Süddeutsche Zeitung

CDU/CSU-Fraktion:Kauder überraschend abgewählt - Brinkhaus neuer Fraktionschef

  • Überraschend gewinnt der 50-jährige Ralph Brinkhaus die Wahl zum Unionsfraktionschef.
  • Volker Kauder unterliegt seinem Herausforderer.
  • Kanzlerin Merkel hatte "aus vollem Herzen" für die Wiederwahl ihres Vertrauten geworben. Kauders Niederlage wird deshalb auch als die ihre angesehen.
  • Brinkhaus sagte in seiner Bewerbungsrede, die Probleme seien allein "mit Ruhe und Stabilität nicht lösbar".

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Dienstag einen ihrer wichtigsten Unterstützer verloren. Die Unionsfraktion wählte überraschend den Haushaltspolitiker Ralph Brinkhaus zu ihrem neuen Vorsitzenden. Der 50-Jährige gewann die Abstimmung gegen den bisherigen Fraktionschef und Merkel-Vertrauten Volker Kauder mit 125 zu 112 Stimmen. Kauder hatte die Fraktion seit 2005 geführt, niemand in der Geschichte der Unionsfraktion stand länger an der Spitze der Abgeordneten als er.

Merkel hatte sich eindringlich für Kauders Wiederwahl ausgesprochen. In der Fraktionssitzung sagte die Kanzlerin, sie werbe aus vollem Herzen für ihn, jetzt sei der falsche Zeitpunkt für eine Erneuerung. In der Klausur des Fraktionsvorstandes hatte Merkel ihre Unterstützung für den 69-Jährigen auch damit begründet, dass es ein "subtiles Band" gebe, das Fraktion und Regierung verbinde. Einerseits müsse eine Fraktion auf ihr eigenes Profil und ihre Selbständigkeit achten, andererseits sei aber auch Vertrauen zwischen Fraktion und Regierung nötig.

Sie spreche sich für Kauder aus, weil dieser beides gut verbinden könne - er bringe Eigenständigkeit und Vertrauen zusammen. Außerdem habe er ein gutes Verhältnis zu SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Dies sei für eine funktionierende Koalition wichtig. Wegen dieses Einsatzes der Kanzlerin für Kauder wurde dessen Abwahl auch als Denkzettel für Merkel wahrgenommen. "Das ist eine Stunde der Demokratie, in der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es auch nichts zu beschönigen", gestand Merkel nach der Abstimmung ein. Sie werde jetzt, wo immer sie das könne, auch Brinkhaus unterstützen.

In der Union gilt seit Langem der Komment, dass die Parteivorsitzenden von CDU und CSU den Fraktionschef vorschlagen dürfen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte in der Fraktionssitzung für Kauder geworben, um so erstaunlicher ist dessen Niederlage.

In der Unionsfraktion hatte es zwar schon länger Unzufriedenheit über Kauder gegeben. Viele Abgeordnete wünschen sich eine eigenständigere Rolle der Fraktion gegenüber der Kanzlerin und eine Verjüngung an der Spitze. Allerdings war - auch wegen der anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen - nicht damit gerechnet worden, dass sie bereits jetzt ihren Vorsitzenden abwählen.

Am Ende gab wohl der leidenschaftliche Auftritt von Brinkhaus in der Fraktion den Ausschlag für das knappe Ergebnis. Brinkhaus hatte gesagt, die Probleme seien allein "mit Ruhe und Stabilität nicht lösbar". Außerdem sei er dafür, dass sich die Fraktion auch einmal die Freiheit nehme, an der einen oder anderen Stelle eine andere Position als die Regierung zu beziehen. FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Wahl von Brinkhaus sei ein "Zeichen gegen eine Fortsetzung der großen Koalition auf Dauer". Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sprach von einem "Aufstand gegen Merkel". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, die Wahl zeige, dass die Union "zutiefst gespalten" sei. Auch Linken-Chef Bernd Riexinger sieht Merkel nach der Wahl von Brinkhaus "massiv geschwächt".

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SZ vom 26.09.2018/gal
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