Union:Der CDU-Chef darf feiern

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Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen und CDU-Chef Friedrich Merz beim Bundesparteitag Anfang Mai.
Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen und CDU-Chef Friedrich Merz beim Bundesparteitag Anfang Mai. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Union gewinnt die Europawahl deutlich vor allen anderen. Das ist auch ein Sieg für Friedrich Merz, der seine Partei wieder geeint hat.

Von Henrike Roßbach, Robert Roßmann, Berlin

Als Friedrich Merz um 18.38 Uhr die Bühne im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses betritt, sieht er aus wie ein höchst zufriedener Mann. „CDU und CSU haben zusammen mit Ursula von der Leyen die Europawahl in Deutschland – ich gehe davon aus, auch in der gesamten Europäischen Union – gewonnen“, sagt der CDU-Chef, umringt von Mitgliedern des Parteivorstands, die auch alle gucken, als wären sie sehr einverstanden mit diesem Abend. Eine „große Ermutigung und Ermunterung“ sei dieses Wahlergebnis, sagt Merz. Die Union habe sich auf einen „langen Weg“ gemacht. Und heute hätten sie „den ersten großen Erfolg“ gemeinsam erzielt. „Das macht mich sehr stolz und sehr dankbar.“

Friedrich Merz hätte es sich leicht machen können. Ob jemand erfolgreich ist oder nicht, liegt ja immer auch an der Messlatte, die man anlegt. Der CDU-Chef hätte also das Unions-Ergebnis bei der Bundestagswahl (24,1 Prozent) oder zumindest das Resultat bei der letzten Europawahl (28,9 Prozent) als Zielmarke angeben können. Hat er aber nicht. Stattdessen hat er „30 Prozent plus x“ als Ziel vorgegeben. Das war ambitioniert. Und riskant. Als Merz auftritt ist noch unklar, ob die Union die Marke auch erreicht. Sicher war aber, dass sie mit gewaltigem Vorsprung die Europawahl gewonnen hat.

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Es war die erste nationale Abstimmung nach der Wahl von Merz an die CDU-Spitze. Der Parteichef stand gar nicht auf den Wahlzetteln – aber das Ergebnis ist natürlich auch ein Erfolg für ihn. Merz hatte Anfang 2022 eine zerstrittene und weitgehend orientierungslose Partei übernommen, die hinter die Sozialdemokraten zurückgefallen war. Jetzt ist die Union doppelt so stark wie die Kanzlerpartei SPD. Der CDU-Chef wird das Ergebnis auch als Bestätigung deuten, dass er ein guter Kanzlerkandidat wäre.

Merz nach den ersten Hochrechnungen im Konrad-Adenauer-Haus (rechts daneben Julia Klöckner).
Merz nach den ersten Hochrechnungen im Konrad-Adenauer-Haus (rechts daneben Julia Klöckner). (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Am Wochenende hatte Merz in einer Rundmail noch einmal skizziert, um was es bei der Europawahl seiner Ansicht nach geht. Europa stehe vor den größten Herausforderungen seit vielen Jahren, schrieb der CDU-Chef. „Wenn wir in dem Teil Europas, in dem wir das große Glück haben zu leben, weiter in Freiheit und in Frieden, in Wohlstand und Solidarität leben wollen, dann kommt es darauf an, wer die EU-Kommission zukünftig führt und wo die politischen Mehrheiten im Europäischen Parlament zukünftig liegen.“ Ursula von der Leyen, die Spitzenkandidatin der Union, genieße „in ganz Europa und auf der Welt höchsten Respekt“.

Dabei hatte Merz allerdings unterschlagen, dass es mit dem Respekt für von der Leyen zumindest innerhalb der Union nicht weit her ist. CDU und CSU hatten die Kommissionschefin eher notgedrungen aufgestellt.

Merz schlug vor, die Wahl zum Denkzettel für die Ampel zu machen

Es war kein einfacher Wahlkampf für die Union. Das lag nicht nur an der Spitzenkandidatin. Die CDU hatte „Sicherheit“, „Freiheit“ und „Wohlstand“ auf ihre Plakate geschrieben – dagegen kann niemand mit Verstand etwas haben. Aber es waren eben auch reichlich unkonkrete Forderungen. Der Partei ist es bis zuletzt nicht richtig gelungen, an ein paar wichtigen Punkten klarzumachen, was man in Europa bekommt, wenn man CDU wählt. Und so blieb am Ende vor allem eine Botschaft, die gar nichts mit der Europawahl zu tun hat: Wer Union wählt, kann die Ampelkoalition in Deutschland abstrafen.

