Süddeutsche Zeitung

CDU:"Partei der Vielen"

Mehr Frauen, mehr Junge und mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte: Die CDU stellt ihre neue "Grundwerte-Charta" vor. Die Breite der Gesellschaft soll sich künftig auch innerhalb der Partei abbilden.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war eine an Schärfe kaum zu überbietende Analyse. Wenige Tage vor seiner Wahl zum CDU-Chef hat Friedrich Merz der Süddeutschen Zeitung zum programmatischen Zustand seiner Partei gesagt: "Wir müssen sehen, dass wir intellektuell in diesem Land wieder satisfaktionsfähig werden." Merz beklagte, dass die CDU "zugunsten eines ausschließlich tagespolitisch geländegängigen Regierungshandelns" jahrelang auf Klarheit in ihren Positionen verzichtet habe. Auch deshalb brauche die Partei endlich das schon lange angekündigte neue Grundsatzprogramm.

Das war im Januar. Am Montag wird nun das erste Ergebnis vorgestellt: Im Konrad-Adenauer-Haus soll der Entwurf für die Präambel des neuen Programms präsentiert werden. Fünf Seiten ist die Präambel lang, sie soll die neue "Grundwerte-Charta" der Partei werden.

Wie notwendig das neue Grundsatzprogramm ist, zeigt schon ein Blick in das geltende. Das ist inzwischen 15 Jahre alt - und darin finden sich noch Sätze wie: "Wir bekennen uns zur bewährten Wehrpflicht." Diese Pflicht hat eine CDU-geführte Regierung längst ausgesetzt.

Im Februar hatte der CDU-Bundesvorstand deshalb eine Kommission zur Erarbeitung des neuen Grundsatzprogramms eingesetzt, ihr Vorsitzender ist Parteivize Carsten Linnemann. Unter dem Dach dieser Kommission gibt es elf Fachkommissionen. Eine davon bekam den Auftrag, die Grundwerte-Charta zu formulieren. Chef dieser Fachkommission ist der Historiker Andreas Rödder, unter den Mitgliedern sind Ex-CDU-Chef Wolfgang Schäuble, die frühere Familienministerin Kristina Schröder und die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert.

Die CDU will "Lust auf Leistung, Qualifikation und Bildung" machen

In der "Grundwerte-Charta", die sie jetzt vorlegen, wird die CDU politisch als "Volkspartei der Mitte" verortet. Sie sei "Partei der Vielen und nicht Vertreterin einzelner Interessen Weniger", sie wolle "Lust auf Leistung, Qualifikation und Bildung" machen. Die CDU vereine "soziale, liberale und konservative Haltungen und Anliegen", heißt es in dem Papier. Sie stehe für eine Politik, "die im besten Sinne bürgerlich, weltoffen und zukunftsorientiert ist". Bürgerliche Politik lade ein und schließe nicht aus.

Die CDU stehe deshalb auch "für ein Versprechen, in Deutschland mitwirken und aufsteigen zu können, für gesellschaftliche Integration und Selbstbestimmung", heißt es in dem Entwurf. Dieses Versprechen gehe für Menschen, die "aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, wegen ihres Glaubens oder ihres Alters oder wegen anderer Merkmale benachteiligt werden", allerdings noch nicht in Erfüllung. Die CDU trete "solchen Benachteiligungen entgegen, denn sie widersprechen unseren Überzeugungen von Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit".

Weil die CDU "Volkspartei mit einem glaubhaften Gestaltungsanspruch für unser Land" sein wolle, müsse "die Breite der Gesellschaft" auch in der Partei abgebildet werden, heißt es in der Charta. "Dies bedeutet, dass in der Zukunft vermehrt Frauen Politik mitgestalten und in der CDU ihre Interessen einbringen, ebenso wie mehr Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte und mehr junge Menschen." Derzeit liegt der Frauenanteil in der Partei nur bei 26,6 Prozent, das Durchschnittsalter der Mitglieder ist 60,8 Jahre.

Kommissionschef Linnemann verlangt "neue Erzählung"

Aber wie geht es jetzt weiter? Die Grundwerte-Charta soll bereits auf dem Bundesparteitag im September beschlossen werden. Das gesamte neue Grundsatzprogramm soll dann bis zur Europawahl 2024 fertig sein. Für ein sehr gutes Programm brauche es "lebhafte Debatten und konstruktiven Streit", sagt Kommissionschef Linnemann der SZ. Man habe deshalb einen offenen Ansatz gewählt, der "alle einlädt mitzumachen". Diese Debatten in weniger als zwei Jahren abzuschließen, sei "sehr ambitioniert, aber machbar".

Am Ende müsse "eine neue Erzählung stehen", wofür die CDU stehe, verlangt Linnemann. Und es müssten "unverwechselbare Punkte herausgearbeitet werden, die uns zu anderen Parteien unterscheidbar machen". Auf dem Bundesparteitag stehe da schon das erste, große Thema auf der Agenda: "Wir werden über die Einführung eines allgemeines Gesellschaftsjahres nicht nur debattieren, sondern auch abstimmen."

Auf dem Parteitag soll übrigens auch über die Einführung einer Frauenquote abgestimmt werden. CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat sich bereits dafür ausgesprochen. Parteichef Merz drückt sich dagegen noch um eine Aussage dazu, wie er abstimmen will.

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