CDU und AfD:Risse in der Brandmauer

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Ende Oktober wurde auf eine geplante Asylunterkunft in Bautzen ein Brandanschlag verübt. Jetzt schließt sich am selben Ort die CDU einem Anti-Asyl-Antrag der AfD an. (Foto: Paul Glaser/dpa)

Eigentlich hat die CDU jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. In Sachsen sieht man das gelegentlich anders - vor allem, wenn es gegen Geflüchtete geht.

Von Iris Mayer, Leipzig

Friedrich Merz hatte die Absicht, eine Mauer zu errichten. Eine Brandmauer sollte es sein, platziert zwischen CDU und AfD, mit glasklarer Ansage an die Landesverbände, "vor allem im Osten". Merz sagte noch vor seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden vor einem Jahr im Spiegel: "Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."

Nimmt man Merz beim Wort, dann müssten bei der sächsischen CDU seit dieser Woche mindestens 19 Parteiausschlussverfahren laufen. Denn am Montagabend stimmte die CDU-Fraktion im Kreistag von Bautzen nahezu geschlossen für einen Antrag der AfD, der ausreisepflichtigen Asylbewerbern freiwillige Integrationsleistungen des Kreises kürzen will.

"Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist ausgeschlossen"

In der Sache werde der Beschluss an der Situation Geflüchteter wenig verändern, sagte der Sächsische Flüchtlingsrat und sprach von Populismus. Denn der Großteil der Leistungen ist auf Bundes- oder Landesebene geregelt, der Kreistag muss nun bis März eine Neufassung der Integrationsleitlinien vorlegen.

Die Symbolik aber ist kaum zu überschätzen: In einem Landkreis, in dem erst vor wenigen Wochen eine Flüchtlingsunterkunft angezündet wurde, schließt sich die CDU einem Anti-Asyl-Antrag der AfD an. Und während die Parteigremien in Dresden und Berlin hörbar mit den Zähnen knirschen, sehen die Verantwortlichen in Bautzen weder Aufregungs- noch Korrekturpotenzial. Inhaltlich sei der Antrag "völlig in Ordnung" gewesen, befand CDU-Landrat Udo Witschas, der selbst mit Ja stimmte. "Grundsätzlich ist es für mich als gewählter Landrat unerheblich, wer im Kreistag einen Antrag stellt." Kreistagsfraktionschef Matthias Grahl ging in der Sächsischen Zeitung noch einen Schritt weiter und sagte, man werde sich nicht an "Kindergartenspielchen" beteiligen und einen Antrag nur deshalb ablehnen, weil er von der AfD komme.

Genau das aber fordern Landes- und Bundespartei. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks stellte eilig klar: "Eine Zusammenarbeit mit der AfD steht für uns nicht zur Debatte und ist ausgeschlossen." Und auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der mit seinem Russlandkurs seit Wochen auf Konfrontationskurs zur Bundespartei fährt, schloss erneut sehr klar jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus. Kretschmer ließ sich allerdings eine Hintertür offen und sagte, man müsse sich den Antrag noch einmal anschauen. "Dann wird man feststellen, dass man den Vorwurf, gegen Zuwanderung zu sein, so nicht sagen kann."

Wenig Angst vor Beifall von der falschen Seite

Ähnlich lief die Argumentation zuletzt in Thüringen, wo sich die AfD im Landtag einem Antrag der CDU gegen das Gendern anschloss. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte darin eine bewusste Grenzverschiebung ausgemacht, "um Abstimmungsmehrheiten unter Zuhilfenahme der AfD zu normalisieren". Die CDU verteidigte sich: Die AfD sei eine rechtsextremistische Partei. "Aber wir können und werden keine inhaltlichen Initiativen, die unserer innersten Überzeugung und unserer Programmatik entsprechen, nur deshalb nicht offen zur Abstimmung stellen, weil wir Angst vor Beifall von der falschen Seite haben", sagte CDU-Fraktionschef Mario Voigt.

Im Windstreit im Frühjahr hatte eine Welle der öffentlichen Empörung genau das noch verhindert. Auch da wollte sich die AfD einem CDU-Entwurf anschließen, der gegen den Willen der Landesregierung größere Abstände von Windrädern zu Wohnhäusern durchsetzen sollte. In letzter Minute wurde ein Kompromiss ausgehandelt. Friedrich Merz befand damals: "Wir können nicht jeden Antrag, den wir in der Sache für richtig halten, davon abhängig machen, ob die AfD dem zustimmt oder nicht."

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Die CDU-Spitze klang in dieser Frage noch deutlich kompromissloser, kurz nachdem der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im Februar 2020 mit Stimmen der AfD und der CDU kurzzeitig zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden war. Damals hatte das Präsidium der CDU den Hamburger Parteitagsbeschluss von 2018 bekräftigt und befunden: "Zwischen Union und AfD kann es nur klare Kante und schärfste Abgrenzung geben. Koalitionen oder irgendeine andere Art der Zusammenarbeit sind für aufrechte Christdemokraten ausgeschlossen. Das wäre ein Verrat an unseren christdemokratischen Werten."

Sachsens AfD-Fraktionschef Jörg Urban hat naturgemäß einen ganz anderen Blick auf die Dinge: Natürlich gebe es auf kommunaler Ebene Gespräche zwischen AfD und CDU, schon weil "die CDU uns programmatisch am nächsten" stehe. Man begrüße, dass es auch bei der CDU Politiker gebe, "die im Sinne ihres Kreises handeln und sich nicht der Parteidoktrin aus Berlin unterordnen".

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