Merz hatte das am Wochenende in seiner Mail vornehm, aber deutlich formuliert: „Sie können mit Ihrer Wahl für Kontinuität in Europa auch einen klaren Denkzettel an die Adresse der Ampel in Berlin verbinden. Gehen Sie also am Sonntag zur Wahl und geben Sie Ihre Stimme der CDU.“

Bei der gemeinsamen Abschlusskundgebung der beiden Unionsparteien in München am Freitagabend war er noch deutlicher geworden. Merz griff zwar vor allem und mit großer Schärfe die AfD an. Er schonte aber auch die Bundesregierung nicht. Die Ampelregierung in Berlin sei ein Desaster für Deutschland, aber auch ein Desaster für Europa – der „Spuk“ müsse bei der nächsten Bundestagswahl ein Ende haben, sagte der CDU-Chef.

Aber zurück zum Sonntag. Um 17.57 Uhr ist CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Foyer angekommen und ruckt noch mal sein Jackett zurecht, bevor er Aufstellung nimmt für das erste Interview nach der Prognose. Als um 18 Uhr der CDU-Balken in der ARD bei 23,5 Prozent stehen bleibt und der von der CSU bei sechs Prozent, wird freundlich geklatscht im Foyer der Parteizentrale, vereinzelt auch gejubelt. Ein leichtes Plus für die CDU, ein noch leichteres Minus für die CSU in Bayern, also irgendwie auch für Markus Söder, den ewigen Rivalen aus Bayern; es hätte wahrlich schlimmer kommen können.

„Ein großer Erfolg“, sagt Linnemann in die Kamera, die Ergebnisse der Bundestagswahl und der vorangegangenen Europawahl habe man übertroffen, der Weg sei richtig, und im Übrigen müsse sich der Kanzler jetzt mal die Frage stellen, ob er wirklich Politik für die Menschen im Land mache. Ansonsten müsse er den Weg frei machen, zum Beispiel mit einer Vertrauensfrage.

Das kollektive Kopfrechnen im Konrad-Adenauer-Haus kommt in diesem Moment zwar zu dem Ergebnis, dass 23,5 plus sechs nicht 30 Prozent ergibt, aber darüber trösten sich die Anwesenden zum einen mit den herben Verlusten der Grünen hinweg, die mit fast noch mehr Freude quittiert werden als die eigenen Gewinne. Und dann ist da ja auch noch die Prognose des ZDF, in der die Union zu diesem Zeitpunkt auf die erhofften 30 Prozent kommt.

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Neben der Bühne und den hüfthohen CDU-Leuchtbuchstaben steht, ein wenig abseits, ein kleiner gelber Europa-Stern mit einem Autogramm der abwesenden Spitzenkandidatin. Gleich aber soll Ursula von der Leyen noch live und in Farbe zugeschaltet werden aus Brüssel.

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„Funktioniert nicht“, murmelt Merz, als sich zunächst nur das „Ursula 2024“-Emblem auf der Leinwand dreht, aber dann ist die Kommissionspräsidentin zu sehen, umgeben von Unterstützern. „Wir gratulieren dir ganz herzlich“, ruft Merz ihr zu, von Bühne zu Bühne quasi. Den Kanzler, gibt er zu Protokoll, werde er jetzt daran erinnern, dass er in Pflicht stehe, sie, also Ursula von der Leyen, nach diesem Wahlausgang wieder vorzuschlagen als Präsidentin der nächsten EU-Kommission.

Ursula von der Leyen wird nach den ersten Hochrechnungen im Konrad-Adenauer-Haus zugeschaltet.
Ursula von der Leyen wird nach den ersten Hochrechnungen im Konrad-Adenauer-Haus zugeschaltet. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

„Ganz toll“, meldet die sich dann via Leinwand zu Wort, ein tolles Ergebnis habe die CDU da in Deutschland erzielt, „wir sind begeistert“, sagt sie, und wie es manchmal so ist bei ihr, weiß man auch dieses Mal nicht so recht, ob sie mit diesem „wir“ nicht einfach nur sich selbst meint.

Merz und die Vorstandsmitglieder sind schon so gut wie runter von der Bühne, da hört man noch mal von der Leyen aus Brüssel. Offenbar sind die Mikrofone noch an, jedenfalls sagt sie auf Englisch, man werde jetzt feiern. „As much as possible.“

An diesem Montag wollen Merz und von der Leyen in der Berliner CDU-Zentrale dann übrigens auch gemeinsam auftreten. Und man kann sich schon jetzt sicher sein, dass der CDU-Vorsitzende dann nicht nur über europäische Themen reden wird.

Am Sonntagabend gibt Merz jedenfalls schon mal den Ton vor. Der Wahlausgang sei ein „Desaster“ für die Ampelparteien und den Bundeskanzler, sagt der CDU-Chef. Es brauche jetzt „einen Politikwechsel in Deutschland“, es dürfe nicht so weitergehen, „wie es in den letzten zweieinhalb Jahren war“.

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