Union:Wie Merz die Ampel vor sich hertreiben will

Union: CDU-Chef Friedrich Merz, zugleich Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will die Union mit klaren Botschaften wieder sichtbarer machen.

CDU-Chef Friedrich Merz, zugleich Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will die Union mit klaren Botschaften wieder sichtbarer machen.

(Foto: Imago)

CDU/CSU wollen als Opposition die Debatten im Bundestag prägen und die Regierung in die Defensive drängen. Dazu hat sich der Unionsfraktionschef ein Instrument ausgedacht: den "Leitantrag der Woche".

Von Boris Herrmann, Berlin

Was immer man von Friedrich Merz hält, niemand wird ihm absprechen können, dass er auf der Suche nach seiner Oppositionsrolle schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Noch zu Beginn des Jahres klang es vor allem nach einer Diagnose, wenn Merz über seine Union redete. "Wir müssen sehen, dass wir intellektuell in diesem Land wieder satisfaktionsfähig werden", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Das war wohlgemerkt kurz bevor er zum CDU-Chef und wenig später auch noch zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde. Rund ein halbes Jahr später lässt sich nicht mehr übersehen, dass er aus seiner Rolle als konstruktive Nervensäge der Ampelkoalition eine gewisse intellektuelle Satisfaktion zieht.

Merz war von Beginn an klar, dass es für die Union nach 16 Jahren "eines ausschließlich tagespolitisch geländegängigen Regierungshandelns" in der Opposition darauf ankommen würde, zu klaren Botschaften zurückzufinden. Zu diesem Zweck hat sich die Unionsfraktion unter seinem Kommando ein Instrument ausgedacht, das intern unter dem Namen "Leitantrag der Woche" firmiert.

Mit diesem Leitantrag wollen CDU und CSU in den Sitzungswochen des Bundestags die politische Debatte in Deutschland prägen. Ende Juni ist das mit dem Antrag zur "Teuerspirale" durchaus gelungen. Darin forderte die Union die Bundesregierung auf, sofortige Maßnahmen gegen die Inflation zu ergreifen und die Bürger schnell zu entlasten. Das fand zwar keine Mehrheit, aber es wurde an einem Donnerstagvormittag im Plenum verhandelt, aus parlamentarischer Sicht also zur besten Sendezeit. Die Union als Anwalt der Tankstellen- und Supermarktkunden, die Ampel, die mit ihren Entlastungspaketen zaudert - wenn von dieser Botschaft ein bisschen was hängen bleibt, hat es sich in der Logik von Merz schon gelohnt.

So oder so ähnlich soll es auch in dieser Woche wieder laufen. Für die letzte reguläre Sitzungswoche vor der Sommerpause wollen sich Merz und seine Leute das absehbare Reisechaos an den Flughäfen und Fernbahnhöfen vorknöpfen. In einer vorläufigen Version des Leitantrags der Woche, die der SZ vorliegt, heißt es mit einem guten Schuss Pathos: Der Traum von einem unbeschwerten Urlaubssommer "zerplatzt nun zwischen Koffern, Warteschlangen und in allgemein schlechter Vorausplanung".

Die Themenideen kommen aus dem engsten Zirkel

Endgültig beschlossen wird das Thema der Woche erst in der Unionsfraktionssitzung am Dienstag. Das Besondere und auch das Neue am Leitantrag ist die Art, wie er entsteht. Nämlich Top-down statt Bottom-up, frei übersetzt: auf dem Schreibtisch des Fraktionschefs und seines engsten Zirkels.

Klassischerweise werden die Anträge in den Arbeitsgruppen der Fachpolitiker geboren. Die CDU/CSU-Fraktion hat in dieser Wahlperiode 24 Arbeitsgruppen, die "natürlich alle sehr fleißig arbeiten", wie ein Insider verrät. Merz will aber keinen politischen Bauchladen präsentieren, sondern eingängige Themen, die nicht sofort verpuffen. Er hat sich vorgenommen, nicht nur in Interviews die Marschrichtung vorzugeben, sondern auch im parlamentarischen Prozess.

In dem Entwurf für den aktuellen Leitantrag fordert die Union ein "Sofortprogramm zur Fach- und Arbeitskräftegewinnung". So sollen "bis zum Ende der Urlaubssaison" etwa "Kräfte der Bundespolizei" an den Sicherheitskontrollen und der Gepäckabfertigung in den Flughäfen mit anpacken, um das Reisechaos einzudämmen. Die Jobcenter sind aufgerufen, "zügig" Arbeitskräfte an die Kofferbänder zu vermitteln. Auch eine "kurzfristige Anwerbung von Personal aus dem Ausland" hält die Union für erforderlich.

Bis zum Ende dieser Sitzungswoche werden bereits in sechs Bundesländern die Sommerferien begonnen haben. Das Sofortprogramm der Union kommt also reichlich spät. Aber wenn sich die Ampelkoalitionäre am Donnerstag im Bundestag dafür rechtfertigen müssen, was zur selben Zeit in den Abfertigungshallen der Flughäfen schiefläuft, dann kommt es für Friedrich Merz genau richtig.

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