CDU auf Distanz zur FDP:Angst vor der Ansteckung

CDU geht auf Distanz zum Koalitionspartner

Die FDP ist so unbeliebt, dass dies auf die Koalition mit der Union abfärbt, glauben viele aus der CDU.

(Foto: dpa)

Alarmierende Nachrichten vor der Sitzung des Koalitionsausschusses: In Umfragen sagen fast 60 Prozent der Wähler, Schwarz-Gelb müsse abgelöst werden. Das liege vor allen an der FDP, finden viele in der Union. Ein taktischer Sicherheitsabstand scheint da ratsam zu sein.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wer in diesen Tagen mit Christdemokraten redet, erlebt einen bemerkenswerten Wandel im wording. Jahrelang haben die Unionisten von der "schwarz-gelben" Koalition gesprochen. Doch damit ist es jetzt vorbei, die Christdemokraten haben "Schwarz-Gelb" aus ihrem Wortschatz gestrichen. Das Bündnis heißt auf einmal "christlich-liberale" Koalition.

Sprache ist die Kleidung von Gedanken - auch bei der CDU. In den Umfragen sagen fast sechzig Prozent der Wähler, "Schwarz-Gelb" müsse abgelöst werden. Das liege vor allen am Gelb, finden die Auguren. Die FDP scheint derzeit noch unbeliebter zu sein als Mundgeruch. Mit so jemand will man nichts zu tun haben. Und so streichen sie in der CDU "schwarz-gelb" lieber mal aus ihren Erklärungen - "christlich-liberal" klingt ja auch viel schöner und nicht so sehr nach FDP.

Die Union dieser Tage hat Angst, von ihrem Koalitionspartner infiziert zu werden. Dabei geht es ihr wie einem Mann, dessen Frau mit einer wüsten Viruserkrankung darnieder liegt: Man sucht das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz. Auch deshalb dürfte die bevorstehende Sitzung des Koalitionsausschusses interessant werden.

Alles ist etwas anders als sonst

Am Donnerstag treffen sich zum ersten Mal in diesem Jahr die Spitzen von Union und FDP. Und dabei ist alles etwas anders als sonst. Das beginnt schon mit dem Wochentag und der Uhrzeit. Normalerweise kommen die Damen und Herren sonntagabends zu einer Open-End-Sitzung zusammen. Diesmal trifft sich die Runde nachmittags an einem Werktag und muss sich, eingepfercht zwischen anderen Terminen, ziemlich beeilen. Erst wenn der Bundestag über die Fortsetzung des Afghanistan-Mandats abgestimmt hat, können die Koalitionsspitzen ins Kanzleramt fahren. Und um 19.30 Uhr beginnen dann schon wieder die traditionellen Vorbereitungsrunden für die Bundesratssitzung.

Nun hatte die Koalition immer die Devise ausgegeben, der Ausschuss treffe sich erst, wenn genügend Entscheidungsreifes auf dem Tisch liege. Bisher ist der Tisch jedoch noch ziemlich leer. Spektakuläre Beschlüsse erwarten nicht einmal die Wohlmeinendsten. Diesmal werde es tatsächlich nicht so sehr darum gehen, "Häkchen" an fertige Projekte zu machen, sagt einer, der dabei sein wird.

Stattdessen werden die Koalitionäre beraten, wie sich die Lage für FDP und Union jetzt darstellt - und welche Projekte man angesichts dessen noch anstoßen kann und soll. Die Partner müssen klären, wo sie es noch mit Gemeinsamem versuchen wollen - und wo man es angesichts der Differenzen lieber gleich sein lässt. Schließlich haben Gesetzentwürfe wegen der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundesrat sowieso keine Chance mehr, Wirklichkeit zu werden.

Die Koalition ist sich bei fast allen anstehenden Themen uneins

Nun wäre für die Koalition in der öffentlichen Wahrnehmung kaum etwas schlimmer als interner Streit während des Wahlkampfs. Da könnte es verlockend sein, die Hände gleich in den Schoß zu legen. Schließlich sind Union und FDP bei fast allen anstehenden Themen uneins. Kaum einer kann sich vorstellen, dass die Koalitionäre beim tariflichen Mindestlohn, der Rente, den Mieten oder der Frauenquote noch einen Kompromiss finden können.

Aber auch der Eindruck, die Regierung stelle das Arbeiten ein, dürfte tödlich sein. Die CDU will deshalb jetzt Thema für Thema entscheiden, ob man sich mit den Liberalen noch um eine Einigung bemüht - oder ob man lieber gleich mit "CDU-pur" Wahlkampf macht. Für letzteres böte sich ein Thema wie der tarifliche Mindestlohn geradezu an.

Die neue Distanz zur FDP

Derzeit muss sich die CDU aber noch sortieren. Seit der extrem schmerzhaften Niederlage in Niedersachsen ringt sie um einen neuen Kurs. Generalsekretär Hermann Gröhe hat für den 18. Februar die Landesvorsitzenden und die Chefs der Partei-Vereinigungen ins Adenauerhaus geladen. Bei der "Ideenwerkstatt" soll auch über das Wahlprogramm gesprochen werden. In der Union glauben sie inzwischen, dass es besser ist, wenn - anders als in Niedersachsen - jeder Koalitionspartner deutlich für sich kämpft.

In einer wahren Kaskade von Interviews haben CDU-Granden bereits am vergangenen Wochenende die neue Distanz zur FDP offenbar werden lassen. Die CDU will sich künftig noch deutlicher als Partei der sozialen Marktwirtschaft präsentieren - im Gegensatz zur marktliberalen FDP. Als Linksruck will das die CDU jedoch nicht verstanden wissen. Den Mindestlohn habe man schließlich schon auf dem vorletzten Parteitag im Jahr 2011 beschlossen, heißt es. Und der jüngste Parteitag Ende 2012 habe nicht ohne Grund unter dem Motto gestanden: "Starkes Deutschland - Chancen für Alle!"

Die CDU will sich im Wahlkampf jetzt als die Partei präsentieren, die beides kombiniert: den Einsatz für eine prosperierende Wirtschaft und eine Sozialpolitik für die kleinen Leute, die man sich ja nur wegen der ökonomischen Basis leisten könne. Damit wird man dann auch versuchen, den Gerechtigkeitswahlkampf der SPD zu parieren.

Taktischer Sicherheitsabstand

Wegen dieser Betonung des Sozialen und der gleichzeitigen Abkehr von der FDP wird sich die CDU in den kommenden Monaten des Vorwurfs erwehren müssen, in Wahrheit eine große Koalition anzustreben. Dabei scheint es der CDU bisher aber tatsächlich nur um einen taktischen Sicherheitsabstand zu den Liberalen sowie um die Ansprache breiterer Wählerschichten zu gehen.

Falls Union und FDP im September wider Erwarten doch eine Mehrheit erhalten, werden sie auch gemeinsam weiter regieren. Damit die Wähler der CDU das auch abnehmen, dürfte sie künftig keine Chance ungenutzt lassen, die SPD aggressiv als eine Partei darzustellen, der es nur um die Verteilung von Wohlstand, statt um dessen Mehrung gehe.

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