Debatte um Zusammenarbeit mit der AfD:Rechter Abweg

Hans-Georg Maaßen und Horst Seehofer 2018 in Berlin

Hans-Georg Maaßen, damals Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (links), neben Horst Seehofer im September 2018.

(Foto: dpa)

Die Führungen von CDU und CSU tun Debatten über Koalitionen mit der AfD als irrelevant ab. Doch es gibt Parteimitglieder, die das Publikum auf genau solche Bündnisse vorbereiten.

Kommentar von Detlef Esslinger

Mehrere Dinge werden in Erinnerung bleiben von der OB-Wahl in Görlitz: erstens, dass sich dort alle demokratischen Parteien zusammentun mussten, um ein Stadtoberhaupt der AfD gerade so zu verhindern; drei Wochen, nachdem die dort stärkste Fraktion im Stadtrat geworden war. Aber auch so hievten sie den Kandidaten der CDU lediglich auf 55 Prozent. Und in die Erleichterung mischt sich Traurigkeit: Obwohl jeder Görlitzer wusste, dass es sich hier nicht um eine normale Stichwahl handelte, obwohl jeder um die grundsätzliche Bedeutung dieser Abstimmung wusste, blieb diese zu vielen von ihnen egal. Nur etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten hat von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht.

"Democracy dies in Darkness", Demokratie stirbt in Dunkelheit, so lautet der Slogan der Washington Post - bezogen auf die mittelgroße sächsische Stadt Görlitz ließe sich ergänzen: "... und an Gleichgültigkeit". Wie kann es so viele Leute unbeteiligt lassen, wenn da ein Mann vor der Übernahme ihrer Stadt stand, der nach den Mordanschlägen von München, Würzburg und Ansbach vor drei Jahren im Sächsischen Landtag bedauerte, dass nicht demokratische Politiker unter den Opfern gewesen seien? Was dachte womöglich solch ein Mann, als am Sonntag die Nachricht durchsickerte, dass in Hessen jemand aus dem rechtsextremen Milieu wegen Verdacht des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke verhaftet wurde? Und braucht es selbst im Falls eines solchen Hetzers einen indirekten Wahlaufruf der Linken für den Kandidaten der CDU, um die nötigen Stimmen gegen den AfD-Mann zusammenzukratzen?

Manches Timing in der Politik ist unbedacht, manches wiederum sorgfältig gewählt. Just zum Wahltag von Görlitz setzten Joachim Gauck, Bundespräsident bis 2017, und Hans-Georg Maaßen, früherer Chef des Verfassungsschutzes, ihre Zitate ab. Gauck warb im Spiegel für eine "erweiterte Toleranz nach rechts". Maaßen sagte zur Frage, ob Bündnisse zwischen seiner CDU und der AfD denkbar seien: "Ich glaube, in der derzeitigen Situation werden wir es ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt." Auf die eine Relativierung ("derzeitigen") fügte er gleich die nächste an: "Aber man weiß nie."

Einige CDU-Politiker versuchen, die Bürger auf Koalitionen mit der AfD vorzubereiten

Das Vornehmste, was sich über Gedankenspiele zu CDU und AfD sagen lässt, ist: Sie sind nicht durchdacht. Bei der AfD handelt es sich um keine konservative, sondern allenfalls um eine reaktionäre Partei. Sie ist durchsetzt von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten. Dass ein langjähriger Chef des Verfassungsschutzes so etwas entweder nicht erkennt oder übergeht - das eine wie das andere ist im Grunde nur schwer zu kapieren. Maaßen versucht, diese Partei zu nobilitieren. Bundesinnenminister Horst Seehofer wird über sich selbst staunen, dass er im Herbst 2018 zunächst so lange an ihm festhielt.

Joachim Gauck hingegen hat wohl einfach seine Worte nicht gewogen. Sein Plädoyer für eine "erweiterte Toleranz nach rechts" wollte er als Unterscheidung zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextremistisch verstanden wissen. Aber eine solche Unterscheidung wird auch ein Bundespräsident a.D. nicht mehr durchsetzen; statt dessen setzt er nur sich selber Missverständnissen aus. "Toleranz enthält das Gebot der Intoleranz gegenüber Intoleranten." Das ist ein Satz, den Gauck im Spiegel auch gesagt hat. Und mit dem alles gesagt gewesen wäre.

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