Bundestag:Heftiger Streit in der Union über Neuaufstellung der Fraktion

Deutscher Bundestag, 7. Plenarsitzung Aktuell,10.12.2021 Berlin, Ralph Brinkhaus von der CDU reckt mit einer Handgeste

Turbulente Tage in der Union: Fraktionschef Ralph Brinkhaus am Freitag im Bundestag.

(Foto: Imago)

Der Arbeitnehmerflügel wirft Fraktionschef Brinkhaus vor, zu wenig Wert auf Sozialpolitik zu legen. Das sei eine "große Torheit".

Von Robert Roßmann, Berlin

In der CDU ist ein heftiger Streit über die Neuaufstellung der Bundestagsfraktion ausgebrochen. Der Sozialflügel der Partei, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), fühlt sich bei der Postenvergabe übergangen. Außerdem wirft der Flügel der Fraktionsspitze vor, die Sozialpolitik zu vernachlässigen.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDA, Dennis Radtke, sagte der Süddeutschen Zeitung, er frage sich, wo Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt "die letzten Wochen gewesen sind". Die Union habe bei der Bundestagswahl "in der sozialen Mitte 2,5 Millionen Stimmen an SPD und Grüne verloren". Aber die Fraktionsspitze reagiere auf das Wahlergebnis damit, dass sie "dem Sozialflügel die Sprecherposition im Bereich Arbeit und Soziales wegnimmt".

Er sehe "weder Neuanfang noch Aufbruch noch Ausgewogenheit bei der Verteilung der Ämter", sagte Radtke. Wenn "das Benchmark für die Ausrichtung der Union werden soll, dann haben wir einen traurigen Weg vor uns".

Bei der Verteilung der Bundestagsausschuss-Vorsitze hatte die Spitze der Unionsfraktion zum Leidwesen der CDA keinen einzigen Ausschuss aus dem sozialen Bereich gezogen. Die Bundestagsauschüsse für Familie sowie für Arbeit und Soziales gingen an die SPD, der Ausschuss für Gesundheit landete bei der AfD.

Karl-Josef Laumann, der Bundesvorsitzende der CDA, bezeichnete das Vorgehen der Unionsfraktionsspitze als "große Torheit". In einem Beschluss des CDA-Bundesvorstands, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: "Wir halten die Positionierung der CDU/CSU-Bundestagsspitze zu der Besetzung der Arbeitsgruppenvorsitzenden und die Priorisierung der Ausschüsse für einen gravierenden Fehler." Dieser lasse "jegliches Gespür für das feine Gleichgewicht einer Volkspartei vermissen".

Laumann zum Internet auf dem Land

CDA-Chef Laumann ist auch Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Nach diesen Entscheidungen zweifele man "daran, dass die amtierende Fraktionsspitze dazu in der Lage ist, unsere CDU für die Zukunft richtig aufzustellen". Sie habe mit den Entscheidungen klar gemacht, "dass sie aus den Wahlfehlern nichts gelernt hat". Alle drei Kandidaten für den CDU-Bundesvorsitz würden sich als Konsequenz aus der Wahlniederlage "seit Wochen für ein stärkeres sozialpolitisches Profil der Partei" stark machen. Aber die Fraktionsspitze habe "nun deutlich gemacht: Sie hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und nimmt mit dieser Politik die Menschen in unserem Land nicht mit".

Mit dem Vorsitz der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales sei eine wichtige traditionelle CDA-Position von der Fraktionsspitze "ohne Not an die CSU gegeben" worden, heißt es in dem CDA-Beschluss. Und bei den Ausschussvorsitzenden seien "bewusst alle Themen, die auf den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft zielen, nicht gezogen" worden. Die Fraktionsspitze mache damit klar, dass Sozialpolitik für sie keine Priorität habe. Dieses Vorgehen sei für die "CDA nicht zu akzeptieren". Man erwarte deshalb vom nächsten CDU-Vorsitzenden, "dass er diese inhaltliche Fehlausrichtung spätestens bei der Neuwahl des Fraktionsvorstandes korrigiert". Denn wer ein sozialpolitisches Profil wolle, müsse "seinen Worten auch Taten folgen lassen".

In der Wahlanalyse der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung heißt es, die Union habe "sowohl in den zentralen wahlentscheidenden Themen als auch in ihren Kompetenzen" gegenüber der Wahl 2017 "deutlich an Akzeptanz eingebüßt". Die Stiftung verweist dabei auch auf die Bedeutung der Sozialpolitik. Bei der Bundestagswahl im September seien den Bürgerinnen und Bürgern vor allem die Themen Rente (48 Prozent) und soziale Gerechtigkeit (45 Prozent) wichtig gewesen. Den Klimaschutz hätten nur 33 Prozent angegeben.

"Die soziale Flanke war im Wahlkampf unsere Achillesferse", sagt CDA-Vize Radtke vom Arbeitnehmerflügel. Die CDU brauche deshalb jetzt endlich wieder "eine Antenne für kleine Leute".

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