Der Kanzler, seine Minister und der Bundestag sind in den Urlaub gereist. Politische Pause ist dennoch nicht in Berlin. Die Union nützt die Sommerferienzeit, sich schon mal (wieder) für eine mögliche Regierungsübernahme im kommenden September oder früher warmzulaufen. CDU-Parteichef Friedrich Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann haben sich am Wochenende in Interviews zu Wort gemeldet und erste Skizzen einer unionsgeführten Bundesregierung, sollte sie denn zustande kommen, vorgelegt.
Merz jedenfalls sieht für die Union bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr ein „Potenzial von 35 Prozent und mehr“. Das sagte er in einem Interview mit der Welt am Sonntag. Merz konkretisierte auch weitere Ziele für die CDU/CSU bei der Wahl: „Wir wollen die mit Abstand stärkste Fraktion werden. Wir sollten nach Möglichkeit nur einen Koalitionspartner brauchen. Und wir sollten mindestens unter zwei Fraktionen im Bundestag wählen können, mit wem wir gegebenenfalls zusammenarbeiten“, sagte er.
Merz will schnell „Stimmungsumschwung erreichen“
Inhaltlich denkt Merz natürlich auch an einen politischen Richtungswechsel. „Wir sind uns darüber im Klaren, dass im Falle einer Regierungsübernahme schnell Änderungen des Regierungskurses in der Bevölkerung erkennbar werden müssen, damit wir einen Stimmungsumschwung erreichen“, sagte er weiter. Die Diskussion über Details laufe noch, aber die Legalisierung von Cannabis werde sehr wahrscheinlich zurückgedreht.
Die Union will nach den Worten von CDU-Generalsekretär Linnemann aber „nicht um jeden Preis“ regieren. Das sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Bei dieser Wahl wird es auf die Inhalte ankommen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Davon machen wir auch eine Regierungsbeteiligung in der nächsten Legislaturperiode abhängig“, erklärte er. Seine Partei müsse so stark werden, dass sie ihre Inhalte durchsetzen könne. Er sprach sich dafür aus, mehr als 100 000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. „Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen. Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Leistungskürzungen um zehn, 20 oder 30 Prozent reichen da nicht. Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden.“ Dabei bezog Linnemann ukrainische Flüchtlinge, die Bürgergeld beziehen, mit ein. „Die Ukrainer verteidigen auch unsere Freiheit. Aber wenn es eine Leistung gibt, ist sie mit einer Gegenleistung verbunden. Dazu zählt, eine Arbeit aufzunehmen.“ Hier fehlten „ganz klar“ entsprechende Anreize. Ausnahmen sieht er bei Alleinerziehenden oder Menschen, die Angehörige pflegen.
In Umfragen liegt die Union bei 30 Prozent
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, schätzt Linnemann auf um die 30 Prozent. Als möglichen Auslöser sieht er das weitere Verfahren zur Verabschiedung des Bundeshaushaltes für 2025. „Dieser Haushalt ist hochgradig unseriös. Darüber kann die Koalition ins Rutschen kommen“, sagte er mit Blick auf die Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In Umfragen liegt die Union seit Langem bei 30 Prozent oder etwas darüber und damit vor allen anderen politischen Konkurrenten.
Über die Frage einer Kanzlerkandidatin oder eines Kanzlerkandidaten entscheiden CDU und CSU im Frühherbst gemeinsam, betonte Linnemann. Das Alter von Parteichef Merz, der wenige Wochen nach der Wahl 70 Jahre alt würde, sieht Linnemann nicht als Faktor. „Wer Kanzlerkandidat der Union wird, der muss es wirklich wollen. Dieses Kriterium ist für mich am wichtigsten.“ Auch Merz hält an dem bisher vereinbarten Prozess zur Kandidatenwahl fest. „Zunächst werden die beiden Parteivorsitzenden einen gemeinsamen Vorschlag machen“, sagte er der WamS mit Blick auf CSU-Chef Markus Söder. „Und darüber werden wir dann auch mit den Landesvorsitzenden sprechen.“ Auf die Frage, ob er schon entschieden habe, ob er selbst Kanzlerkandidat werden möchte, sagte der CDU-Vorsitzende: „Ich habe mich entschieden, die Frage im Spätsommer einvernehmlich mit Markus Söder zu klären.“
Friedrich Merz rät übrigens dazu, sich auf eine Präsidentschaft in den USA von Donald Trump vorzubereiten. „Das hätten wir schon vor acht Jahren machen sollen. Und dieses Mal wäre es noch wichtiger. Denn ich gehe davon aus, dass Donald Trump für den Fall, dass er Präsident wird, besser vorbereitet ist auf die Übernahme des Amtes, als dies bei seiner ersten Amtszeit der Fall war“, sagte Merz im Welt-am-Sonntag-Interview weiter. Den Kontakt zu Trump zu suchen sei kein Bruch mit der Außenpolitik vorangegangener Bundesregierungen. Der CDU-Vorsitzende hält das Rennen um die US-Präsidentschaft zwischen Trump und Kamala Harris aber noch für offen.