CDU/CSU-Fraktion:Der Kompromiss-Kandidat

Erste Fraktionssitzungen im Bundestag

Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kommt zu einem Pressestatement vor Beginn der ersten Fraktionssitzung.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Mit taktischem Geschick und Stehvermögen sichert sich Ralph Brinkhaus die Wiederwahl zum Fraktionschef. Aber ist er auch eine gute Wahl? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es hat etwas gedauert. Aber inzwischen beginnen sie in der Union zu realisieren, dass sie dabei sind, all ihre schönen Ämter zu verlieren. Wenn es zu einer Ampel-Koalition kommt, wird es keine Bundesminister, Staatsministerinnen oder Staatssekretäre aus der Union mehr geben - einen Kanzler erst recht nicht. Das Amt des Bundestagspräsidenten hat die CDU bereits jetzt eingebüßt. Auch bei der Wahl des Bundespräsidenten im Februar wird nichts zu holen sein. Und so dürfte der Union nur ein einziges herausgehobenes Amt bleiben - das des Fraktionsvorsitzenden. Ralph Brinkhaus hat es jetzt - nach einigem Hin und Her - verteidigt. Er ist damit der einzige in der CDU, der gestärkt aus dem Absturz der Partei hervorgeht. Dabei hatte an seinem Amt gleich eine ganze Hand voll führender Christdemokraten Interesse. Wie hat der Mann es geschafft, sich trotzdem durchzusetzen?

Um es kurz zu machen: Brinkhaus hat einmal mehr die Lage gut sondiert und dann taktisches Geschick sowie Stehvermögen bewiesen. Auf diese Weise hatte er im September 2018 bereits seinen Vorgänger Volker Kauder aus dem Amt gekegelt, obwohl sich die damaligen Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer vehement für Kauder ausgesprochen hatten. Einen Monat und zwei verlorene Landtagswahlen später kündigte Merkel ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz an.

Als es jetzt erneut um die Wahl des Fraktionschefs ging, saß Merkel zwar auch im Saal. Doch diesmal meldete sie sich nicht zu Wort. Vermutlich erinnerte sie sich aber an ihre Lage nach der Bundestagswahl 2005. Damals hatte die Union unter Merkels Führung zwanzig Prozentpunkte Vorsprung auf die SPD verspielt. Dass Merkel den Wahlabend politisch überlebte, lag auch daran, dass sie sofort wieder nach dem Fraktionsvorsitz griff und damit ihre Macht arrondierte.

Brinkhaus möchte das Amt auch nach April behalten

Das hätte Armin Laschet jetzt vermutlich auch gern getan. Doch er wäre Gefahr gelaufen, nicht gewählt zu werden. Zu schlimm war die Niederlage der Union am Sonntag - außerdem stand Brinkhaus schon im Ring. Der Unionsfraktionschef hatte bereits vor der Bundestagswahl mit breiter Brust erklärt, im Amt bleiben zu wollen. Und er hatte viele Abgeordneten in ihren Wahlkreisen besucht. Das schafft Loyalitäten.

Laschet schlug deshalb vor, dass Brinkhaus nicht wie üblich für ein Jahr gewählt wird, sondern zunächst nur für ein paar Wochen kommissarisch im Amt bleiben soll. Der CDU-Chef spekulierte darauf, dass sich seine Lage verbessern und er vielleicht doch noch eine Chance bekommen könnte. Doch Brinkhaus blieb hart und bestand auf einer regulären Wiederwahl. Damit riskierte er zwar, dass dann auch mögliche Interessenten wie Jens Spahn, Norbert Röttgen, Friedrich Merz oder Carsten Linnemann antreten könnten. Wenn der Fraktionschef für ein Jahr gewählt wird, ist er ja einer der starken Männer der Zukunft. Da muss man kandidieren, wenn man einer dieser Männer sein will. Doch die Interessenten blockierten sich nicht nur gegenseitig, es gab in der Unionsfraktion auch den Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung.

Am Ende stand deshalb ein Kompromiss: Brinkhaus wird nur bis Ende April wiedergewählt, dafür tritt niemand gegen ihn an. So kam es am Dienstagabend dann auch. Dass Brinkhaus mit dem Kompromiss nicht nur gut leben kann, sondern sich deutlich gestärkt sieht, zeigte er gleich nach seiner Wahl. Brinkhaus sagte, er habe viel Freude an seinem Amt - und möchte es auch nach April behalten.

Brinkhaus fehlte die politische Kraft, um den Streit um die Kanzlerkandidatur zu schlichten

Brinkhaus ist also wieder gewählt, aber ist er auch eine gute Wahl? Darüber gehen die Meinungen in der Fraktion auseinander. Konsens ist, dass es unter Brinkhaus mehr Raum für Debatten gebe. Und dass der Fraktionschef ein exzellenter Haushalts- und Finanzpolitiker sei. Doch dann scheiden sich die Geister. Brinkhaus habe vor seiner ersten Wahl eine eigenständigere Rolle der Fraktion gegenüber der Regierung versprochen, doch die habe es dann nicht gegeben, klagen einige. Andere weisen darauf hin, dass Brinkhaus nur wenige verlässliche und gute Kontakte zu Spitzenpolitikern anderer Parteien habe. Und dass ihm in der CDU eine eigenständige Machtbasis fehle. Das mache ihn zu einem schwachen Unionsfraktionschef.

Als sich die Vorsitzenden von CDU und CSU nicht über die Kanzlerkandidatur verständigen konnten, wäre es eigentlich auch am Vorsitzenden der gemeinsamen Unionsfraktion gelegen, den Streit zu schlichten oder zu entscheiden. Doch dafür hatte Brinkhaus nicht die politische Kraft. Die Aufgabe haben am Ende CDU-Vize Volker Bouffier und vor allem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble übernommen.

Dass Brinkhaus in den drei Jahren seit der Rückzugsankündigung Merkels nie ernsthaft für deren Nachfolge gehandelt wurde, zeige, dass die Union auch an der Fraktionsspitze "ein strukturelles Problem habe", sagt ein CDU-Abgeordneter. Angela Merkel und Helmut Kohl standen vor ihrer Wahl ins Kanzleramt auch an der Spitze der Unionsfraktion.

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