AfD-DebatteWie normal darf’s denn sein?

Lesezeit: 3 Min.

Es gebe auch in der AfD Abgeordnete, von denen keine Gefahr ausgehe, meint Brandenburgs CDU-Partei- und Fraktionschef Jan Redmann.
Es gebe auch in der AfD Abgeordnete, von denen keine Gefahr ausgehe, meint Brandenburgs CDU-Partei- und Fraktionschef Jan Redmann. (Foto: Friedrich Bungert)

Unionsfraktionsvize Jens Spahn will die AfD im Bundestag so behandeln wie die anderen Parteien. Ein Blick nach Sachsen, Thüringen und Brandenburg zeigt, was das bedeutet.

Von Iris Mayer und Roland Preuß, Berlin, Leipzig

Wie es die CDU mit der AfD halten soll, auf diese Frage scheint Jan Redmann nur gewartet zu haben. „Was Jens Spahn fordert, ist bereits gängige Praxis in den ostdeutschen Landtagen“, sagt Brandenburgs CDU-Partei- und Fraktionschef Jan Redmann der Süddeutschen Zeitung. Er sei Spahn dankbar für den Vorstoß. „Es ist Realismus im Umgang mit der AfD, der absolut notwendig ist.“ Zuvor hatten schon Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Generalsekretär Philipp Amthor den Vorstoß Spahns unterstützt, gegen teils heftige Kritik, etwa aus der SPD. Spahn hatte gefordert, die AfD bei Abläufen im Parlament, Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen und der Berücksichtigung von Minderheits- und Mehrheitsrechten zu behandeln wie jede andere Oppositionspartei.

Damit hat er erneut eine Grundsatzfrage aufgeworfen, die insbesondere die CDU im Osten seit Jahren umtreibt: Muss man die AfD in den Parlamenten isolieren, sie von Posten wie Ausschussvorsitzen fernhalten, weil sie extremistisch und destruktiv ist? Oder sollte man sie grundsätzlich behandeln wie andere Oppositionsparteien auch, um ihrer Erzählung als Opfer der anderen Parteien etwas entgegenzusetzen?

Jeder Kandidat wird einzeln auf Tauglichkeit geprüft

Was heißt das konkret? Spahn will sich da nicht festlegen, in ostdeutschen Bundesländern aber hat man handfeste Erfahrungen gesammelt mit der erstarkten AfD als neue Normalität. „In Brandenburg stellt die AfD seit Jahren einen Landtagsvizepräsidenten und Ausschussvorsitzende“, sagt Redmann. Man könne nicht sagen, jeder AfD-Abgeordnete komme grundsätzlich nicht infrage, es gebe auch in der AfD Abgeordnete, von denen keine Gefahr ausgehe. Aber, betont der CDU-Fraktionsvorsitzende, man lasse nicht jeden AfDler zu Posten kommen. „Wir prüfen jeden AfD-Kandidaten mithilfe des Verfassungsschutzberichts und eigener Recherchen.“ Dementsprechend würden die Kandidaten abgelehnt oder könnten durch die Enthaltung auch der oppositionellen CDU den Posten besetzen.

Für Redmann ist dies ein guter Weg. Die Ablehnung werde öffentlich besser akzeptiert, wenn man sie begründen könne anhand der jeweiligen Person statt einer grundsätzlichen Ablehnung. „Am besten ist, wenn man auf konkrete Äußerungen verweist. Das zeigt, welche Leute in der AfD sind.“ Eine solche Diskussion könne man als Demokraten sehr gut aushalten. Redmann räumt ein, dass die AfD versucht, diese Strategie zu durchkreuzen, indem sie etwa bewusst auch extremistische Kandidaten aufstellt. „Die Entscheidung je nach Einzelfall ist auch ein Signal an die AfD-Leute, dass sich Radikalisierung nicht lohnt“, sagt Redmann. Eine Mäßigung der AfD Brandenburg lässt sich allerdings nicht beobachten. Die Praxis hat offenbar auch nicht zur Schwächung der in weiten Teilen rechtsextremistischen Partei beigetragen, in Brandenburg legte sie bei der Landtagswahl 2024 weitere fast sechs Prozentpunkte zu auf 29,2 Prozent.

