Unvereinbarkeitsbeschluss:Entweder beide oder keine

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„Keine langen Diskussionen“: CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor Beginn der Klausurtagung des Geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion vor Schloss Neuhardenberg. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die CDU-Spitze will partout nicht mit der Linken zusammengehen, wohl aber mit dem Bündnis der Ex-Linken Sahra Wagenknecht. Dagegen rührt sich Widerstand an der Parteibasis.

Von Robert Roßmann, Neuhardenberg

Es war ein Satz, der – kaum gesprochen – tagelang für Empörung sorgte. Vor genau sechs Jahren trafen sich die CSU-Bundestagsabgeordneten in Schloss Neuhardenberg zur Klausur. Und Horst Seehofer, damals noch Bundesinnenminister, sagte dort, die Migrationsfrage sei „die Mutter aller Probleme“. Jetzt sind erneut CSU-Abgeordnete zur Klausur in das Brandenburger Schloss gekommen – diesmal zusammen mit Kollegen von der CDU. Und die Auffassung Seehofers, damals noch ein Aufreger, scheint inzwischen Standard in der Union geworden zu sein.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat bereits kundgetan, die drei wichtigsten Themen seien „Migration, Migration, Migration“. Auch Parteichef Friedrich Merz hat die Migrationsfragen auf seiner Agenda ganz nach oben gesetzt. Im Zentrum der zweitägigen Klausur des geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion sollen deshalb neben dem Dauerbrenner „Moderner Staat“ die Migrationspolitik und die Innere Sicherheit stehen. Als Gäste wurden der Migrationsforscher Ruud Koopmanns von der Berliner Humboldt-Universität und Bundespolizei-Chef Dieter Romann eingeladen.

Über das Ergebnis der Gespräche wird Merz erst an diesem Freitag berichten. Aber der CDU-Chef machte gleich in seinem Auftaktstatement am Donnerstagnachmittag klar, in welche Richtung es gehen soll. Die Union wolle „keine langen Diskussionen“ mehr, sagte Merz. Er fordert von der Ampel ultimativ, dass Asylbewerber, die aus einem anderen EU-Staat einreisen, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können.

Doch nach der langen Sommerpause gibt es ein weiteres Thema, das die Abgeordneten stark beschäftigt. In Sachsen und Thüringen wurden neue Landtage gewählt. Mit dem Ergebnis haben die Bürgerinnen und Bürger die CDU vor ein großes Problem gestellt. Damit Michael Kretschmer in Sachsen Ministerpräsident bleiben und Mario Voigt in Thüringen Regierungschef werden kann, muss die CDU nicht nur mit der SPD, sondern auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht koalieren. Und in Thüringen reicht noch nicht einmal das – dort bräuchte eine CDU-BSW-SPD-Regierung noch mindestens eine Stimme aus dem Lager der Linken.

Die Mehrheit der CDU-Anhänger billigt ein Bündnis mit dem BSW

Bisher gilt in der CDU-Spitze die Devise: Lasst die Parteifreunde in Thüringen und Sachsen möglichst ungestört sondieren – sie haben es schwer genug. Nur einzelne Christdemokraten äußern öffentlich Vorbehalte. Und in ihren beiden Bundesländern scheinen Kretschmer und Voigt zumindest eine knappe Mehrheit der Unionsanhänger hinter sich zu haben. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa teilte am Donnerstag mit, in Sachsen würden sich 46 Prozent der CDU-Anhänger für ein Zusammengehen mit dem BSW aussprechen, nur 39 Prozent dagegen. In Thüringen liege das Verhältnis bei 44 zu 39 Prozent.

Berauschend sind diese Zahlen allerdings nicht. Es ist ja auch nur schwer vermittelbar, dass die CDU immer noch auf ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken beharrt, jetzt aber mit dem Bündnis der ehemaligen Kommunistischen-Plattform-Chefin Sahra Wagenknecht koalieren will. Insgeheim hoffen sie in der CDU deshalb, dass in den kommenden Wochen noch jemand aus der Thüringer Linken-Fraktion zum BSW wechselt. Dann könnte man sich die nötige Debatte über eine Öffnung zur Linken ersparen.

Wie groß das Unwohlsein über die neue Lage in der CDU ist, kann man aber auch an Jan Redmann sehen, dem Brandenburger Spitzenkandidaten. In seinem Bundesland wird am 22. September gewählt. Und Redmann kann sich auf seinem möglichen Weg in die Staatskanzlei auch eine ganz andere Koalition vorstellen – eine mit den Freien Wählern.

An der Straße zum Schloss Neuhardenberg steht ein großes Plakat der Freien Wähler. Darauf hält einem der örtliche Kandidat Constantin Schütze eine Orange entgegen und fordert: „Wählt Orange!“ Es ist die Farbe der Freien Wähler, sie sitzen bereits im Landtag. Wenn es die CDU in Brandenburg schafft, vor der SPD zu landen und die Freien Wähler mit ihrem Orangen-Wahlkampf wieder in den Landtag kommen – dann könnte es tatsächlich knapp für eine Dreierkoalition unter Redmann reichen. Wegen der Grundmandatsklausel haben die Freien Wähler sehr gute Chancen auch dann ins Parlament einzuziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben.

Es gibt aber auch noch einen weiteren Unterschied zu den Wahlen in Thüringen und Sachsen, auf den Redmann setzt. Nur in seinem Bundesland kommt der amtierende Ministerpräsident, es ist der Sozialdemokrat Dietmar Woidke, aus einer Berliner Ampelpartei. Auch deshalb will Redmann die ungeliebte Ampelkoalition in den verbleibenden Wochen besonders hart angehen und für die CDU als Alternative in der demokratischen Mitte werben. Eine Mitte, in der er das BSW, aber auch die Linke und erst recht die AfD nicht sieht.

Und die Bundes-CDU? Bis zur Wahl in Brandenburg dürften die meisten Kritiker eines Bündnisses mit dem BSW stillhalten. Spätestens dann dürfte eine breite Debatte in der Partei aber nicht mehr aufzuhalten sein. Die Ersten fordern bereits, dass auf dem nächsten Bundesparteitag auch ein Unvereinbarkeitsbeschluss gegen das BSW verabschiedet wird. Andere stellen schon den bestehenden Beschluss gegen die Linke infrage.

Ach ja, der Weg zum Schloss Neuhardenberg, in dem die Spitze der Unionsfraktion jetzt tagt, führt übrigens über die Karl-Marx-Allee.

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Von Henrike Roßbach (Text) und Friedrich Bungert (Fotos)

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