomkraft:Die Kernspaltung der Union

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Parteikollegen im Süden machen mobil gegen Röttgen, Zustimmung für seine Atomausstiegspläne erhält der Bundesumweltminister aus Düsseldorf.

M. Bauchmüller und S. Braun

Die Veranstaltung allein schon ist bemerkenswert. An diesem Freitag, Punkt elf, laden drei Landesminister zur gemeinsamen Pressekonferenz. Alle drei sind Mitglieder der Union, alle drei sind für Umwelt zuständig. Und alle drei zielen auf dieselbe Person: ihren Parteifreund Norbert Röttgen.

Die Äußerungen des Bundesumweltministers "zum künftigen Stellenwert der Kernenergie" seien "auf teilweisen Widerspruch gestoßen", heißt es in der Einladung. Weshalb die Minister Tanja Gönner (Baden-Württemberg), Markus Söder (Bayern) und Silke Lautenschläger (Hessen) nun einmal ihre Sicht der Dinge vortragen wollten.

Unionsminister gegen Unionsminister

Anders als Röttgen, der in der Süddeutschen Zeitung eine möglichst rasche Ablösung der Atomkraftwerke durch erneuerbare Energien gefordert hatte, werden sie wohl eine längere Lebensdauer ihrer Meiler einfordern - und eine schnelle Entscheidung darüber.

Schon Anfang Januar hatten drei Minister in einem Brief an Röttgen "dringenden Handlungsbedarf" konstatiert. Es sei "erforderlich, das weitere Vorgehen möglichst rasch mit Ihnen zu erörtern". Statt Söder hatte damals noch der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander mit unterschrieben, ein FDP-Mann. Doch nichts geschah.

Dass Unionsminister gegen einen Unionsminister opponieren - das hat dann doch Seltenheitswert. Zumal sie es nicht hinter den Kulissen, sondern auf einer Pressekonferenz versuchen. Es zeigt, wie tief der Riss in Sachen Kernkraft bei der Union geht; besonders in den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Alle drei beziehen wesentliche Teile ihres Stroms aus Kernkraft, alle drei wären bald von Abschaltungen betroffen, bliebe es beim geltenden Atomausstieg.

In Baden-Württemberg stünde Neckarwestheim 1 zur Disposition; die Reststrommengen reichen nur noch wenige Monate. In Hessen steht der Reaktor Biblis A seit Monaten still, damit er die Aufhebung des Atomausstiegs überhaupt noch miterleben kann. Und in Bayern wäre das Kraftwerk Isar 1 rein rechnerisch 2011 reif.

Zwar können sich die Unternehmen noch durch die Übertragung von Reststrommengen aus älteren Anlagen Luft verschaffen. Aber das wäre nur ein Aufschub - und rechtlich bei Biblis A und Isar 1 noch nicht einmal so einfach.

Ersatz für die Kernkraftwerke aber wird absehbar nicht im Süden der Republik gebaut werden, sondern eher im Norden - die Kohle lässt sich dort leichter anlanden, und der Wind bläst stärker.

Lesen Sie auf Seite 2, wie seit Monaten in der CDU um die Meinungshoheit in der Atomfrage gerungen wird.

Der Konflikt innerhalb der Union hatte sich zuletzt ein wenig beruhigt, bricht aber mit dem Auftritt der drei Landesumweltminister erneut massiv auf. Alle Lager sammeln ihre Truppen.

Wenn der Wind einmal schwächer weht

Während Wirtschaftspolitiker wie Michael Fuchs und Joachim Pfeiffer (beide CDU) für längere Laufzeiten eintreten, stärken Umweltpolitiker um Josef Göppel (CSU) und Andreas Jung (CDU) Röttgen den Rücken. "Röttgen hat recht", schrieben sie kürzlich in einem Aufruf, unterzeichnet von sechs Parlamentariern. "Wir unterstützen die kritische Position zur Kernenergie." Und höre man sich in der Fraktion um, sagt Göppel, dann sei das baldige Ende der Kernkraft schon besiegelt, eine Mehrheit stehe dahinter.

Röttgen selbst legte am Donnerstag nochmals nach. Nicht nur sei der Ausbau von Öko-Energien alternativlos, Kernkraftwerke seien auch "ökonomisch inkompatibel mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien". Denn dieser erfordere flexible Kraftwerke, die rasch einspringen, wenn der Wind einmal schwächer wehe.

Intern wird offenbar schon seit Monaten über die Meinungshoheit in der Atomfrage gerungen. Als Fraktionschef Volker Kauder Anfang des Jahres ein Interview zur Atomkraft gab, beschwerte sich Röttgen massiv - per SMS an die Kanzlerin. Und auch zwischen Umweltministerium und Kanzleramt, beide unionsgeführt, gibt es Differenzen.

Kanzleramtschef Ronald Pofalla jedenfalls bekannte nach ersten Gesprächen mit den Betreibern freimütig, dass er sich mit dem irgendwie ja auch zuständigen Umweltminister persönlich noch nicht besprochen habe.

"Im Detail unterschiedliche Auffassungen"

Zur Erinnerung: Als die Union im Sommer 2008 ihr Umweltpapier verabschiedete, weihte Pofalla, damals Generalsekretär, die Kernkraft zur "Öko-Energie". Röttgen sieht das heute ganz anders.

Eines allerdings zerknirscht alle Kombattanten gleichermaßen: Das Thema ist mittlerweile stark in die Nähe des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes gerückt - wo die Frage der Kernkraft gerade nicht landen sollte.

Zwar tut sich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der CDU etwas leichter damit, in seinem Land gibt es keine Atomkraftwerke, die Gewerbesteuer bezahlen oder Arbeitsplätze sichern könnten - er stützte Röttgen inzwischen, der Minister habe auf "wichtige und richtige Sachverhalte" hingewiesen. Doch ein mittlerweile erbittert geführter Streit innerhalb der Partei wird Rüttgers gewiss weniger als den Grünen Wähler zutreiben.

Und so mühen sich die drei Landesumweltminister, die Veranstaltung an diesem Freitag nicht zu hoch zu hängen. Da sei "kein Frontalangriff" auf Röttgen geplant, heißt es etwa in Stuttgart, es gebe nur "im Detail unterschiedliche Auffassungen".

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SZ vom 12.02.2010/jobr
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