CDU: Adenauer und der Zug:Merkel auf Märklinreise

Kanzlerin Merkel demonstriert mit ihrer Reise im Rheingold-Express Verbundenheit zu Konrad Adenauer. Sie will ganz Enkelin sein. Doch das dumpfe Gefühl dieses Wahlkampfs fährt mit.

Stefan Braun

Sollte es je Zweifel gegeben haben, was das alles soll mit dieser eintägigen Reise durch Deutschland, dann räumt Angela Merkel sie früh am Tag aus dem Weg: "Vielleicht kommt auch die Familie Adenauer noch mal dazu, das wär doch hübsch."

Hübsch also soll der ganze Trip werden eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl. Hübsch in Form von schönen Bildern. In zwölf Stunden einmal quer durchs eigene Land, sieben Stationen in sechs Städten, und das alles auf den Spuren berühmter Zugfahrer - in dem immer knapperen Kampf um die Wähler soll auch die ganz große Geste jetzt helfen.

Also sitzt Merkel morgens um halb neun am ersten Arbeitstisch im ersten Arbeitszimmer des damals frisch gewählten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Der Urahn der CDU nebst Anhang soll ihr zusätzlichen Glanz verleihen. Er, der Merkel seit Jahren in Öl auf Leinwand schon folgt und hinter ihrem Schreibtisch an der Wand hängt.

Deshalb schreibt sie ein paar nette Worte ins Gästebuch des Museums Koenig in Bonn, wo sein Schreibtisch heute behütet und manchmal gezeigt wird. Deshalb posiert sie hinter dem Schreibtisch für die Fotografen - und deshalb bittet sie zum Schluss dieser ersten Tagesetappe auch die Nachfahren des Alten noch mit aufs Bild. Schön lächelt Merkel in die Kameras, und die Familie lächelt mit.

Lächeln ist inzwischen allerdings nicht mehr ganz so einfach in der CDU-Parteizentrale. Die Umfragen werden enger, das Fernsehduell ist nicht so gelaufen, wie sie sich das gewünscht haben. Umso wichtiger wird es, dem Bild von Sonntagabend ein neues folgen zu lassen.

Da passt es gut, dass an diesem 15. September vor 60 Jahren Adenauer zum Bundeskanzler gewählt wurde. Es passt noch besser, dass er dabei einst im Bündnis mit den Liberalen auf die knappste aller Mehrheiten (eine Stimme) setzte, und es passt für Merkel ganz wunderbar, dass er tat das, um die soziale Marktwirtschaft in der jungen Bundesrepublik durchzusetzen.

Symbolik über Symbolik steckt in dieser Reise, und Merkel gibt sich auf ihrer Fahrt von Bonn über Koblenz und Frankfurt, Erfurt und Leipzig nach Berlin alle Mühe, die Erinnerung daran wach zu halten. Mehr als einmal erklärt sie, dass die Union derzeit auch "auf dem Weg" sei, "eine solche Koalition zu schmieden". Möge die Mehrheit am Ende auch noch so knapp sein, sie wolle und werde mit den Liberalen regieren.

Sie warnt auf der Wahlkampf-Sonderzug-Tour angesichts knapper Umfragewerte energisch vor "Experimenten". Auf Kundgebungen in Koblenz und Frankfurt am Main wies die Kanzlerin auf die Gefahr unsicherer Mehrheiten und die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Koalition hin. Deutschland müsse jetzt aus der Krise geführt werden. "Wir brauchen dafür stabile Verhältnisse. Wir können uns keine Experimente erlauben", spielte sie auf einen erfolgreichen Wahlkampf-Slogan der CDU ("Keine Experimente") aus derAdenauer-Ära an.

Hinter all den Bildern, den Stopps an den einzelnen Bahnhöfen steckt freilich ein Problem. Es ist das Problem Merkels in diesem Wahlkampf. Sie selbst hat nach wie vor gute Umfragewerte, nach wie vor aber fehlt es beim Bemühen, ihre Werte auf die eigene Partei zu übertragen. Deshalb tourt sie im historischen Rheingold-Express durchs Land, in dem auch Konrad Adenauer in den fünfziger Jahren auf Wahlkampfreise ging.

Merkel will, Merkel muss sich noch einmal als seine wirkliche, echte Enkelin präsentieren. Sie muss die Brücke schlagen, sie muss sich mit der CDU verbinden und dabei gerade jenen Anhängern das Gefühl vermittelt, dass sie bei allem Drang zur Veränderung "CDU pur" ist.

Nicht verhindern kann sie dabei, dass ihr Trip wie eine Miniaturreise aussieht. Spötter im Zug sprechen von Merkels Märklinreise - was in der Wirtschaftskrise auch nicht eben schön ist, seitdem der Spielzeugeisenbahn-Hersteller insolvent ist.

Da mag Merkel den Tag frühmorgens am Grab Adenauers beginnen und abends in Berlin zu seinen Ehren eine Ausstellung eröffnen - das Problem, dass das taktische Motiv Wahlkampf das Gefühl echter Verbundenheit überlagert, kann sie nicht wirklich abstreifen.

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