Süddeutsche Zeitung

CDU und AfD:Gut, dass AKK zur großen Keule greift

Es ist beruhigend, dass die CDU-Vorsitzende eine klare Grenze zur AfD zieht. Es ist alarmierend, dass sie sich dazu gezwungen sieht.

Kommentar von Detlef Esslinger

Wie soll man umgehen mit all jenen Parteimitgliedern, vor allem in Ostdeutschland, die einer Annäherung der CDU an die AfD das Wort reden - oder sogar eine Koalition mit ihr ins Auge fassen? Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich entschieden, zum ganz großen Gerät zu greifen. Sie erbat an diesem Montag im Parteivorstand Prokura, um "mit den Justiziaren" der Partei "jedes Mittel" zu prüfen, auch nur eine Annäherung an die AfD zu verhindern.

Wer die Justiziare bemüht, hat nicht mehr vor, Parteimitglieder und -funktionäre, die anderer Meinung sind, zu überzeugen. Wer dies tut, gibt den Befehl aus: "Ende der Debatte!" Und ist darauf angewiesen, durchzukommen damit; nicht nur im Vorstand, sondern in den kommenden Wochen in jedem Kreis- und Ortsverband.

Die CDU und Annegret Kramp-Karrenbauer haben in den zurückliegenden Wochen und Monaten erlebt, dass immer mehr Risse in den Wall gerieten, der die CDU von der AfD trennt. Mal waren es Christdemokraten im Landtag von Sachsen-Anhalt, die gemeinsam mit der AfD abstimmten.

Mal waren es zwei Fraktionsvizes dort, die das "Soziale und das Nationale" miteinander "versöhnen" wollten. Mal setzten ein OB sowie ein Fraktionschef in Sachsen oder ein Bundestagsabgeordneter aus Brandenburg Bemerkungen in die Welt, die offenbar den Zweck hatten, das Gelände zu sondieren. Und aus dem Westen gesellte sich der frühere Chef des Verfassungsschutzes hinzu; er sprach die Möglichkeit des Koalierens mit der AfD explizit aus.

Mehr als versprengte Einzelne

Es handelte sich nicht mehr um versprengte Einzelne, die nur deshalb eine steile These in die Welt setzten, um Gehör zu finden, bei Twitter, in lokalen Medien. Sondern sie waren drauf und dran, der CDU eine gefährliche Debatte aufzuzwingen. Kramp-Karrenbauer ahnt wohl: Es gibt Debatten, die verliert man schon dadurch, dass man sie überhaupt führt.

Eine CDU, die über Bündnisse mit einer von Rechtsextremisten durchsetzten Partei nachdenkt, würde sich ihres Kerns berauben - und vieler ihrer Wähler gleich mit. Die einen wenden sich dann gleich den Extremisten zu, weil sie zu sehen meinen, wie wirksam die sind; die anderen fliehen zu den Grünen, weil sie mit einer solchen CDU nichts mehr zu tun haben wollen.

Wenn es richtig war, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD mit dem Hinweis abgelehnt war, dass diese Partei zu unbedeutend sei - dann ist es auch richtig, der mittlerweile relativ bedeutenden AfD die verfassungsrechtlichen Werkzeuge des Staates wenigstens zu zeigen.

Insofern hat es seinen Wert, dass der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber den Artikel 18 des Grundgesetzes ausgegraben hat. Dieser sieht vor, dass das Verfassungsgericht einige Grundrechte Leuten entziehen kann, die zum Beispiel die Freiheit der Meinungsäußerung, die Lehr-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zum Kampf gegen die Demokratie missbrauchen. Wenn CSU-Innenminister Horst Seehofer sagt, diese Möglichkeiten nun "ernsthaft prüfen" zu wollen, ist dies der Code dafür, dass außer der Prüfung wahrscheinlich nichts passieren wird.

Aber egal. Worauf es ankommt: in der Union ein Bewusstsein zu schaffen, dass die AfD kein Wettbewerber ist wie die anderen Bundestagsparteien, mit irgendwie eigenen Vorstellungen zu Migration, Europa oder Klima - sondern eine Partei, die Zivilität und Pluralismus zu großen Teilen ablehnt. Was die Bundesvorsitzende jetzt tat, war im Grunde nichts anderes als eine Art Anwendung von Artikel 18 auf ihre Partei. Es ist durchaus beruhigend, dass sie solche Entschlossenheit zeigt - und sehr alarmierend, dass sie dazu Anlass sieht.

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