Andreas Bühl, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag: „Die AfD nutzt die Regeln des Parlaments, um sie von innen auszuhöhlen.“
Andreas Bühl, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag: „Die AfD nutzt die Regeln des Parlaments, um sie von innen auszuhöhlen.“ (Foto: Jacob Schröter/Imago)

Für eine gleichberechtigte parlamentarische Teilhabe argumentiert auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer, der diese Woche befand, es dürfe zwar keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, aber die eigentlichen demokratischen Rechte für jeden Abgeordneten sollten auch für diese Partei gelten, „weil man sie ansonsten stark macht und nicht schwächt“.

Ein AfD-Mann, der bald wieder abgewählt wurde

Dabei konnte Kretschmer gerade erst selbst wieder beobachten, was passiert, wenn man die AfD wie eine normale Partei behandelt. Im sächsischen Landtag überließ die CDU der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Landes-AfD den Vorsitz der wichtigsten Ausschüsse im Parlament: Inneres, Verfassung und Recht, Haushalt und Finanzen sowie Schule und Bildung. Die AfD ernannte mit Alexander Wiesner ausgerechnet den Mann zum Vorsitzenden des Verfassungs- und Rechtsausschusses, der als Abgeordneter zwei mutmaßliche Mitglieder der Kampfgruppe „Sächsische Separatisten“ beschäftigt hatte, nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft eine terroristische Vereinigung.

Auf Antrag von CDU und SPD wurde Wiesner Ende März als Ausschussvorsitzender vom Landtag wieder abgewählt. CDU-Fraktionsvize Sören Voigt sagte danach: „Wer einen Ausschuss leitet, muss in besonderer Weise für die Werte des Landtags einstehen – glaubhaft, integer und unbefangen. Es braucht eine Persönlichkeit, die für Ausgleich, Sachlichkeit und Vertrauen in die parlamentarische Arbeit steht.“ Wiesner sei das nicht gewesen, die CDU geht aber davon aus, dass eine solche Person in den Reihen der AfD-Abgeordneten zu finden ist.

In Thüringen hat die AfD bei der Landtagswahl im September mehr als ein Drittel der Mandate errungen, dort ist die CDU schon auf Stimmen der AfD angewiesen, wenn es beispielsweise um die Wahl von Verfassungsrichtern geht. Im Koalitionsvertrag steht daher: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sind aufgrund der Sperrminorität zu führen.“ CDU-Fraktionschef Andreas Bühl findet, man dürfe der AfD keine Oppositionsrechte vorenthalten, aber er warnt ausdrücklich vor einer Normalisierung. „Die AfD nutzt die Regeln des Parlaments, um sie von innen auszuhöhlen. Sie fordert Rechte ein, verweigert aber jede Mitwirkung und Verantwortung. Das ist kein Beitrag zur Demokratie, sondern gezielte Sabotage ihrer Abläufe“, erklärte er mit Blick auf die Spahn-Debatte.

Beobachten lässt sich das aktuell bei der Blockade des Richterwahlausschusses durch die AfD im Thüringer Landtag. Die Partei verweigerte bei den Wahlen bisher allen Kandidaten von CDU, SPD, BSW und Linken ihre Stimme – in der Hoffnung, so einen Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission und einen Posten als Landtagsvizepräsidenten zu erzwingen. Bislang erfolglos. Als geeignet für den Posten als Landtagsvize schlug die AfD zuerst eine verurteilte Betrügerin vor, danach einen Mann, der den Holocaust verharmlost. Beide lehnte auch die CDU-Fraktion ab. Den AfD-Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof wählte die CDU dagegen Anfang April mit – im Gegenzug brachte sie auch mit Stimmen der AfD ihren eigenen Kandidaten fürs Verfassungsgericht durch.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundestag
:Streit um Brandmauer gegen die AfD belastet die künftige Koalition

Ein Vorstoß von Jens Spahn zum Umgang mit der Rechtsaußen-Partei sorgt  für immer mehr Ärger. Die SPD ist entsetzt, die Union gespalten – einzig die AfD frohlockt.

SZ PlusVon Daniel Brössler, Georg Ismar und Roland Preuß

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: